1919
1919 - Chronik der Ereignisse
Das Jahr 1919 beginnt mit großer Kälte und fehlender Kohle – die Schulen haben meist „Kohleferien“. Eine aus den USA mit Truppenverlegungen nach Europa eingeschleppte Grippe („Spanische“ Grippe) fordert seit dem Herbst des Vorjahres nun in einer dritten Welle weltweit Millionen Todesopfer, darunter hunderttausende Tote in Deutschland. Ihr erliegen massenhaft auch 20- bis 40jährige. Die Lebensmittel bleiben weiter knapp, werden zwangsbewirtschaftet und ihre Preise steigen. Der Schleichhandel, bei dem alles, was Wert hat, gegen ansonsten rationierte Kartoffeln, Eier, Mehl oder Zucker getauscht wird, floriert zwangsläufig auch weiter. Kriegsversehrte und chronisch Unterernährte, vor allem hungernde Kinder prägen das Straßenbild. Zwar wird Deutschland im Rahmen des Brüsseler Abkommens vom 14. März 1919 ermöglicht, im Ausland Lebensmittel zu kaufen - zu bezahlen aus den Goldreserven oder ausländischer Valuta -, aber erst mit dem Abschluss des Friedensvertrages im Juni kommt Bewegung in den Handel. Die Engländer halten ihre auch die Einfuhr von Lebensmitteln nach Deutschland hindernde Seeblockade noch bis zum Jahresende aufrecht.
In den Großbetrieben versuchen die Arbeiterräte konsequent durchzusetzen, dass niemand entlassen wird, auch wenn es mit der Einstellung der Kriegsproduktion an Arbeit fehlt. Dennoch, die mit Kriegsaufträgen befasst gewesene Industrie entlässt, setzt die Arbeitszeit herab und schmälert damit den Verdienst. Die Zahl der Erwerbslosengeld-Empfänger steigt Anfang des Jahres sprunghaft. Insgesamt drei Millionen sind Anfang 1919 arbeitslos, wobei nur Industriearbeiter, nicht aber auf dem Lande Tätige in die Statistik eingehen. Die Arbeitslosendemonstrationen vor dem Berliner Rathaus und in anderen Städten reißen über das Jahr nicht ab. Frauen, die während des Krieges die Produktion aufrechterhielten, werden durch demobilisierte Soldaten ersetzt und hier tätige Kriegsgefangene zurückgeführt. Die letzten Gefangenen verlassen Deutschland im Januar. Der mit den großen Streikaktionen erkämpfte Achtstundentag trägt auch dazu bei, dass Millionen Kriegsrückkehrer in der Heimat wieder einen Arbeitsplatz finden können. Die Volksbeauftragten-Regierung erklärt den Achtstundentag ab dem 1. Januar 1919 zum Gesetz. Die Löhne halten allerdings nicht Schritt mit der ausufernden Teuerung; die Unzufriedenheit der Arbeiterschaft wächst und die revolutionären Erfahrungen eigener Kraft sind sehr präsent.
In den Novembertagen waren die Räte als Organe der Revolution aus sich selbst heraus mit dem Ziel entstanden, Demokratie in Staat und Wirtschaft sofort direkter umzusetzen. Eine grundlegende Neuordnung der ganzen Gesellschaft war von der Arbeiterschaft wie auch unter den Soldaten und Matrosen erwartet worden - von diesen Millionen sozialdemokratisch erzogener Träger der Revolution. Mit dem Allgemeinen Kongress der Arbeiter- und Soldatenräte am 19. Dezember des Vorjahres fiel die Entscheidung zunächst gegen das politische Rätesystem und für die bürgerliche Nationalversammlung. Die Kraft der Arbeitermassen ist Anfang 1919 dennoch ungebrochen und das regierungsseitige Ausbleiben revolutionärer Veränderungen, selbst von Reformen, bestärkt die Massen, die Macht selbst zu übernehmen und damit die Räteidee. Erneut rollen Streikwellen durch das Land, und die inzwischen rein sozialdemokratisch besetzte Regierung der Volksbeauftragten (die Mitglieder der USPD waren nach dem regierungsseitig befohlenen Angriff auf die Roten Matrosen am 29. Dezember 1918 ausgetreten) reagiert bereits Anfang Januar mit einer Verordnung gegen Streiks und nach ihrer Auffassung übertriebene Lohnforderungen und entfremdet sich so weiter von den Massen. „Streikterror“, „Sabotage der Gemeinwirtschaft“, „Streikwahnsinn“, „Streikverbrechen“, „Streikteufel“, „Streiknot“ und „Selbstmord durch Massenstreik“ lauten in diesen Tagen die pathologisierenden und kriminalisierenden Schlagworte in der bürgerlichen und sozialdemokratischen Presse. Die Arbeiterschaft sieht das anders. Nun werden neben angemessenen Löhnen vor allem die Sicherung der Rechte der mit der Revolution entstandenen Arbeiterräte gefordert und immer wieder: Sozialisierung! - d.h. die Überführung von Betrieben und Industrien in Gemeineigentum, aber auch die Demokratisierung des Heeres und der Verwaltung. Im Februar und März kommt es in Deutschland zu der gewaltigsten Erhebung der Arbeiter, der sich Angestellte und auch Beamte, sogar Teile kleinbürgerlicher Mittelschichten anschließen. Volksmassen stehen in Oberschlesien, im Rheinland und Westfalen, in Mitteldeutschland und Groß-Berlin im Generalstreik - allerdings nicht zeitgleich.
Die Gründung der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) Anfang Januar lässt die Pressepropaganda der konservativen und sozialdemokratischen Blätter gegen die Räte-Bewegung und ihre Führer anwachsen. „Ordnung oder Hunger“ - eine große Propagandawelle für die von der sozialdemokratischen Führung angestrebte Nationalversammlung beginnt. Die Presse ist zu dieser Zeit – die Zensur wurde durch die Revolution abgeschafft - gleichsam eine eigene Gewalt im Staate und der Faktor, ohne den Macht nicht errungen, verkündet oder gesichert werden kann. Die Konterrevolution aus militärischen Bereichen und im vom Kaiser übernommenen Staatsapparat schafft sich mit Unterstützung bedeutender kapitalistischer Wirtschaftsführer eigene, gedeckte Propaganda- und Einflussinstrumente. Die Nachrichtenabteilung, d. h. der Geheimdienst des Auswärtigen Amtes, gründet die „Zentrale für Heimatdienst“. Die militärische Vereinigung „Büro Truppenempfang, Verein deutscher Frauen“ war bereits am 6. Dezember 1918 unter der Losung „Rot-Herz“ dabei. Die bayerische Thule-Gesellschaft wird personell und ideologisch weit in das deutsche faschistische Regime hineinreichen. Unter dem Bürgertum und den vielfach kaisertreuen Studenten ist das Netzwerk der Bürgerräte von Einfluss. Als die bedeutsamste konterrevolutionäre Einrichtung, im Dezember des vorigen Jahres gegründet, entfaltet sich 1919 die „Antibolschewistische Liga“. Durch Großindustrielle finanziert, sind propagandistische und geheimdienstliche Kanäle schnell auf- und ausgebaut, Flugblätter und Plakate werden in Massenauflage verbreitet und so auch die Auftragsmorde an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht propagandistisch vorbereitet und in die Wege geleitet. Die nicht aufgelöste Oberste Heeresleitung hatte noch Ende 1918 begonnen, Freiwilligenverbände zu bilden. Dafür stand ihr das Reichsgesetz über die Volkswehr vom 12. Dezember 1918 zur Verfügung, ein Gesetz, mit dem die Volksbeauftragten-Regierung die öffentliche Ordnung und Sicherheit aufrechterhalten wollte, denn Staatsgewalt kann nur ausüben, wer gesellschaftliche Gegensätze niederzuhalten vermag. Mit riesigen Geldmitteln wird die Anwerbung Freiwilliger finanziert. Im Januar, so teilt der Staatssekretär im Reichsschatzamt Eugen Schiffer (DDP) mit, werden der Reichskasse dreieinhalb Milliarden Reichsmark für die Demobilisierung des alten Heeres und die Aufstellung und Unterhaltung der Freikorps entnommen. Vom kleinsten Provinzblatt bis zur überregionalen Illustrierten ist die gesamte bürgerliche und sozialdemokratische Presse voll der Werbung für die gut bezahlten paramilitärischen Freiwilligenverbände. Mit den Freikorps schafft sich die sozialdemokratische Führung das konterrevolutionäre Machtmittel für die Erzwingung der bürgerlich demokratischen Republik und nimmt die gering bis überhaupt nicht ausgeprägten demokratischen Neigungen der kooperierenden kaiserlichen Offiziere in Kauf. Die Freikorps mit zunächst ungefähr 10.000 Mann, Anfang des Jahres im Berliner Umfeld disloziert, haben dank der Revolution vor allem einen Widersacher. Neben ihnen bestehen die von Soldatenräten geführten Garnisonstruppen weiter und es gibt zudem Arbeiter im Waffenbesitz, die im Krieg auch daran ausgebildet wurden. Das Hauptziel des alten Offizierskorps, die Beseitigung der Soldatenräte in militärischen Strukturen, gelingt in Kooperation mit der Regierung im Zuge der Kämpfe in den revolutionären Zentren mit den ersten Monaten des Jahres. In der Revolution entstandene Truppen werden beseitigt und die Freiwilligenverbände folgen in der Praxis zunehmend weniger der Regierung, aber immer ihren militärischen Führern, diesen wieder selbstbewussten Vertretern der alten Macht. Das Jahr 1919 wird zum Jahr des Bürgerkriegs in Deutschland, der nie ein Bürgerkrieg von links war, wie die Abfolge der Ereignisse zeigt. Der sozialdemokratischen Regierung, dem alten Offizierskorps, den alten wirtschaftlichen und politischen Honoratioren und dem aus der Kaiserära übernommenen Beamtenapparat stehen die Arbeiter- und Soldatenmassen gegenüber, die in ihrer großen Mehrheit im vergangenen Jahr die monarchischen Regierungen gestützt hatten. Am 4. Januar eröffnet die sozialdemokratische Regierung der Volksbeauftragten in Berlin den Endkampf von Gegenrevolution und Revolution um Nationalversammlung oder Rätemacht, für bürgerliche oder sozialistische Demokratie, die nach altem wissenschaftlichen Vokabular der Sozialdemokratie als Diktatur des Proletariats bezeichnet wird. Inzwischen waren in „... Rheinland und Westphalen, in Bremen und Hamburg, in München und Thüringen, in Oberschlesien, in fast allen Teilen des Reiches gewaltige ökonomische Bewegungen entstanden, die revolutionären Charakter anzunehmen drohten. Blieb sie untätig, dann konnte sie schon nach kurzer Frist von dieser revolutionären Welle für immer fortgespült werden. Sie mußte deshalb die Entscheidung herbeiführen; sie mußte den Kampf herausfordern“, so die Einschätzung des Revolutionszeugen Richard Müller, Organisator der Revolutionären Obleute. Vor der Wahl zur verfassunggebenden Nationalversammlung fällt die Entscheidung militärisch, denn trotz des Beschlusses des Reichsrätekongresses zu Gunsten der Nationalversammlung wird die Grundfrage „sie oder Rätemacht“ von den Arbeitern erneut, massenhaft und mit Nachdruck diskutiert. Bis in den Mai hinein, vereinzelt bis in den Hochsommer prägen Kämpfe der feldkriegsmäßig ausgestatteten Freikorpsverbände gegen die revolutionären Arbeiter und Soldaten Deutschland. Die Freikorps siegen im Januar und März in Berlin und als Interventionstruppen der Weimarer Regierung neben Regierungstruppen über die Arbeiter und Soldaten in anderen revolutionären Zentren des Reiches. Reichswehrminister Gustav Noske (SPD) lässt den Militärs freie Hand für den Einsatz der Mittel und dann folgende mörderische Säuberungen in den Arbeitervierteln. Die Arbeiterschaft kämpft weiter um die Verbesserung ihrer elenden Lebenslage, nun mit politischen Forderungen gegen die Weimarer Reichsregierung und ihre Noske-Truppen, vor allem auch für die Sicherung der Rätebewegung. Die militärische Macht der weltkriegsmäßig ausgerüsteten Konterrevolution führt letztendlich zum Sieg. In diesen Monaten hat sich die Zusammensetzung der Arbeiterräte vielerorts geändert. In diversen Städten proklamieren sich sozialistische Republiken mit dominanter Rätestruktur und das auch in Solidarität mit den Januarkämpfern in Berlin, den streikenden Kumpels im Ruhrgebiet und gegen die Weimarer Ebert-Scheidemann-Regierung. Diese basisdemokratischen Systeme halten sich nur kurze Zeit, bis Regierungstruppen und angeschlossene Freikorps der Weimarer Regierung Ruhe und Ordnung wieder herstellen, d. h. die Macht übernehmen. Immer mehr Städte werden von Regierungstruppen besetzt, Rätesysteme zerschlagen, ihre Exponenten der Justiz überstellt, ihre Führer ermordet, wie im Januar Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, und revolutionäre Zentren durch Regimewechsel befriedet. Mit dem Sturz der Räterepublik in München endet Anfang Mai 1919 die Novemberrevolution, wenngleich Streiks und Massenbewegungen der Arbeiterschaft das Jahr noch prägen. In dieser Zeit geht der Einfluss der Räte in Deutschland in dem Maße zurück, wie das politisch wieder erstarkte Bürgertum unter dem Schutz der Weimarer Regierung seine vordemokratische ökonomische und darauf gegründete politische Macht in der neuen Demokratie zu entfalten versteht. Rechtliche Grundlagen dafür waren bereitgestellt.
