Forderungen Berliner Soldatenräte an den Reichsrätekongress am 17. Dezember 1918
„Forderungen der Berliner Truppen vom 17. Dezember 1918 an den 1. Reichsrätekongreß, die Machtbefugnisse der Soldatenräte betreffend
Als der Vorsitzende sich anschickt, über diese Vorschläge für die Geschäftsordnung abstimmen zu lassen, erscheinen plötzlich aus den Türen hinter dem Präsidium Abordnungen von 17 Berliner Regimentern und Formationen auf der Präsidiumsestrade. Auf hochgehaltenen Schildern, die sie mitführen, liest man die Regimentsbezeichnungen und Aufschriften, wie: „Die Befehlsgewalt liegt in den Händen der Soldaten!“ „Nur die von uns gewählten Kameraden sollen uns führen!“ „Sofortige Entwaffnung aller Offiziere!“
Vorsitzender Seger: Die Berliner Truppenteile werden Ihnen ihre Wünsche vortragen.
Der Führer der Abordnung tritt an das Rednerpult heran. Rechts und links von ihm gruppieren sich die Schildträger. Führer der Volksmarinedivision Dorrenbach verliest folgende Erklärung:
Die am 17.12. im Schlosse in Berlin tagende Versammlung folgender Regimenter und militärischer Formationen:
Garde-Grenadierregiment „Franz“,
Eisenbahnregiment 4,
Eisenbahnregiment 1,
3. Garde-Feldartillerieregiment,
1. Garde-Feldartillerieregiment,
2. Garde-Ulanenregiment,
2. Garde-Dragonerregiment,
1. Garde-Dragonerregiment,
Garde-Kürassierregiment,
Garde-Kürassierregiment „Augusta“
4. Garderegiment zu fuß,
Garde-Grenadierregiment „Alexander“
Republikanische Soldatenwehr,
Flugzeugmeisterei Adlershof,
Volksmarinedivision,
Polizeipräsidium der Stadt Berlin
erheben einstimmig folgende Forderungen zum Beschluß:
Wir stehen nach wie vor der jetzigen Regierung, also der Regierung, die auf ihrem Programm als endgültiges Ziel die Schaffung einer sozialistischen Republik stehen hat, zur Verfügung. (Lebhafter Beifall und Händeklatschen bei einem Teil der Versammelten.)
Gegen die von reaktionärer Seite geplanter Entfernung der Volksmarinedivision protestieren wir auf das energischste. (Lebhafter Beifall und Händeklatschen bei einem Teil der Versammelten.)
Die Kameraden der Marine sind die ersten Träger und Stützen der Revolution gewesen. Ihre Anwesenheit in Berlin ist deshalb unbedingt erforderlich. Die Soldaten beantragen bei der im Abgeordnetenhaus tagenden gesetzgebenden Körperschaft, folgende Dringlichkeitsanträge sofort zum Beschluß zu erheben:
1. ein oberster Soldatenrat, zusammengesetzt aus gewählten Delegierten aller deutschen Soldatenräte, übt die Kommandogewalt über alle Truppen des Heeres aus, analog der Marine. („Bravo!“ bei einem Teil der Versammelten.)
2. Die Rangabzeichen aller Dienstgrade sind verboten. (Lebhafter Beifall und Händeklatschen bei einem Teil der Versammelten.) Sämtliche Offiziere sind zu entwaffnen. (Stürmischer Beifall und Händeklatschen bei einem Teil der Versammelten.) Das Verbot der Rangabzeichen aller Dienstgrade tritt für die heimkehrenden Truppen in Kraft, nachdem die Niederlegung der Waffen in den Kasernen erfolgt ist.
3. Für die Zuverlässigkeit der Truppenteile und für die Aufrechterhaltung der Disziplin sind die Soldatenräte verantwortlich.
Wir beantragen, gemäß unserer Resolution, darüber sofort als Dringlichkeitsantrag Beschluß zu fassen. (Vereinzelter lebhafter Beifall.)
Vorsitzender Seger: Es ist selbstverständlich, daß wir den Antrag nicht in diesem Augenblick erledigen können. Wir werden ihn entgegennehmen und dann darüber beraten, wann er zur Diskussion und Beschlussfassung gestellt wird. (Heftige Rufe: „Sofort!“)“
Die Novemberrevolution und die Gründung der Kommunistischen Partei Deutschland 1918/1919 in Berlin, Rudolf Dix und Brigitte Berlekamp, 1988