Die Wahl zur Verfassung gebenden Nationalversammlung selbst erbringt am 19. Januar 1919 eine große Koalition. Zehn Parteien sitzen nunmehr im Reichstag; die SPD ist ohne absolute Mehrheit und stellt die Regierung gemeinsam mit der Zentrumspartei (Deutscher Katholizismus) und der Deutschen Demokratischen Partei (Liberale). Zu dem in der Arbeiterschaft erhofften, von ihrer alten Traditionspartei SPD durch einen mit sozialdemokratisch-parlamentarischer Mehrheit herbeizuführen versprochenen Sozialismus kommt es so damals und später nicht. Im Gegenteil: In Adaption dieser Losung führt der Weg in den deutschen Faschismus, der sich so Nationalsozialismus nennt. Zunächst aber erzwingen die revolutionären Kämpfe der Arbeiter- und Soldatenmassen mit der Novemberrevolution ein umfassendes demokratisches Wahlrecht für Frauen und Männer, Koalitions- und Versammlungsfreiheit und sie begründen mit dem Sturz der deutschen Monarchien eine bürgerlich-parlamentarische Demokratie. Es entsteht eine in mancherlei Hinsicht vorbildliche Verfassung. Die fällige Einführung des Acht-Stunden-Tages kann für die arbeitenden Menschen mit der Revolution durchgesetzt und die Entwicklung eines bürgerlichen Sozialstaates auf den Weg gebracht werden. Der Sturz der Monarchie bleibt politisch endgültig, auch wenn den Fürsten unberechtigte Privilegien belassen werden, und selbst Elemente der Trennung von Staat und Kirche sind durch Kirchen und regierungsseitig übernommenen Staatsapparat nicht zu verhindern. Zugleich bleiben wesentliche Ziele der revolutionären Bewegung uneingelöst. Es gibt im Gefolge der Revolution in der neuen politischen Ordnung Weimars keine Sozialisation und auch keine Demokratisierung des Militärs. Die SPD-Führung in der Regierung geht davon aus, dass mit der Parlamentarisierung Deutschlands die Hauptforderung der Arbeiterschaft erfüllt sei. Kapitalismus bleibt so die Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung und die SPD-Führung setzt mit Militär, Unternehmern und Staatsapparat ihr Bündnis aus Kriegszeiten fort.
Dem Weg der revolutionären und konterrevolutionären Kämpfe folgend kommt das Rätesystem und die Idee einer demokratischen Planwirtschaft mit betrieblichen und territorialen Arbeiterräten im Deutschen Reich nicht zur Macht. Erfolgreich sind die Räte zunächst, solange sie die Mehrheit der Mannschaften des Militärs, der bewaffneten Arbeiter und damit die eigentliche Staatsgewalt an ihrer Seite haben. Zeitzeuge Richard Müller: „Die Arbeiter- und Soldatenräte waren das erste sichtbare Ergebnis, das proletarische Gesicht der politischen Umwälzung. Sie mußten auch zu Trägern der wirtschaftlichen Umwälzung werden. Umnebelt von Illusionen gaben sie in der ersten Phase der Revolution ihre politische Macht preis, blieben sie vor den Toren der kapitalistischen Wirtschaft ehrerbietig stehen. Das Versagen der ‚sozialistischen‘ Regierung, das Erstarken der Konterrevolution, der immer stärker werdende wirtschaftliche Druck zwang die Arbeiter- und Soldatenräte zu dem Versuch, die politische Macht wieder aufzunehmen und die Hand an das wirtschaftliche Bollwerk der Bourgeoisie zu legen: Wirtschaftliche Kämpfe mit revolutionären Zielen, das war die zweite Phase der Revolution.“ Die Rätebewegung erzwingt mit Leidenschaft, Kompetenz und Engagement die Demokratisierung der vordem bürgerlich-feudalen Gesellschaft und trägt dabei ganz wesentlich zur Aufrechterhaltung kommunaler Lebensstrukturen in den Zeiten des Umbruchs bei. Möglich wird die Macht der Räte getragen von den unübersehbaren Massenstreikdemonstrationen dieser revolutionären Zeit, hervorgerufen aus dem Elend dieser Zeit und der Überzeugung, dass die alte sozialdemokratische Lehre vom Sozialismus richtig ist.
Die Spaltung innerhalb der deutschen Arbeiterbewegung ist am Ende der Revolution 1919 entscheidend verschärft. 30 Jahre später stehen sich in Deutschland gleichsam die beiden Fraktionen der Arbeiterbewegung aus der Novemberrevolution wieder gegenüber – nun durch die Armeen der UdSSR, der USA, Englands und der Partisanenkämpfer befreit vom Faschismus. Weitere 40 Jahre danach übernehmen erst einmal jene wieder die Macht im vereinigten Deutschland, die Sozialisierung keineswegs gut heißen können, womit nicht gesagt ist, dass, wer vorläufig nicht siegt, Unrecht hat. Der Begriff Sozialisierung entstand mit der Novemberrevolution. Die Produktionsmittel sollten dem gemeinen Nutzen, d. h. der Allgemeinheit dienstbar gemacht, mithin den Kapitalisten entzogen und der Großgrundbesitz aufgeteilt werden. Vor allem die großen, industriellen Monopole, die Schlüsselindustrien wollten die Volksmassen der Revolutionszeit in Gemeinbesitz wissen und demokratisch selbst verwalten. Rosa Luxemburg nennt zudem "die historische Aufgabe des Proletariats, ... anstelle der bürgerlichen Demokratie sozialistische Demokratie zu schaffen, nicht jede Demokratie abzuschaffen.“
1. Januar Das Kohlensyndikat erhöht den Tonnenpreis für Kohle von 25,80 Mark (1.12.1918) auf 42,90 Mark, für Koks von 30 Mark auf 61,90 Mark (im Juli 1914 betrug der Kohlenpreis 12,50 Mark, der Kokspreis 19 Mark).
In Bremen wird das von konterrevolutionären Offizieren geführte heimgekehrte Infanterieregiment 75 durch Arbeiter und Soldaten im Handstreich entwaffnet.
Die „Politisch-Parlamentarischen Nachrichten“ (PPN), am 1. Oktober 1918 von dem Charlottenburger SPD-Abgeordneten Ernst Heilmann gegründet, schreiben: „Jeder Tag, den Herr Eichhorn länger in seinem Amt als Polizeipräsident bleibt, bedeutet eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit.“ Die gegen den Berliner Polizeipräsidenten der Revolution, Eichhorn, gerichteten Lügen des PPN-Artikels werden durch den „Vorwärts“ und die bürgerliche Presse verbreitet. Emil Eichhorn war mit Vertretern der Volksbeauftragten-Regierung wiederholt in Konflikt geraten. Eduard Bernstein dazu: „Man wußte, daß er seit dem Sommer 1918 einen Teil der abgekürzt „Rosta“ genannten Telegrafen-Agentur geleitet hatte, die in Berlin den Nachrichtendienst der Bolschewisten besorgte und aus bolschewistischen Mitteln gespeist wurde. Man hatte erfahren, daß die ihm unterstellte Sicherheitspolizei zu einem Teil von Vertrauensmännern der sogenannten revolutionären Obleute geführt wurde, und stellte es ihm auf Rechnung, daß diese Sicherheitspolizei beim Matrosenaufstand von Weihnachten 1918 zugunsten der aufständischen Matrosen den Dienst versagt hatte. Auch ward behauptet, daß Eichhorn am 24. Dezember 1918 vormittags 1.500 Arbeiter der Schwartzkopffschen Maschinenfabrik mit Waffen behufs Unterstützung der Matrosen ausgerüstet hatte. Letzteres wird von Eichhorn in seiner unter dem Titel Eichhorn über die Januar-Ereignisse vom Verlag Freiheit herausgegebenen Schrift entschieden in Abrede gestellt, damals aber wurde es geglaubt, wie denn überhaupt in so erregter Zeit die kämpfenden Parteien in bezug auf Handlungen von Parteigängern der Gegenseite ganz außergewöhnlich leichtgläubig zu sein pflegen. Fest steht jedoch, daß Eichhorn für die Regierung ein durchaus unsicherer Kantonist war. Seine Auffassung von den Aufgaben der Revolution war, wie seine Schrift zeigt, von der der Regierung grundsätzlich unterschieden. Während diese das politisch Erreichte dadurch befestigen wollte, daß sie die wirtschaftlich-soziale Weiterentwicklung in ein ruhiges Fahrwasser zu lenken sich bemühte, gehörte er zu denen, welche die Massen in Bewegung zu halten suchten, um die Diktatur der revolutionären Arbeiter zur Wirklichkeit zu machen, was in Deutschland nur dadurch zu verwirklichen war, daß der Bürgerkrieg auf die Spitze getrieben wurde. Eichhorn selbst erzählt, daß er am 28. Dezember 1918 in einer Versammlung der Unabhängigen Sozialdemokratie nachdrücklich den ‚Anschluß nach links’ – d. h. an die Kommunisten gefordert und es für fraglich erklärt hatte, ob die Nationalversammlung überhaupt zusammentreten werde. Von anderer Seite ward festgestellt, daß er in Versammlungen die vollzogene politische Umwälzung als ‚Revolution in Filzpantoffeln‘ verspottet hatte. Nun ist das Amt des Polizeipräsidenten der Hauptstadt ein viel zu wichtiger Posten, als daß eine Regierung ihn in revolutionärer Zeit in den Händen einer Persönlichkeit lassen könnte, die zu einer Partei hält, welche auf den gewaltsamen Sturz dieser Regierung hinarbeitet.“
2. Januar Erlass der preußischen Regierung (mit Zustimmung Heinrich Ströbels, Adolph Hoffmanns, Kurt Rosenfelds, alle USPD) gegen Streiks und Lohnforderungen, die „Betrieben Lasten auferlegt (…), die sie nicht ertragen können, ohne zu erliegen, und somit die gesamte Finanzgebarung des Staates gefährden“.
Im Berliner Zirkus Busch findet eine Arbeitslosenkundgebung und wegen deren Überfüllung parallel eine weitere im Lustgarten statt. Ihre Forderungen werden an den Berliner Vollzugsrat der Berliner Arbeiter- und Soldatenräte geleitet.
Preußischer Kriegsminister wird der Monarchist Oberst Walther Reinhardt. Er nennt als wesentliche Anforderungen bei der Vorbereitung von Einsätzen gegen Berlin: Die rechtzeitige Aufklärung der Regierungstruppen und die Schaffung einer Aufklärungsorganisation in den Betrieben, die Bereitstellung von Waffen, Munition und Verpflegung in Zügen, um sie schnell zur Hand zu haben, und die für Straßenkampf gut geeigneten Minenwerfer. Außerdem soll die Studentenwehr in die Garde des Offiziers-Stellvertreters, Feldwebel Gustav Suppes, („Suppe-Garde“) integriert werden. Reinhardt löst nach dessen Rücktritt General Heinrich Schëuch ab.
In Erfurt wird eine Ortsgruppe der KPD gegründet. Anfang 1919 entstehen Parteiorganisationen der KPD in Chemnitz, Halle, Leipzig, Bremen, Mannheim, Düsseldorf, München, Hanau, Brandenburg, Beuthen, Stuttgart, Duisburg, Hamburg, Wilhelmshaven, Hannover, Dortmund, Elberfeld, Barmen, Ingolstadt, Gleiwitz, Breslau, Königsberg, Wismar, Stettin, Lübeck, Zwickau. Vor allem USPD-Mitglieder treten über, auch einige der Revolutionären Obleute in Berlin.
3. Januar Nach dem Rücktritt der USPD-Volksbeauftragten Emil Barth, Wilhelm Dittmann und Hugo Haase am 29. Dezember 1918 aus der Volksbeauftragten-Regierung, die „… mit Ebert, Landsberg und Scheidemann nicht mehr weiter zusammenarbeiten konnten, ohne die Revolution und den Sozialismus zu gefährden …“, erklären auch die zur USPD gehörenden Mitglieder der preußischen Regierung Heinrich Ströbel (Kabinettsvorsitzender, Ministerpräsident), Adolph Hoffmann (Preußischer Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung), Dr. Kurt Rosenfeld (Preußischer Justizminister), Graf Dr. Georg Arco (Vertrauensmann der USPD beim Rat der Volksbeauftragten), Dr. Rudolf Breitscheid (Preußischer Innenminister), Paul Hoffmann (Beigeordneter für öffentliche Arbeiten), Adolf Hofer (Preußischer Landwirtschaftsminister) und Hugo Simon (Preußischer Finanzminister) ihren Rücktritt. An den Zentralrat gerichtet erläutern sie: „Die Unmöglichkeit unseres Weiterverbleibens in der Preußischen Regierung stellte sich als unmöglich heraus, als gestern von uns verlangt wurde, wir sollten ohne weitere Prüfung der Ernennung des Obersten Reinhardt zum Preußischen Kriegsminister zustimmen. Wir sollten uns damit begnügen, daß der Zentralrat mit dem Obersten Reinhardt verhandelt und die Überzeugung gewonnen habe, daß er die an den Kriegsminister der neuen Republik zu stellenden Anforderungen erfülle.“ Die Beschaffung der programmatischen Erklärung Reinhardts war ihnen zuvor vom Zentralrat verweigert worden. Der Regierungsaustritt trägt jedoch auch zur Verunsicherung der USPD-Mitglieder bei. Der sozialdemokratische „Vorwärts“ hatte bereits eine Woche zuvor, am 28. Dezember, seine Freude über den bevorstehenden Austritt der USPD-Volksbeauftragten aus der Regierung zum Ausdruck gebracht und einen Tag später wurde ein Flugblatt gegen die „regierungsunfähigen“ Unabhängigen massenhaft verteilt.
Nach einer Pressekampagne („Dieb“, „Verschieber von Volkseigentum“, „Russischer Agent“ etc.) gegen den Berliner Polizeipräsidenten Eichhorn (USPD) wird dieser von dem nach der Revolution in seinem Amt verbliebenen kaiserlichen Geheimen Regierungsrat Dr. Georg Doyé (Preußisches Innenministerium) aufgefordert, sein Amt niederzulegen. Das Ziel ist die Entwaffnung der Eichhorn unterstellten, zum großen Teil aus organisierten Arbeitern bestehenden Sicherheitswehr. Eichhorn ist an diesem Tag vor den amtierenden preußischen Innenminister Paul Hirsch (SPD) und den als Eichhorns Nachfolger als Großberliner Polizeipräsidenten vorgesehenen Eugen Ernst (SPD) geladen. Die Anschuldigungen Doyés (Unterschlagungen) erweisen sich als haltlos. Der Bericht des Untersuchungsausschusses vermerkt: „Der Untersuchungsausschuß hat keine Tatsachen festgestellt, welche ein Verdammungsurteil über die persönliche und private Moral des Herrn Eichhorn rechtfertigen könnten.“ Der „Vorwärts“ versucht am gleichen Tag mit weiteren Vorwürfen die Volksmarinedivision und die republikanische Soldatenwehr gegen Eichhorn aufzuhetzen.
In Königshütte (Oberschlesien) haben die Arbeiter bei Zusammenstößen mit gegenrevolutionären Truppen 16 Tote und 21 Verwundete.
Streik der Eisenbahner im Direktionsbezirk Danzig.
4. Januar Versammlung der Berliner Arbeiter- und Soldatenräte der Großbetriebe. Die Delegierten richten an den Vollzugsrat die Aufforderung, ihren entscheidenden Einfluss auf die Produktion, die Löhne und die Arbeitsverhältnisse zu sichern und protestieren gegen die von den Gewerkschaften ohne ihr Mitwirken abgeschlossenen Tarifverträge. Aufruf an die Arbeiter, sich der Beseitigung der Arbeiterräte zu widersetzen.
Der Berliner Polizeipräsident Emil Eichhorn (USPD) erhält in einem Schreiben des preußischen Innenministers Paul Hirsch (SPD) die Mitteilung, dass er entlassen sei. Eichhorn, der das Waffenlager des „Vorwärts“ konfisziert hatte, rücksichtslos allen konterrevolutionären Aktivitäten nachspüren ließ, dem auch seine Gegner attestierten, sein Amt mit Geschick und Verstand zu verwalten, hatte mit dem Austritt der Unabhängigen aus der Volksbeauftragten-Regierung am 29. Dezember 1918 und aus der preußischen Regierung am Vortag dort nicht nur keine Unterstützer mehr. Durch den Zentralrat wird die Entlassung Eichhorns umgehend bestätigt. Am 6. Januar erklärt auch der Vollzugsrat des Arbeiter- und Soldatenrates Groß Berlins seine Zustimmung zur Absetzung Eichhorns: „Die erdrückende Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung Berlins wünscht, daß diese Entlassung so rasch wie möglich zur Tat gemacht wird. Den Befehlen des Polizeipräsidenten Eichhorn, der sich das Amt willkürlich anmaßt, ist daher nicht mehr Folge zu leisten.“ Überall, wo die Entlassung bekannt wird, legen jedoch die Arbeiter spontan die Arbeit nieder, womit auch der Eisenbahnverkehr im Berliner Osten zum Erliegen kommt. Noch am Abend bilden sich in Großbetrieben Streikkomitees. Die Nachricht von Truppenkonzentrationen rund um Berlin lässt die Zahl der Streikwilligen noch einmal enorm anwachsen.
Mit der Entlassung des Polizeipräsidenten der Revolution provoziert die preußische Regierung zielgerichtet vor den Wahlen zur Nationalversammlung den bewaffneten Kampf mit der noch immer revolutionär gestimmten und den Taten der Volksbeauftragten-Regierung ablehnend gegenüber stehenden Arbeiterbewegung. „Ein Erfolg der Spartakus-Leute war von vornherein unmöglich, da wir sie durch unsere Vorbereitungen zum früheren Losschlagen zwangen. Sie mußten zugreifen, ehe sie es wollten, und wir waren deshalb in der Lage, ihnen zu begegnen“, erklärt das Mitglied des Parteivorstandes der SPD, der Minister ohne Geschäftsbereich in der Volksbeauftragten-Regierung Eugen Ernst, der Eichhorns Funktion als Polizeipräsident am 4. Januar mit übernehmen soll, am 16. Januar in einem Interview ausländischen Journalisten. Am Abend beschließen Mitglieder der Zentrale der KPD und der Berliner USPD, die Berliner Arbeiter gegen die Absetzung Eichhorns zu einer Massenkundgebung in die Siegesallee zu rufen. Der „Vorwärts“ setzt an diesem Tag mit Zeugenberichten über angebliche Vorgänge im Polizeipräsidium die Kampagne gegen Eichhorn fort.
Friedrich Ebert und Gustav Noske (beide SPD) inspizieren an diesem Tag in Zossen Verbände des Freikorps Maercker. Generalmajor Georg Maercker ist der Begründer der Freikorps. Mit diesen nicht zu den Regierungstruppen gezählten Freiwilligenverbänden wird die mit dem Versailler Friedensvertrag zu begrenzen geplante deutsche Heeresstärke ausgeweitet.
Bewaffnete Kämpfe zwischen Arbeitern und konterrevolutionären Truppen in Königshütte (Oberschlesien).
In Stuttgart fordert eine vom Roten Soldatenbund nach einer Versammlung mit Albert Schreiner (KPD) auf dem Schlossplatz organisierte Soldatendemonstration die Bildung einer roten Garde und stürmt das Kriegsministerium. Albert Schreiner war in den Novembertagen 1918 Vorsitzender des Soldatenrates und gehörte der durch USPD- und SPD-Vertreter gebildeten provisorischen Württemberger Regierung als Kriegsminister an, aus der er austrat, nachdem es ihm unmöglich gemacht worden war, eine revolutionäre Kompanie aufzustellen.
In Braunschweig protestiert der Landes-Arbeiter-und-Soldatenrat gegen die Übertragung der Macht an die Nationalversammlung und gegen die Entsendung von Truppen gegen Sowjetrussland.
In Cuxhaven wird ein Putsch konterrevolutionärer Truppen gegen den Arbeiter- und Soldatenrat niedergeschlagen.
5. Januar Die Revolutionären Obleute und der Zentralvorstand der USPD Groß-Berlins sowie die Zentrale der KPD rufen am Morgen mit Flugblättern und in der „Freiheit“, der „Republik“ und der „Roten Fahne“ für 14 Uhr zur Massendemonstration der Berliner Arbeiter und Soldaten für die Zurücknahme der Absetzung des Polizeipräsidenten Eichhorn auf: “Die Regierung Ebert-Scheidemann will damit nicht nur den letzten Vertrauensmann der revolutionären Berliner Arbeiterschaft beseitigen, sondern vor allem in Berlin ein Gewaltregiment gegen die revolutionäre Arbeiterschaft aufrichten. Arbeiter! Parteigenossen! Es handelt sich nicht um die Person Eichhorns, ihr selbst sollt vielmehr durch den Gewaltstreich um den letzten Rest der revolutionären Errungenschaften gebracht werden.“ Seitens der Obleute und der USPD werden keine Vorstellungen über die Abwehr der Entlassung Eichhorns hinaus entwickelt und die KPD vermeidet Forderungen zum Sturz der Regierung, da sie davon ausgeht, dass die SPD-Regierung unter den Arbeitern einen nicht unbeträchtlichen Anhang hat.
Der „Vorwärts“ titelt an diesem Tag in Balkenüberschrift mit der Absetzung Eichhorns. In seinem Artikel „Die Lügner im Polizeipräsidium“ ist zu lesen: „Es ist nunmehr sonnenklar erwiesen, daß die Fäden der gesamten Verschwörung gegen die Regierung bei keinem anderen als Eichhorn zusammenliefen, dem Polizeipräsidenten von Berlin.“
Ellis L. Dresel, Leiter der offiziösen Beobachtergruppe der USA in Berlin und München, wird von Gustav Noske (SPD) mitgeteilt: „Die Regierung bereitet jetzt alles vor, so daß sie einen Schlag führen kann.“ Dresel, ausgestattet mit einem Salonwagen und Schutzbrief der SPD-Regierung, hat in diesen Wochen zu prüfen und in die USA zu berichten, inwieweit sich die Reichsregierung bis zu den Wahlen zur Nationalversammlung Autorität verschafft. Seinen deutschen Partnern verdeutlicht er, dass „… die Abneigung, vor den Wahlen Blut zu vergießen, ein Element der Schwäche“ sei. Dresel erwartet eine Koalition bürgerlicher Parteien unter Einschluss der SPD.
14 Uhr Massendemonstration in Berlin. Die Demonstration nimmt in den Nachmittagsstunden einen Umfang an, der alle Erwartungen weit übertrifft. Von der Siegesallee durch die Wilhelmstraße, Unter den Linden, mit immer wieder neuen, sich anschließenden Zügen dann auf den Alexanderplatz, der bereits überfüllt ist, als die letzten die Siegesallee verlassen. Georg Ledebour (USPD), Karl Liebknecht (KPD), Ernst Däumig (USPD) und Polizeipräsident Emil Eichhorn (USPD) sprechen vom Balkon des Polizeipräsidiums. Im Polizeipräsidium erscheinen unterdessen der durch die Regierung neu ernannte Eugen Ernst (SPD) und der ihn in sein Amt einführen wollende Anton Fischer (SPD), der seit dem 27. Dezember 1918 als Berliner Stadtkommandant fungiert und in den vergangenen Wochen versucht hatte, die polizeilichen Sicherheitsmannschaften Eichhorns mit höherer Löhnung abzuwerben. Eichhorn lehnt die Übergabe ab; Fischer appelliert vergeblich an die anwesenden Führer der polizeilichen Sicherheitsmannschaften, und Fischer wie Ernst gehen wieder ab. Die Massen warten bis in die Abendstunden auf Anweisungen, derweil Revolutionäre Obleute, Großberliner USPDler und Kommunisten beraten, wie es weitergehen soll, ohne sich einigen zu können. Während dieser Zeit ziehen einige hundert Demonstranten nach dem Zeitungsviertel. Zwanzig Arbeiter besetzen gegen 18 Uhr die „Vorwärts“-Druckerei, andere im Verlauf der Nacht das „Berliner Tageblatt“ samt Mosseschem Betrieb. Die Ullsteindruckerei, wo die besonders verhasste „Morgenpost“ gedruckt wird, und die Druckerei Büxenstein werden besetzt und das Wolffsche Telegraphenbüro durch Eichhorns Sicherheitswehr übernommen. Im „Vorwärts“ gibt es lange Diskussionen mit den Druckern über die Frage Räte- oder bürgerliche Republik.
Die SPD-Regierungsmitglieder kommen, da die Reichskanzlei durch Demonstranten belagert ist, in der Privatwohnung eines Gesinnungsgenossen zusammen. Ein Flugblatt wird entworfen, das die regierungstreuen Arbeiter zur Demonstration zum Schutz der Republik aufruft. Für den Abend und die Nacht folgen sie der Einladung des Kaufmanns Georg Sklarz. Sklarz hatte bereits zum Jahreswechsel, mit Vollmacht, unterzeichnet von Ebert und Scheidemann, zum Schutz der Regierungsviertel eingesetzte Truppen aus eigenen Mitteln verpflegt und besoldet.
70 Revolutionäre Obleute, darunter Richard Müller, die Mitglieder des Zentralvorstandes der Groß-Berliner USPD-Organisationen, unter ihnen Georg Ledebour, Ernst Däumig sowie Heinrich Dorrenbach von der Volksmarinedivision, Polizeipräsident Emil Eichhorn und seitens der KPD Wilhelm Pieck und Karl Liebknecht treffen sich am Abend erneut. Aus der Nachricht von den vermeintlich spontanen Besetzungen der Verlage wird die Aktionsbereitschaft der Massen geschlussfolgert, und verstärkt durch nicht sofort überprüfbare optimistische Informationen Dorrenbachs über die Stellung des Militärs zur Revolution meint Liebknecht, der Sturz der Regierung Ebert-Scheidemann sei nunmehr möglich und notwendig, womit er und Pieck sich über die Warnung vor sofortiger Machterringung ihrer Zentrale hinwegsetzen. Dagegen ist Richard Müller: „Er legt dar, daß dafür weder politisch noch militärisch die Voraussetzungen gegeben seien. Die Bewegung im Reiche wachse von Tag zu Tag. In kurzer Zeit können die politischen, militärischen und psychologischen Voraussetzungen für den Kampf um die Macht geschaffen sein. Ein verfrühtes isoliertes Vorgehen in Berlin könne die weitere Entwicklung der Revolution gefährden.“ Die Mehrheit beschließt, den Kampf gegen die Regierung aufzunehmen. Es wird ein 33 Personen umfassender Provisorischer Revolutions-Ausschuss überwiegend aus USPDlern gebildet; zu gleichberechtigten Vorsitzenden werden Georg Ledebour (USPD), Karl Liebknecht (KPD) und Paul Scholze (Revolutionäre Obleute) gewählt; nachts wird ein Aufruf zum Generalstreik gefertigt und zur Demonstration am 6. Januar und zum Sturz der Regierung aufgerufen. Der Ausschuss soll den Kampf leiten und hernach provisorisch die Regierungsgeschäfte übernehmen. Zu dieser Zeit wissen die Akteure noch nicht, dass hinter der Besetzung der Zeitungsverlage Lockspitzel des Stadtkommandanten Anton Fischer (SPD) standen. Erst später treten weitere Besetzer hinzu. Einer der Spitzel, der Kellner Alfred Roland, Mitglied des Roten Soldatenbundes, seit dem 6. Dezember 1918 im Dienst Fischers, führt die Besetzung mit dafür gewonnenen Demonstranten durch und bleibt auch in den folgenden Januar-Kämpfen aktiv. Der Leiter der Besetzer des Mosseschen Verlages, der Buchhändler und Redakteur Fritz Drach, war während des Krieges bezahlter Agent der Obersten Heeresleitung und ist ebenfalls Angehöriger des Roten Soldatenbundes. Auch die Führer der Besetzer der Reichsdruckerei, Gießerei-Ingenieur Theodor Grant und Schlosser Reuter, beide bei Schwartzkopff beschäftigt, eifrige Mitglieder des Spartakusbundes und des Roten Soldatenbundes, stehen im Auftrag Anton Fischers. Selbst der Abteilungsleiter der Eichhornschen Sicherheitswehr Leutnant Dreger, im Präsidium noch bis zu dessen Erstürmung tätig, hat sich Fischer bereits am 29. Dezember verpflichtet. „Ausbruch und Verlauf, wie auch der Charakter der Januarkämpfe wurden wesentlich mitbestimmt durch das Treiben des Anton Fischer und seiner Spitzel“, erinnert sich Zeitzeuge Richard Müller. Die finanziellen Mittel für Fischers Netzwerk liefert vor allem der Bürgerrat von Groß-Berlin.
Bis zum 11. Januar erscheint der „Vorwärts“ nach der Zeitungsbesetzung nun als Organ der revolutionären Arbeiterschaft Groß-Berlins.
Massenkundgebung der Hamburger Werftarbeiter gegen die Wiedereinführung des Akkordsystems, die Herabsetzung der Löhne und das arbeiterfeindliche Verhalten der Gewerkschaftsführer.
Die Landtagswahl in Baden zur badischen verfassunggebenden Nationalversammlung endet mit dem Sieg der bürgerlichen Parteien: Zentrum (41 Abgeordnete), Mehrheitssozialdemokraten (SPD) (36) und Deutsche Demokratische Partei (DDP) (25). Die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD) erhält kein Mandat, die Deutschnationale Volkspartei (DNVP) erringt sechs Sitze.
In der Aula der Berliner Universität wird der Reichsbürgerrat als Spitzenorganisation der gegenrevolutionären regionalen Bürgerräte gegründet. Das Grußwort spricht der Vorsitzende der am 20.11.1918 gegründeten Deutschen Demokratischen Partei (DDP) Friedrich Naumann. Erster Vorsitzender wird der kaisertreue evangelische Pfarrer Ludwig Wessel aus Berlin. Der Reichsbürgerrat ist korporatives Mitglied der Antibolschewistischen Liga und arbeitet mit dem Kyffhäuserbund zusammen. Ludwig Wessel (Vater des späteren faschistischen Märtyrers Horst Wessel) spricht sich auf der Gründungsversammlung gegen eine gesetzlose Herrschaft der Arbeiterklasse aus, stellt Liebknecht und Luxemburg als machtlüsterne Minderheit dar und brandmarkt „wahnwitziges Ideologentum undeutscher, russischer, uns so wesensfremder Menschen.“
In München gründen der Sportjournalist Karl Harrer und der Eisenbahnschlosser Anton Drexler die Deutsche Arbeiterpartei (DAP). Die DAP soll sozialdemokratisch bzw. kommunistisch orientierte Arbeiter antisemitisch und völkisch beeinflussen und wird Vorläufer der NSDAP.
Laut Meldung der Heeresgruppe Kiew an die Oberste Heeresleitung „haben in Auflehnung gegen die Befehle die Truppen des XXII. Reserve-Korps, ferner das Landsturm-Infanterie-Regiment 9 ihren Posten verlassen … Die seit langem gefährdete (Disziplin), seit einigen Tagen offen bestehende Disziplinlosigkeit beginnt eine Gefahr für unsere Ukrainetruppen zu werden.“
6. Januar Beginn des vom Provisorischen Revolutions-Ausschuss ausgerufenen und bis zum 14. Januar andauernden Generalstreiks der Berliner Arbeiterschaft. Alle größeren Betriebe liegen still, das Geschäftsleben stockt. Ab 10 Uhr sind über 500.000 Menschen mit Transparenten und Fahnen unterwegs. Der Revolutionsrat beschließt in Permanenz zu tagen. Hauptquartier zunächst der Marstall, der Sitz der Volksmarinedivision. Schnell wird festgestellt, dass nur ein kleiner Teil der Truppen der Berliner Garnison mit dem Revolutionsausschuss sympathisiert. Auch die Volksmarine-Division, die sich ja am 24. Dezember, nachdem sie regierungsseitig zur Republikanischen Soldatenwehr erhoben worden war, verpflichtet hatte, nicht gegen die Volksbeauftragten-Regierung vorzugehen, entzieht sich und nötigt den Ausschuss, den Marstall zu verlassen. Allerdings scheitert auch der Versuch des Berliner Stadtkommandanten Leutnant Anton Fischer, er war zunächst von den Matrosen in Zwangshaft genommen, dann wieder frei gelassen worden, die Matrosen auf die Seite der Stadtkommandantur zu ziehen. Die Berliner Arbeiter dagegen folgen dem Ruf des Revolutionsausschusses; der Generalstreik setzt mit voller Wucht ein. Vom Brandenburger Tor bis weit in den Tiergarten stehen Hunderttausende. Die SPD-Regierung ruft morgens ihre Anhänger ebenfalls zur Demonstration, vor das Haus der Reichsregierung Wilhelmstraße 77. Die beiden Demonstrationszüge kreuzen sich in der Wilhelmstraße: Arbeitermassen, die gleichen roten Fahnen, aber unterschiedliche Sprechchöre und Losungen. Vor dem Haus der Reichsregierung stehen tausende Sympathisanten. Die SPD-Regierung beginnt, ihre Anhänger zu bewaffnen. Vom Polizeipräsidium, wo der von USPD-Vertretern beherrschte Revolutionsrat nun tagt, gehen keine Direktiven aus. Richard Müller erinnert sich: „Hätte der Revolutionsausschuß die Schwächen der Regierung erkannt und ihren Sturz herbeiführen wollen, das wäre am 6. Januar ohne größere Mühe möglich gewesen. Doch er hatte mit seinen eigenen Schwächen genug zu tun. Er tagte und beriet. Beriet und beriet. Die Massen standen in der Siegesallee und warteten. Warteten, wie sie tags zuvor gewartet hatten. Gingen heute wie gestern enttäuscht nach Hause“. Im Marstall und im Polizeipräsidium werden ebenfalls Waffen verteilt. Auf Initiative der KPD und Revolutionärer Obleute werden aus Depots in Spandau und Wittenau Waffen beschafft. Die Arbeiter der Charlottenburger Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken AG bringen ihre Waffen gleich mit. 3.000 Arbeiter sind so bewaffnet. Die Besetzung des „Vorwärts“ wird verstärkt. Trupps bewaffneter Arbeiter und Soldaten nehmen die Reichsdruckerei, das Proviantamt, die Eisenbahndirektion am Schöneberger Ufer und das Haupttelegrafenamt in Besitz und stürmen die Pionierkaserne in der Köpenicker Straße. Die Übernahme der Berliner Kommandantur, des Kriegsministeriums und der Wrangel-Kaserne misslingt und weitere Angriffe unterbleiben, ebenso der Sturm auf die Reichsbank. Dort steht das Mitglied des Revolutionsausschusses Georg Ledebour (USPD) vor der Tür: „Genossen, beschmutzt nicht die Revolution.“ Die Revolutionäre ziehen ab. Die Mehrheit der Berliner Truppen erklärt sich für neutral. In Spandau verteidigen die Arbeiter das Rathaus erfolgreich gegen einen Überfall; sie hatten es nach Absetzung des Polizeipräsidenten Eichhorn besetzt und statt des bisherigen Spandauer Magistrats selbst die Verwaltung übernommen.
Gustav Noske, Mitglied der SPD-Volksbeauftragten-Regierung, wird Oberbefehlshaber der Freikorpsverbände. „Meinetwegen! Einer muß der Bluthund werden, ich scheue die Verantwortung nicht“, so Noske zu den Volksbeauftragten am 6. Januar 1919. Die Wachen des Regierungsviertels werden durch Noskes Freikorps verstärkt. Seit Mittag toben Unter den Linden, vor der Kommandantur, der Universität und in der Wilhelmstraße Straßenkämpfe. Schwere Schießereien auch am Marstall. In der Nacht besetzen Arbeiter den Anhalter und den Potsdamer, am nächsten Tag auch den Schlesischen Bahnhof.
Die Führer der USPD unter Leitung von Georg Ledebour beschließen vormittags, Verhandlungen zwischen dem Revolutionsausschuss und der SPD-Regierung herbeizuführen, um den Konflikt beizulegen. Karl Liebknecht und Wilhelm Pieck (beide KPD) protestieren. Die Regierung erklärt sich dazu bereit. „Der Revolutionsausschuß nahm abends zu den Vorschlägen der Unabhängigen Stellung und beschloß, mit der Regierung zu verhandeln, mit der Regierung, die gestürzt werden sollte, die nach dem schriftlichen Befehl zur Übergabe des Kriegsministeriums bereits gestürzt worden war. – Warum und worum verhandelt werden sollte, das legte der Revolutionsausschuß nicht fest. Offenbar darüber, ob sich die Regierung stürzen lassen wolle.“ So beschreibt Richard Müller die Situation. Gustav Noske macht in seinem Buch „Die Abwehr des Bolschewismus“ deutlich, die Regierung wollte „bei den tagelang geführten Verhandlungen … keine Verständigung mit der Gegenseite.“ Für sie war es ein Zeitgewinn für die Heranführung der im Dezember auf 10.000 Mann angewachsenen Freikorpsverbände.
In Chemnitz beschließt die Mitgliederversammlung der USPD mit 1.000 gegen 3 Stimmen den Anschluss an die KPD.
7. Januar Die Berliner Kommandantur wird durch Verfügung Gustav Noskes als Mitglied der Volksbeauftragten-Regierung ab dem 7. Januar von einem fünfköpfigen Kommandanturrat geführt, darunter Albert Klawunde (Feldwebel, Gründer eines Freikorps aus Potsdamer Gardisten), Brutus Molkenbuhr (Vollzugsrat), er ist Berater, und Leutnant Anton Fischer als Stellvertreter Berlin des Oberkommandierenden Gustav Noske (SPD).
Das Regiment „Potsdam“ wird nach Berlin beordert. Es besteht aus Offizieren, Unteroffizieren und Mannschaften des 1. Garde-Regiments, des Garde-Jägerbataillons, der Unteroffiziersschule, der Garde-Kavallerie-Ersatzabteilung und zwei Batterien von Artillerieregimentern. Befehlshaber: Major von Stephani, Oberleutnant von Woyrsch, Oberleutnant Prinz von Hohenzollern.
Am 7. und 8. Januar verteilen Studenten in Abstimmung mit dem Oberkommandierenden Gustav Noske (SPD) Flugblätter in Berlin: „Jetzt könnt ihr zu den Waffen greifen, um die heilige Ordnung in Deutschland, namentlich in Berlin, zu schirmen. Vier Verbände nehmen euch sofort auf unter die freiwilligen Regierungstruppen. Es sind die Werbestellen: 1. Regiment Reinhard, Moabit; 2. Gardekavalleriedivision, Dahlem; 3. Landesjägerkorps, Zossen; 4. Division Hülsen, Werder. Mobiles Gehalt für alle Dienstgrade, 5 Mark Handgeld pro Kopf und Tag, freie Verpflegung und Unterbringung, kürzeste Kündigungsfrist, Treuegeld, Entlassungsgeld, Entschädigung.“
Sympathiestreiks für die Berliner Erhebung in Braunschweig, Hamborn und anderen Orten.
Zeitungsbesetzungen in Braunschweig, Zwickau, Dortmund, Düsseldorf, Nürnberg, Halle/Saale.
8. Januar Die Vertreter der KPD Karl Liebknecht und Wilhelm Pieck werden von ihrer Zentrale aus dem provisorischen Berliner Revolutionsrat ob dessen unentschiedener Politik abberufen, wollen sich aber weiter an konsequent revolutionären Aktionen beteiligen und agieren von der Bötzow-Brauerei am Pfefferberg. Liebknecht, Pieck und Otto Franke fahren mit einem Brauereiwagen zu den Besetzern des „Vorwärts“.
In einem Aufruf der Reichsregierung wird die Offensive angekündigt: „Mitbürger! Spartakus kämpft jetzt um die ganze Macht. Die Regierung, die binnen 10 Tagen die freie Entscheidung des Volkes über sein eigenes Schicksal herbeiführen will, soll mit Gewalt gestürzt werden. Das Volk soll nicht sprechen dürfen. Seine Stimme soll unterdrückt werden. Die Erfolge habt Ihr gesehen. Wo Spartakus herrscht, ist jede persönliche Freiheit und Sicherheit aufgehoben. Die Presse ist unterdrückt, der Verkehr lahmgelegt. Teile Berlins sind die Stätte blutiger Kämpfe. Andere sind schon ohne Wasser und Licht. Proviantämter werden gestürmt, die Ernährung der Soldaten und Zivilbevölkerung wird unterbunden. Die Regierung trifft alle notwendigen Maßnahmen, um diese Schreckensherrschaft zu zertrümmern und ihre Wiederkehr ein für allemal zu verhindern. Entscheidende Handlungen werden nicht mehr lange auf sich warten lassen. Es muß aber gründliche Arbeit getan werden, und die bedarf der Vorbereitung. Habt nur noch kurze Zeit Geduld! Seid zuversichtlich, wie wir es sind, und nehmt euren Platz entschlossen bei denen, die euch Freiheit und Ordnung bringen werden. Gewalt kann nur mit Gewalt bekämpft werden. Die organisierte Gewalt des Volkes wird der Unterdrückung und der Anarchie ein Ende machen. Einzelerfolge der Feinde der Freiheit, die von ihnen in lächerlicher Weise aufgebauscht werden, sind nur von vorübergehender Bedeutung. Die Stunde der Abrechnung naht.“ Der Revolutionsausschuss beantwortet diesen Aufruf mit dem Flugblatt der Revolutionären Obleute und Vertrauensleute der Großbetriebe Groß-Berlins, der USPD und der KPD: „Auf zum Generalstreik! Auf zu den Waffen! Arbeiter! Genossen! Soldaten! ...“ Die Massen folgen dem Aufruf zum Generalstreik, nicht aber zum bewaffneten Kampf.
Der Volksbeauftragte für Heer und Marine, Gustav Noske (SPD), verlangt von der Minenwerfer-Ersatzabteilung Markendorf die Herausgabe von 16 schweren Minenwerfern nebst 800 Schuss. Die Truppen verweigern diesen Befehl, auch der entsandte Vorsitzende des Zentralrates Max Cohen bleibt erfolglos. Der Zentralrat des III. Armeekorps schreibt: „Noch eine Frage an Herrn Noske. Kennt Herr Noske die Wirkung einer schweren Mine bis zu zwei Zentnern. Im schweren Minenfeuer zu liegen, wird er Gelegenheit noch nicht gehabt haben. Wir aber versichern ihm, daß das das schrecklichste ist, was der Krieg überhaupt mit sich bringen kann…“
Mit dem Sturm der Regierungstruppen, unter Bruch des Waffenstillstandes, auf den von Arbeitern besetzten Anhalter Bahnhof und die Eisenbahndirektion in Berlin beginnt der Angriff der Truppen der Regierung Ebert-Scheidemann auf die Berliner Arbeiter. Vorausgegangen war die Besetzung der Druckerei der „Roten Fahne“ (KPD) durch konterrevolutionäre Truppen am 7. Januar, die zunächst von den Berliner Arbeitern zum Rückzug gezwungen wurden. Der bewaffnete Aufstand verliert trotz Fortsetzung des Generalstreiks an Dynamik. Verunsichert durch die Politik der USPD-Führer beschließen erste Betriebsversammlungen Forderungen nach Einigung mit den Gegnern und Beendigung des Blutvergießens.
Arbeiter besetzen Banken und öffentliche Gebäude in Delmenhorst.
Düsseldorfer Arbeiter besetzen das Fernsprechamt und nehmen Verhaftungen im Großbürgertum vor.
Bergarbeiterdemonstration in Mülheim für die Sozialisierung der Bergwerke und gegen die Regierung Ebert-Scheidemann.
Beginn des bis zum 14. Januar anhaltenden Bergarbeiterstreiks im Ruhrgebiet. Täglich streikt im Ruhrbergbau etwa ein Viertel der Arbeiterschaft um höheren Lohn, Arbeitszeitverkürzung usw.
9. Januar Heftige Kämpfe am Brandenburger Tor und um das von Arbeitern besetzte Mossehaus in Berlin. Der Versuch, das Mossehaus im Zeitungsviertel zu stürmen, gelingt den durch Gustav Noske (SPD) eingesetzten Truppen nicht. Der Sturm der Regierungstruppen auf die Druckerei der „Roten Fahne“ am Anhalter Bahnhof wird mit Unterstützung der „Vorwärts“-Besetzer abgewehrt. Nach Verrat können die Noske-Truppen die Reichsdruckerei übernehmen.
Massenkundgebung Berliner Arbeiter im Berliner Humboldthain. Gefordert wird der Rücktritt aller Arbeiterführer, insbesondere der Regierung Ebert-Scheidemann, die die Bourgeoisie, Studenten und Offiziere bewaffnet, um das Proletariat zu bekämpfen. Als Verantwortliche erscheinen aber auch Ledebour und Liebknecht. Eine Kommission aus Vertretern kommunistischer, unabhängiger und sozialdemokratischer Arbeiter wird gewählt und soll mit der Regierung verhandeln und morgen Bericht erstatten. Der Generalstreik soll die Arbeiterschaft über die Köpfe der Führer hinweg vereinigen. 100.000 Arbeiter Spandauer Staatsbetriebe schließen sich dem Generalstreik als Protest gegen Brudermord an, die Glühlampenwerke A.E.G. fordern eine neue Regierung mit Vertretern aller sozialistischen Parteien.
Der konterrevolutionäre Bürgerrat von Groß-Berlin ruft auf: „Wir fordern jeden waffenfähigen gedienten Mann auf, sofort in die Republikanische Volkswehr einzutreten! ...“ Das Hauptvorstandsmitglied der Deutschnationalen, der Gründer und Vorsitzende des Bürgerrates, Konsul Salomon Marx, finanziert die Propagandaaktion und auch ein Plakat, das zum Mord an Liebknecht aufruft. An den Berliner Litfaßsäulen erscheinen Plakate mit Aufrufen zum Mord an den Spartakistenführern.
Freikorps-Chef Oberst Reinhard bittet das Preußische Staatsministerium um Kampfkräfte aus den Reihen der Beamtenschaft: „Durch den Volksbeauftragten Noske bin ich beauftragt, ein Freiwilligenregiment aufzustellen ..., so richte ich hierdurch den Antrag an das Preußische Staatsministerium, den höheren, mittleren und unteren Beamten der Preußischen Ministerien und untergeordneten Behörden, unter denen sich ohne Zweifel ein vorzügliches Material befindet, soweit sie entbehrlich und gewillt sind, in mein Regiment oder in gleichgeartete Regimenter einzutreten, einen Urlaub auf beschränkte Zeit zu erteilen ... Nur wenn alle Kräfte sofort zusammengefaßt werden, kann es gelingen ..., auch die Wahlen in Berlin zu sichern.“
Major von Stephani, er hat den Befehl der Berliner Kommandantur, das „Vorwärts“-Gebäude zurückzuerobern, schlägt wegen der militärisch schwierigen Konstellation und zu erwartender hoher eigener Verluste vor, den „Vorwärts“ durch Verhandlungen in Besitz zu nehmen. Die Kommandanten und Berater Brutus Molkenbuhr orientieren auf Waffengewalt. Am gleichen Tag hatte die USPD der Regierung vorgeschlagen, den „Vorwärts“ freizugeben.
Der Kommandant des Gardefüsilier(„Maikäfer“)-Regiments, Leutnant Schulze, erhält von Anton Fischer und Brutus Molkenbuhr (Berliner Kommandantur) den Befehl, das Polizeipräsidium zu stürmen.
Letzte Sitzung des Revolutionsausschusses in Berlin. Das Erstarken der Konterrevolution, Bürgerkrieg in Stadtteilen und die Unzufriedenheit mit ihren Führern - der an diesem Tag veröffentlichte Aufruf des Revolutionsausschusses hat nicht den erwarteten Erfolg.
Leipziger Arbeiter entwaffnen einen Transport von Regierungstruppen, die zum Einsatz gegen die Berliner Arbeiter bestimmt waren.
Der Arbeiter- und Soldatenrat Essen beschließt die Einsetzung einer Neunerkommission für die Vorbereitung der Sozialisierung des Bergbaus im rheinisch-westfälischen Industriegebiet, paritätisch aus je drei Mitgliedern der KPD, USPD und SPD zusammengesetzt. Leitung: Landrichter Ernst Ruben (SPD) als Volkskommissar für Sozialisierung. Einstimmig beschlossen wird auch die Besetzung und Kontrolle des Kohlesyndikats und des Bergbaulichen Vereins. Das Rheinisch-Westfälische Kohlensyndikat ist die Verkaufs- und Vertriebsorganisation der Ruhrkohle mit Sitz in Essen und der Verein für die bergbaulichen Interessen ist die wirkungsvollste Interessenvertretung der Bergwerksbesitzer. Der Arbeiter- und Soldatenrat betrachtet die Maßnahme als Vorarbeit für die Sozialisierung der Bergwerke.
Der Generalsoldatenrat des VII. Armeekorps in Münster hatte Anweisung gegeben, die Bildung von Freikorps und Waffenausgabe an diese zu verhindern. Dennoch marschiert das Freikorps Lichtschlag am Morgen aus Dahl, auf Hagen (Westfalen). Der Arbeiter- und Soldatenrat lässt die Zugangsstraßen besetzen und das Freikorps gefangen nehmen. In das Gefecht greifen auch per Sirene alarmierte Arbeiter ein. Zuvor waren die Kumpels in den Bergbaurevieren von Bottrop, Buer, Essen, Gelsenkirchen und Mülheim (Ruhr) mit Forderung nach Sozialisierung der Betriebe und revolutionärer Kontrolle des Bergbaus in den Streik getreten. Mitte Januar beträgt die Zahl der Streikenden über 50.000.
Zeitungsbesetzungen in Hamburg, Dresden (15 Tote) und Wolfenbüttel.
In Stuttgart demonstrieren Arbeiter und Soldaten gegen die Politik der provisorischen Württemberger Landesregierung unter Wilhelm Blos (SPD). Zur Demonstration aufgerufen hatten USPD und KPD sowie die Vereinigung der Kriegsbeschädigten, der Arbeitslosenvereinigung, die sozialistische Jugend und der Rote Soldatenbund. Ziel ist die Absetzung der Regierung und des Stadtparlaments. Die Regierung zieht sich in das Stabsquartier der von Leutnant Paul Hahn geleiteten Sicherheitswehren im Gebäude des neuen Bahnhofs zurück. Hahn hatte die Formationen als Mitglied des Landesausschusses der Soldatenräte Württembergs auftragsgemäß aufgebaut. Durch die Sicherheitswehr, bestehend aus Freiwilligen und Studenten, wird die Erhebung schnell niedergeschlagen.
Das „Hamburger Echo“ (SPD) bringt eine Falschmeldung, nach der Rosa Luxemburg in Hamburg eingetroffen sei und dass die Kommunisten einen Putsch vorbereiten.
In Halle streiken infolge des Beschlusses des Soldatenrats, dass alle Rangabzeichen abgeschafft sind, in den Lazaretten die Ärzte, Sanitätsunteroffiziere, Wärter und Schwestern, sodass 3.000 Verwundete ohne Pflege sind.
In Hildesheim, Köln, Münster, Osnabrück, Paderborn und Trier veröffentlicht die Katholische Kirche einen Hirtenbrief gegen den Sozialismus: „Wer den Sozialismus unmittelbar oder mittelbar … unterstützt, versündigt sich an Christus und seiner Kirche. Wer zu Christus und seiner Kirche hält, kann es nicht mit dem Sozialismus halten.“
10. Januar Vor den Toren Berlins, in Spandau, beginnt der erste entscheidende Gegenschlag der mit Auftrag der Regierung hereindrängenden Truppen. Um sieben Uhr früh liegt die Stadt unter Haubitzenbeschuss, um 8.20 Uhr hissen die Arbeiter die weiße Fahne auf dem Spandauer Rathaus. Durch Freikorpstruppen werden Mitglieder des Rates misshandelt und in den nächsten Tagen ermordet. Robert Pieser, der Vorsitzende der KPD Spandau, wird gleich liquidiert. Mit Spandau fällt für Noskes Regierungstruppen die Flankenbedrohung, Bürgerwehren halten den Rücken frei, der Weg nach Berlin ist offen. 63 Gefangene werden am 17. Januar nach Tegel gebracht und auf der Fahrt vier von ihnen erschossen, darunter der Vorsitzende des Soldatenrates Spandau, Max von Lojewski (USPD). 3.000 Reichsmark Belohnung sind auf die Ergreifung der Sekretärin von Rosa Luxemburg, Mathilde Jacob, ausgesetzt. Sie hatte im Rathaus mitgekämpft. Der Oberbefehlshaber Gustav Noske (SPD) empfängt die angeforderte Marinebrigade aus Kiel. In der Reichskanzlei bestellt Hermann Müller (Vollzugsrat, SPD) die Verhandlungskommission unter Georg Ledebour (USPD) für Nachmittag ein und hält sie hin, ohne dass es zu Verhandlungen kommt. Ledebour als Verhandlungsführer des Revolutionsrates und Ernst Mayer (KPD) werden auf Befehl von Stadtkommandant Anton Fischer (SPD) in der Nacht zu Hause in Steglitz verhaftet und auf die Kommandantur gebracht, dann im Moabiter Gefängnis inhaftiert. In der Nacht rücken Truppen mit schweren Geschützen auf die Innenstadt vor. Neue Verhandlungen der USPD mit der Regierung werden auf den 11. Januar „vertagt“. In der KPD-Zentrale wird beschlossen, endgültig aus dem Revolutionsausschuss auszutreten.
Die am Vortag von der Humboldthain-Versammlung delegierten Vertreter erreichen nichts. Stattdessen lässt die Regierung als Reaktion auf die Massenkundgebung vom Vortag ungeheure Mengen eines Flugblattes in Berlin verteilen, das in Abrede stellt, die Bourgeoisie zu ihrer Unterstützung aufzurufen, vielmehr „der klassenbewußte Arbeiter, der Parteigenosse ist es, der den Kampf gegen die Vergewaltigung aufgenommen hat, um ihr ein für allemal ein Ende zu bereiten.“ Überall werden Plakate dieser Intention geklebt, die Urheber sind nicht ohne weiteres erkennbar. Vor allem die von der Regierung ausgehaltene „Zentrale für Heimatdienst“ wird aktiv. Die Arbeiter hätten den Kampf gegen Spartakus aufgenommen. Dagegen erhebt selbst die konservative Zeitung, die „Post“ heftigen Protest. Sie schreibt unter anderem: „Was aber tut die Regierung? Sie läßt am Freitagmittag ... ein Flugblatt erscheinen, in dem sie leugnet, daß sie ... Offiziere, stellungslose Bürgersöhnchen und die Kriegshetzer der bürgerlichen Presse“ zu ihrer Unterstützung aufgerufen habe, dass „der klassenbewußte Arbeiter“ es ist, „der den Kampf gegen die Vergewaltigung aufgenommen hat“.
Der wegen Besetzung andernorts herausgegebene „Vorwärts“ droht erneut mit der nahenden Abrechnung mit den durch „russische Millionen ausgehaltene(n) Halunken“ und verweist auf die „Blutschuld der russischen Söldner“.
Auf Einladung des Direktors der Deutschen Bank Paul Mankiewitz treffen sich 50 Vertreter der deutschen Industrie, des Handels und der Banken, darunter Hugo Stinnes, Albert Vögler, Carl Friedrich von Siemens, Otto Henrich, Ernst von Borsig, Felix Deutsch im Aero-Club auf dem Berliner Flugplatz Johannisthal zum Vortrag „Bolschewismus als Weltgefahr“. Der Vortrag wird von Eduard Stadtler, dem Vorsitzenden der „Antibolschewistischen Liga“, gehalten. Er propagiert darin einen "christlich-nationalen Sozialismus" ohne die Enteignungen von Privateigentum und Produktionsmitteln, wie sie die Rätebewegung fordert. Auf dem Treffen wird ein Antibolschewistenfonds vorgeschlagen und gegründet, für den Stadtler an diesem Tag 250 Millionen Reichsmark einsammelt. Finanziert werden daraus u. a. der Aufbau eines rechtsnationalen Mediendienstes und die Unterstützung der Aufstellung rätefeindlicher, zuverlässiger Freikorps für die militärische Niederschlagung der Arbeiter im Bürgerkrieg. Nachdem Stadtler im Frühjahr beginnt, einen nationalen deutschen Sozialismus zu propagieren, stoppen die Großindustriellen den Geldfluss.
Der Kommandant der Besatzung der Mosseschen und Ullsteinschen Betriebe, der Spitzel Fritz Drach „verhandelt“ mit der Regierung über die kampflose Übergabe der Objekte, kann jedoch seine verbliebenen Kampfgefährten nicht überzeugen und verschwindet. Die Häuser der Privatkonzerne werden jedoch nicht das Schicksal des total beschädigten „Vorwärts“-Gebäudes teilen; Ebert und Scheidemann sichern den Besetzern einen Status als Kriegsgefangene schriftlich zu, die Häuser werden übergeben und die „Kriegsgefangenen“, die als solche nicht zu bestrafen gewesen wären, werden später zu Haftstrafen verurteilt.
In der Nacht zum 11. Januar werden Geschütze und Minenwerfer für den Sturm des „Vorwärts“-Gebäudes auf dem Belle-Alliance-Platz und in der alten Jakobstraße in Stellung gebracht.
Die sozialistische Republik Bremen wird nach einer Massendemonstration um 16 Uhr auf dem Marktplatz ausgerufen. Vertrauensleute der Garnison Bremen hatten sich am Vortag in einer Resolution einstimmig mit der von der KPD angekündigten Demonstration einverstanden erklärt. Von der Zeitung „Der Kommunist“ aufgerufen ziehen 30.000 Demonstranten zum Rathaus. Die Demonstration wird von bewaffneten Arbeitern und Soldaten gesichert. Veranlasst durch die Kämpfe in Berlin werden der Senat, Bürgerschaft und Deputationen für abgesetzt erklärt, so USPD-Funktionär Adam Frasunkiewicz. Die Macht übernimmt der sich in der Nacht konstituierende, aus je dreißig Vertretern der USPD und der KPD bestehende Arbeiterrat. SPD-Vertreter waren nach Bekanntwerden der taktischen Öffnung dieser Partei bei der Wahl zum Arbeiterrat für das Bürger- und Beamtentum entfernt worden. Der Arbeiterrat wählt als seine Vertretungskörperschaft zur ausführenden Regierungsgewalt den sechsköpfigen Rat der Volksbeauftragten Bremens (Rat der Volkskommissare) mit je drei Vertretern der USPD und der KPD und den ihm beigeordneten Vollzugsrat der Arbeiter- und Soldatenräte als Kontrollgremium. Alfred Henke, Mitarbeiter der Bremer Arbeiter-Zeitung, wird Vorsitzender, Adam Frasunkiewicz zweiter Vorsitzender und Kaiser ist der dritte Vertreter der USPD. Die KPD stellt Johann Knief, Adolf Dannat und Ludwig Bäumer und Vertreter des Soldatenrates sind Johann Drettmann (USPD), Karl Jannack (KPD) und Rietschel (USPD). Als erste Maßnahme wird über Bremen das Standrecht verhängt, es wird die Entwaffnung der Offiziere und des Bürgertums bis zum 11. Januar angeordnet. Wer nach dem Termin in unerlaubtem Waffenbesitz angetroffen wird, verfällt dem Standrecht. Alle Rangabzeichen sind sofort abzulegen. Diebstahl, Raub, Plünderung sind Verbrechen gegen die sozialistische Gemeinschaft und würden sofort mit Erschießen geahndet, wie auch jeder gegenrevolutionäre Versuch. Mit einer zweiten Bekanntmachung wird die Vorzensur für nichtrevolutionäre Presse eingeführt, die Kontrolle des gesamten Nachrichtendienstes durch Beauftragte angewiesen und die bürgerlichen Zeitungen werden verpflichtet, alle Texte des Rates der Volkskommissare ohne Kommentar abzudrucken. Insbesondere seitens der KPD erfolgt die Proklamierung der Rätemacht in Bremen auch mit dem Ziel, die Berliner Revolutionäre wirkungsvoll zu entlasten. Mit einem Telegramm fordert man die Regierung Ebert-Scheidemann zum Rücktritt auf, mit einem weiteren solidarisiert sich das Gremium mit der Räteregierung Sowjetrusslands.
Düsseldorf in den Händen der Arbeiter. Der Vollzugsausschuss des Düsseldorfer aus KPD- und USPD-Anhängern bestehenden Arbeiterrates übernimmt die Macht, erklärt Oberbürgermeister Dr. Oehler für abgesetzt und Karl Schmidtchen zum neuen Oberbürgermeister. Vom 7. bis 9. Januar waren Streiks, Zeitungsbesetzungen und Massendemonstrationen gegen die SPD-Regierung vorausgegangen.
In Hamburg, Halle/Saale, Stuttgart und Nürnberg revolutionäre Demonstrationen gegen konterrevolutionäre Anschläge.
15 Arbeiter fallen bei Kämpfen in Dresden.
Erhard Auer (SPD), der Innenminister in der bayerischen Regierung Eisner, lässt in München 12 führende Männer aus der revolutionären Arbeiterschaft verhaften, die unter dem Druck der Massen wieder freigegeben werden müssen.
Mehrheitsbeschluss des Hamburger Arbeiter- und Soldatenrats für den Rücktritt der Regierung Ebert-Scheidemann.
11. Januar Das Regiment „Potsdam“ beginnt früh um 8 Uhr mit den verheerenden Minenwerfern das „Vorwärts“-Gebäude sturmreif zu schießen. Handgranatensturmtrupps dringen ein. Nach zwei Stunden Widerstand geben die Arbeiterinnen und Arbeiter auf. Hilde Steinbrink aus Neukölln, Arbeiterin in der AEG Hennigsdorf, bedient das letzte Maschinengewehr, mit dem sich die revolutionären Besetzer des Vorwärts-Gebäudes gegen die konterrevolutionären Freikorps wehren. Erst im Nahkampf wird sie entwaffnet. Hausbesitzer der Lindenstraße und bürgerliches Publikum durchbrechen Sperrketten und schlagen auf die Gefangenen ein. Bereits frühmorgens wurden die unbewaffneten und als solche gekennzeichneten Parlamentäre, der Redakteur Wolfgang Fernbach, der Schmied Walter Heise, der Klempner Werner Möller, der Mechaniker Karl Grubusch, der Kutscher Erich Kluge, der Werkzeugmacher Arthur Schotter und der Schlosser Paul Wackermann von Soldaten in die Garde-Dragonerkaserne in der Belle-Alliance-Straße 6 abgeführt, gelyncht und morgens 10 Uhr erschossen. Major Franz v. Stephani, Kommandeur des Freikorps-Regiments Potsdam, gibt den Erschießungsbefehl, Wachtmeister Otto Weber, Feldkolonne 40, Staffelstab 10 Hannover und der Gefreite Erich Setzer, Infanterieregiment 21 in Rudolstadt führen ihn aus. Der Redakteur Fernbach gehörte eigentlich nicht zur Besatzung. Er hielt sich seit dem Nachmittag des Vortages im Gebäude besuchsweise auf und konnte wegen der Absperrung nicht mehr heraus. 295 Männer und Frauen ergeben sich, z. T. schwer verletzt, werden auf dem Transport durch die Straßen, in der Teltower Straße beginnend, schwer misshandelt, woran sich vor allem das bürgerliche Publikum beteiligt, und die ersten von ihnen werden in der Kaserne des 1. Garde-Dragoner-Regiments erschossen. Die ihrer Kleidung und der Wertsachen beraubten Leichen bleiben liegen und dienen weiterem Zielschießen. Vor einer Kommission des Vollzugsrates, dem je zwei Vertreter der SPD und der USPD angehören, sagen Offiziere später aus, dass auf Wunsch des Herrn Ebert keine weiteren Erschießungen von Gefangenen vorgenommen werden sollten. Einer der vordem von „Vorwärts“-Besetzern gefangen gehaltenen Offiziere wird von den eigenen Leuten verprügelt, weil er sich für seine gute Behandlung durch die Spartakisten bedankt. In den übrigen Druckerei- und Verlagsgebäuden gelingt den Besetzern der bewaffnete Rückzug über die Dächer. Auch die 60 Mann starke Junge Garde mit ihrer Kampfleitung im Mosse-Haus Leipziger/Ecke Jerusalemer Straße und die Arbeiter und Soldaten vom Schlesischen Bahnhof, darunter zehn Frauen, die bis dahin Militärtransporte verhinderten, ziehen sich zurück. Bis zum 12. Januar hält sich noch Paul Eckert mit seinen Kampfreserven in der Bötzow-Brauerei und zieht dann mit seiner bewaffneten Mannschaft ab.
Gustav Noske (SPD) marschiert als Volksbeauftragter für Heer und Marine mit der Kieler Marinebrigade, der Garde-Kavallerieschützendivision und den Maerckerschen Landjägern demonstrativ in das Berliner Regierungsviertel ein. Noskes Truppen besetzen das KPD-Büro und der Oberbefehlshaber teilt in einem Flugblatt mit, dass 3.000 Mann mit starker Artillerie und Maschinengewehren heute um 1 Uhr die Macht der Regierung gezeigt haben. Es gehe um den Kampf um die geraubten Gebäude: „Ihr müßt sie wegjagen … Die letzte Maske, als handele es sich um eine politische Bewegung, ist gefallen. Raub und Plünderung entpuppt sich als letztes und einzigstes Ziel der Aufrührer …“
Am 11. Januar ruft der Soldatenrat, er hatte am 6. November 1918 die Militärgewalt und Verwaltung übernommen, nach dem Beispiel Bremens die Sozialistische Republik in Cuxhaven und den angrenzenden preußischen Kreisen Hadeln und Neuhaus aus. Der Regierung der Volksbeauftragten wirft man vollständiges Versagen und Brudermord vor und will sich auch von Hamburg unabhängig machen.
In Hamburg Demonstration der SPD gegen Arbeiterrat, für Wahlen zum Parlament.
Sympathiestreik für Berlin in Leipzig.
Der Essener Arbeiter- und Soldatenrat besetzt, wie in seiner Konferenz am 9. Januar beschlossen, die Büros des Kohlensyndikats und des Zechenverbandes, des Bergbaulichen Vereins. In Zukunft sollen die Löhne und Preise der Verwaltung vom Arbeiterrat kontrolliert werden.
In Cuxhaven bringen städtische Beamte und Angestellte die Gas- und Wasserversorgung, Post- und Fernmeldewesen sowie den Eisenbahnverkehr zum Erliegen.
12. Januar Starke Regierungstruppen (Potsdamer Jäger und Garde-Füsilier-Regiment „Maikäfer“) schießen nachts um 1:15 Uhr mit Brandzündgranaten und Feldgranaten das Berliner Polizeipräsidium sturmreif. Der Kommandant Justus Braun (KPD), der wegen der Übergabe verhandeln will, wird mit 4 seiner Mitkämpfer festgenommen. Ermöglicht wird das durch den Spitzel Grant, der als „Spartakist“ bereits die Reichsdruckerei besetzen und später zurückerobern ließ und am 6. Januar den Sturm auf die Pionierkaserne mitgemacht hatte. Die Gefangenen werden in die Alexanderkaserne gebracht, schwer misshandelt und erschossen. Nahkampftrupps dringen über U-Bahnschächte gedeckt ein und erobern das Haus. Von den Überlebenden der 300 Arbeiter, Matrosen und Angehörigen der Sicherheitswehr werden viele Gefangene auf offener Straße gleich erschossen; dank des Dazwischentretens Berliner Truppenteile konnte sich ein Teil bewaffnet nach Friedrichshain und Lichtenberg zurückziehen. Ein Junge wird nach dem Ruf „Hoch lebe Liebknecht“ von einem jungen Soldaten des Maikäferregiments erschlagen, ein herbeieilender Sanitäter erschossen und ein dagegen Protestierender mit drei Schüssen niedergestreckt. Damit enden die letzten Januarkämpfe in Berlin. Sie kosten das Berliner Proletariat 196 Tote. Die Stadt ist vollständig von Noske-Truppen besetzt. Sämtliche öffentlichen Gebäude sind von Truppenlagern umgeben. In den Proletariervierteln werden tausende Arbeiter verhaftet. Auch die Vororte Berlins und die Waffenfabriken sind von Noske-Truppen besetzt. In den Straßen Berlins herrscht Pogromstimmung. Die Mehrheit der Arbeiter und Soldaten hatte den Kampf zum Sturz der Regierung Ebert-Scheidemann nicht mehr unterstützt, der alltäglichen Schießereien war man allmählich leid. Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht, auch Emil Eichhorn sind untergetaucht.
Eduard Stadtler/Antibolschewistische Liga sucht – so berichtet er in seinen Erinnerungen – an diesem Tag den Kommandeur der Garde-Kavallerie-Schützen-Division Waldemar Pabst im Hotel Eden auf und überzeugt ihn davon, Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg und Karl Radek zu töten.
Übergabe der besetzten bürgerlichen Zeitungen.
Massenkundgebung der Arbeiter der Berliner Eisenbahnwerkstätten fordert Rücktritt der Regierung.
Bewaffnung von 4.000 Arbeitern in Gotha.
Zusammenstöße mit Konterrevolutionären in Zwickau und Halle.
Landtagswahl in Bayern: SPD 61, USPD 3, Bayerische Volkspartei 66, Nationalliberale 9, Bauernbund 16, DVP 25 Sitze. Landtagswahl in Württemberg: SPD 52, DDP 38, Zentrum 31, Bürgerpartei 11, Bauernbund 10, USPD 4 Sitze.
13. Januar Der Generalstreik in Berlin wird beendet. Die Revolutionären Obleute fordern die Arbeitermassen auf, wieder in ihre Betriebe zu gehen, um weitere Opfer zu vermeiden. Die Regierungssoldaten ziehen als weiße Terrorformationen plündernd durch Arbeiterviertel. Über die Stadt wird durch Oberbefehlshaber Gustav Noske (SPD) der Belagerungszustand verhängt und weitere Truppen werden herangeführt. Richard Müller, Exponent der Revolutionären Obleute, später: „Wäre der Januarputsch nicht gemacht worden, dann hätte das Berliner Proletariat die Kämpfenden in Rheinland-Westfalen und in Mitteldeutschland rechtzeitig unterstützen können, die Revolution wäre erfolgreich weitergeführt worden und das neue Deutschland hätte ein anderes politisches und wirtschaftliches Gesicht bekommen.“
In der Sitzung des Berlin-Schöneberger Volksausschusses antwortet Oberbürgermeister Alexander Dominicus auf die Frage, weshalb ohne Willen und Wissen des Volksausschusses eine bewaffnete Bürgerwehr gegründet wurde, dass dies auf Anordnung des Volksbeauftragten Gustav Noske (SPD) für den Schutz der Bürgerschaft gegen Ausfälle der Spartakusleute erfolgt sei.
Der Oberbefehlshaber der regierungstreuen Truppen in und um Berlin Gustav Noske (SPD) unterschreibt mit dem Geheim-Befehl 1a Nr. 10 den Fortgang der Niederschlagung der Revolution; er regelt das Zusammenwirken der in Groß-Berlin einrückenden Regierungstruppen mit den dort bereits vorhandenen Truppen und Wehren. Damit unterstellt er sich die Freiwilligenkorps des Generalkommandos Lüttwitz und die Kommandantur Berlin sowie Volks- und Bürgerwehren. Ihr Kennzeichen: Weiße Binde am rechten Oberarm. Unter seinem Befehl stehen mit diesem Befehl zum Einsatz in Berlin bereit: General von Wissel (31. Infanterie Division), General von Roeder (Landschützen), Generalmajor Maercker (Landjäger), Generalleutnant von Hofmann (Garde Kavallerie Schützen), General von Hülsen (Freikorps), General von Held (17. Infanterie Division).
Der Journalist Arthur Zickler veröffentlicht unmittelbar nach dem Massenmord in der Blücher- und Alexanderkaserne im sozialdemokratischen „Vorwärts“ sein Gedicht „Das Leichenhaus“ mit den Schlusszeilen: „Vielhundert Tote in einer Reih-/ Proletarier!/ Karl, Rosa, Radek und Kumpanei -/ es ist keiner dabei, es ist keiner dabei!/ Proletarier!“ Zwei Tage nach diesem Gipfel der Mordhetze werden Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg ermordet.
Der Vorstand der sozialdemokratischen Bezirksorganisationen Groß-Berlins, Theodor Fischer, Franz Krüger und August Pattloch veröffentlichen ein Flugblatt mit einer Erklärung zu den Januarkämpfen: „… Aus den Massen dringt immer stärker der Ruf nach Einigung. Laßt Euch aber nicht durch das dumme Schlagwort von den ‚kompromittierten Führern‘ irreleiten. Die Einigung scheitert nicht an Ebert-Scheidemann. Gibt es kompromittiertere Führer als Liebknecht, Eichhorn, Ledebour, Haase usw.? Die aber haben bisher jede Einigung abgelehnt. Freiheit, ... nicht Terror. Demokratie, nicht Diktatur. Deutscher Sozialismus, nicht russischer Bolschewismus. Einigt Euch dort, wo Sozialismus und Demokratie seit einem halben Jahrhundert ihre feste, ihre einzige Stütze haben, in der Sozialdemokratischen Partei.“
Emil Eichhorn und Karl Radek werden steckbrieflich gesucht. Je 50.000 Reichsmark Prämie sind auf die Ergreifung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg ausgesetzt. Geld für die Unschädlichmachung bieten die Spitzelorganisationen des Regiments Reichstag/Sozialdemokratischer Helferdienst und der Kommandantur Anton Fischers, des Berliner Stellvertreters des Oberkommandierenden Gustav Noske. Der Leiter dieser dafür zuständigen Sektion 14 des Sozialdemokratischen Helferdienstes des Regiments Reichstag, Hesel, sagt 1920 im Moabiter Prozess dazu aus: „Ein Befehl, Liebknecht zu ermorden, bestand. Auch die Belohnung war zugesagt … Es wurde gesagt: Wer Liebknecht und Luxemburg tot oder lebendig bringt, erhält 100.000 Mark. Das Geld hatten wir im Reichstag zur Verfügung … Auch aus dem Eden-Hotel waren unabhängig von uns 100.000 Mark ausgesetzt.“ Seit Anfang Dezember 1918 hatte die vor allem von Hugo Stinnes finanzierte Antibolschewistische Liga Plakate und Aufrufe an die Berliner Bevölkerung drucken lassen, die dazu aufforderten, die Rädelsführer ausfindig zu machen und den Militärs zu übergeben. Dafür hatte sie eine hohe Belohnung ausgesetzt. Im Eden-Hotel hatte Hauptmann Waldemar Pabst den ihm zugewiesenen Standort seiner Garde-Kavallerie-Schützen-Division bezogen und nach seinen Memoiren haben die Industriellen Albert Minoux und Hugo Stinnes ihn finanziert. Anton Fischer war das Geld vom Bürgerrat Groß-Berlin zur Verfügung gestellt worden. Konsul Leon Simon habe es gegeben. „Es bestand nur der Auftrag, die Rädelsführer festzusetzen und, soweit Widerstand geleistet werde, von der Waffe Gebrauch zu machen“, so Fischer. Hesel bzw. Reichstags-Regiments-Zahlmeister Ernst Sonnenfeld hatten Geld und Auftrag über Scheidemanns Schwiegersohn Fritz Henck von dem Kaufmann Georg Sklarz erhalten. (Georg Sklarz war während des ersten Weltkrieges Mitarbeiter des militärischen Nachrichtendienstes und des Admiralstabs. 1917 war er beauftragt, Lenin und Sinowjew bei der Durchreise in Deutschland zu begleiten. Am 27. März 1917 hatte er Lenin in der Schweiz aufgesucht.)
In Essen findet eine weitere Konferenz der Arbeiter- und Soldaten-Räte des rheinisch-westfälischen Industriegebiets statt, an der auch Vertreter der vier Gewerkschaftsverbände der Bergarbeiter teilnehmen. Der von der Konferenz zum Volkskommissar für Sozialisierung ernannte Landrichter Ernst Reuben (SPD) berichtet, von Oberbürgermeister Luther die Zustimmung zur friedlichen Sozialisierung des Bergbaus erreicht zu haben und hofft, dass die Unternehmer von der Notwendigkeit überzeugt sind. Die Konferenz beschließt eine Wahlordnung für die Wahl der Steigerrevierräte, aus denen Zechenräte, Bergrevierräte und ein Zentralzechenrat gebildet werden sollen. Eine Neunerkommission aus SPD, USPD und KPD und Volkskommissar Reuben sollen nun das Eigentum an mineralischen Bodenschätzen und den Produktionsanlagen in den Besitz der Allgemeinheit überführen. Der Sozialisierung zustimmende Reden der sozialdemokratischen (Otto Hué und Heinrich Limbertz) und christlichen (Unterstaatssekretär Johannes Giesbert und Vogelsang) Führer der Bergarbeiterverbände lassen die Delegierten abstimmen, den Generalstreik zum 14. Januar zu beenden. Ernst Reuben später: „Nachdem ich die moralische Unterstützung aller Kreise vorher bekommen hatte, gelang es dann auch, … in zwei Tagen den ganzen Ausstand zu beseitigen.“
14. Januar Moabit von Regierungstruppen besetzt. Der Oberbefehlshaber Gustav Noske (SPD) teilt in einer Bekanntmachung „An die Bewohner Berlins!“ mit: „Der gestrigen Besetzung des Stadtteils Moabit folgt heute in breiter Front der Einmarsch beträchtlicher Truppenmengen in die Stadt. Alle wesentlichen Vororte sind gleichfalls besetzt oder durch Bürger- und Volkswehren geschützt. Arbeiter! Soldaten! Bürger! Die von mir geführten Divisionen sind nicht Werkzeuge der Konterrevolution, dienen nicht der Unterdrückung, sondern werden die Befreiung von unerhörtem terroristischem Druck bringen, unter dem die Masse der Bevölkerung Berlins zu leiden hatte. Sicherheit der Person und des Eigentums, Freiheit der Presse und ungehinderte Ausübung des höchsten staatsbürgerlichen Rechts, der Wahl zur Nationalversammlung, will ich unbedingt sicherstellen. Neuen Gewalttätigkeiten der Spartakus-Leute und verbrecherischer Elemente muß durch Waffenabgabe vorgebeugt werden …“ Noske fordert, den Anordnungen der militärischen Leiter Folge zu leisten, fordert die Waffenabgabe bei den regierungstreuen Truppen, befiehlt Hausdurchsuchungen in diesem Zusammenhang und untersagt Ansammlungen auf Straßen.
In ihrem letzten Artikel in der „Roten Fahne“ schreibt Rosa Luxemburg: „Die Führung hat versagt. Aber die Führung kann und muß von den Massen und aus den Massen heraus neu geschaffen werden. Die Massen sind das entscheidende, sie sind der Fels, auf dem der Endsieg der Revolution errichtet wird … Die Revolution wird sich morgen schon ‚rasselnd wieder in die Höh‘ richten‘ und zu eurem Schrecken mit Posaunenklang verkünden: Ich war, ich bin, ich werde sein!“
Das Mitteilungsblatt „Volkswehr“ des Regiments Reichstag (vormals Sozialdemokratischer Helferdienst), es wird von Philipp Scheidemanns Schwiegersohn Fritz Henck geleitet, bringt an diesem Tag folgende Notiz: „Es ist die Befürchtung laut geworden, daß die Regierung in ihrem Vorgehen gegen die Spartakisten nachlassen könnte. Wie von maßgebender Seite versichert wird, wird man sich mit dem bisher Erreichten keineswegs begnügen, sondern auch gegen die Häupter der Bewegung mit aller Energie vorgehen. Die Berliner Bevölkerung soll nicht glauben, daß die vorläufig Entwichenen sich anderen Ortes eines ruhigen Daseins erfreuen sollen. Schon die nächsten Tage werden zeigen, daß auch mit ihnen Ernst gemacht wird.“
In Buer (Westfalen) besetzen Arbeiter das Rathaus.
Versuch, die Bremer Werftarbeiter zu entwaffnen. Teile der bremischen Garnison wurden gegen die Arbeiterschaft aufgewiegelt und besetzen Brücken, den Marktplatz sowie den Hauptbahnhof. Marinesoldaten dringen in die Schiffswerft AG Weser, ein Zentrum revolutionärer Arbeiter, vor. Unter Führung Albert Mayers, des Vorsitzenden der Exekutive des Soldatenrates, werden das Mitglied der Räteregierung Karl Jannack (KPD), der Stadtkommandant Bernhard Ecks (KPD) und das Mitglied des Soldatenrates Reimann (KPD) verhaftet. Nach bewaffneter Gegenwehr der Arbeiter ziehen die Soldaten ab; 4 Tote. Der Putschversuch scheitert insbesondere daran, dass die Arbeiter der Weser-Werft den Angriff auf ihren Standort zurückschlagen, auf die Innenstadt vorstoßen und mit Arbeitern anderer Betriebe die öffentlichen Gebäude freikämpfen. Vertreter der Räteregierung stimmen in Verhandlungen dem Verlangen putschender Soldaten nach Ablösung des Stadtkommandanten Bernhard Ecks zu und ernennen Karl Becker (KPD) und Johann Drettmann (USPD) zu Stadtkommandanten. Die Lage verschärft sich: Das Bürgertum organisiert sich gegenrevolutionär, Ärzte und Beamte drohen mit Streik, die mit Wiedereinsetzung von Senat und Bürgerschaft verbundene Kreditsperre der Banken erschwert ab 16. Januar die Arbeit der Räteregierung, in Demonstrationen protestiert das Bürgertum gegen die Aufhebung des Religionsunterrichts. Der Rat der Volkskommissare hebt seine Pressevorzensur und den Belagerungszustand auf. Aufrufe der Vertrauensleute der USPD in den Großbetrieben zum Generalstreik scheitern an Gegenaktionen der Vorstände von SPD und USPD.
Zeitungsbesetzung durch revolutionäre Arbeiter in Erfurt.
Weitere Konferenz der Arbeiter- und Soldatenräte des Ruhrkohlengebietes in Essen. Unter Teilnahme aller gewerkschaftlichen Bergarbeiterorganisationen (Verband der Bergarbeiter Deutschlands, Gewerkverein christlicher Bergarbeiter Deutschlands, Gewerkverein der Fabrik- und Handarbeiter, Hirsch-Duncker/ Abteilung Bergarbeiter, Polnische Berufsvereinigung/ Abteilung Bergarbeiter) wird beschlossen, die Sozialisierung des Kohlebergbaus selbst in die Hand zu nehmen. „… Niemand soll sich mehr mühelos an der Arbeit anderer bereichern können, allen Arbeitenden sollen die Früchte ihrer Arbeit selbst zugute kommen. Der Anfang soll gemacht werden bei den Bergwerken, bei den Bodenschätzen, die noch mehr als alles andere von Rechts wegen dem ganzen Volke und nicht einzelnen Bevorzugten gehören. Zur Durchführung der Sozialisation ist von der Konferenz ein Volkskommissar, Landrichter Reuben, eingesetzt worden; ihm sind von jeder sozialistischen Partei, von der Mehrheitspartei, den Unabhängigen und der Spartakusgruppe je drei Beisitzer zur Seite gegeben worden, die gemeinsam an die Aufgaben der Sozialisierung herangehen werden …“
15. Januar Am 15. Januar erscheint der letzte Artikel Karl Liebknechts in der „Roten Fahne“: „... Die Geschlagenen von heute werden die Sieger von morgen sein ... Spartakus niedergerungen! O gemach! Wir sind nicht geflohen, wir sind nicht geschlagen. Und wenn sie uns in Banden werfen - wir sind da, und wir bleiben da! Und der Sieg wird unser sein! ... Noch ist der Golgathaweg der deutschen Arbeiterklasse nicht beendet - aber der Tag der Erlösung naht ... und ob wir dann noch leben werden, wenn es erreicht wird, - leben wird unser Programm; es wird die Welt der erlösten Menschheit beherrschen. T r o t z a l l e d e m !“
Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht und Wilhelm Pieck werden am Abend des 15. Januar durch Spitzel, vermutlich des Regiments Reichstag/ Sozialdemokratischer Helferdienst, in der Wilmersdorfer Wohnung Mannheimer Str. 43 bei der Familie Markussohn gegen 21 Uhr aufgespürt, verhaftet und in das Hotel Eden am Kurfürstendamm 246-247 gebracht. Dort verhört der Chef der Garde-Kavallerie-Schützen-Division Hauptmann Waldemar Pabst in seinem Stabsquartier und verfügt vor Zeugen, sie einzeln in das Moabiter Gefängnis zu bringen. Der interne Befehl lautet: Liquidieren. Die Ausführung erfolgt durch seinen Adjutanten Heinz von Pflugk-Harttung, den Freund des Leiters der militärischen Abteilung der Antibolschewistischen Liga, Fliegeroffizier Fritz Siebel.
Pflugk-Harttung ruft seinen Bruder und andere Offiziere herbei. Vor dem Abtransport Liebknechts aus dem Hotel erledigt der Wachtposten im Edenhotel, der Jäger Otto Wilhelm Runge, von Beruf Dreher, seinen Auftrag und schlägt Liebknecht mit seinem Gewehrkolben nieder. Die Offiziere Heinz von Pflugk-Harttung, Oberleutnant zur See Ulrich von Ritgen, Heinrich Stiege und Leutnant der Reserve Rudolf Liepmann fahren Liebknecht in den Tiergarten, heißen ihn aussteigen und ermorden ihn. Drei Schüsse in Rücken und Hinterkopf – „auf der Flucht erschossen“. Verbandszeug für die Schädelwunde und die Bitte um einen Toilettengang hatten sie Liebknecht im Hotel noch verwehrt. Um 23.40 Uhr geben sie seine Leiche als unbekannten Toten in einer Unfallstation ab. Gegen Mitternacht wird Rosa Luxemburg abtransportiert. Auftragsgemäß schlägt Jäger Otto Wilhelm Runge ihr mit seinem Gewehrkolben gleich mehrfach auf den Kopf. Am Abtransport sind Oberleutnant a. D. Kurt Vogel, Vizefeldwebel Krull und zwei Soldaten, darunter als Fahrer der Soldat Janschkow beteiligt. Für die gehbehinderte Rosa Luxemburg plant man das Erschießen aus einer erbosten Volksmenge heraus. Leutnant zur See Hermann Souchon spielt die Volksmenge, springt an der Ecke Nürnberger Straße/Kurfürstendamm auf den Wagen und schießt Rosa Luxemburg in die Schläfe. Die Leiche wird auf Anweisung Kurt Vogels mit Draht umwickelt in den Landwehrkanal geworfen. Wilhelm Pieck entkommt aus dem Eden-Hotel. Im Nachlass des Befehlsgebers der Morde an Liebknecht und Luxemburg, Waldemar Pabst, findet sich später ein den Fall betreffender Durchschlag seines Briefes: „Daß ich die Aktion ohne Zustimmung Noskes gar nicht durchführen konnte – mit Ebert im Hintergrund – und auch meine Offiziere schützen musste, ist klar. Aber nur ganz wenige Menschen haben begriffen, warum ich nie vernommen oder unter Anklage gestellt worden bin. Ich habe als Kavalier das Verhalten der damaligen SPD damit quittiert, dass ich 50 Jahre lang das Maul gehalten habe über unsere Zusammenarbeit.“ Wie Waldemar Pabst am 30.11.1959 dem Vizepräsidenten des Verfassungsschutzes der BRD, Günther Nollau, berichtet, wurde seine Garde-Kavallerie-Schützen-Division 1919 von Hugo Stinnes finanziert.
Die Berliner Vororte und die Waffen- und Munitionsbetriebe werden von Regierungstruppen besetzt.
Polizeipräsident Eugen Ernst (SPD), der Nachfolger des abgesetzten Emil Eichhorn (USPD), erklärte nach den Januarkämpfen einem Vertreter der italienischen „Avanti!“: „Wir haben Spartakus zum früheren Losschlagen gezwungen. Sie mußten angreifen, ehe sie wollten, und wir waren deshalb in der Lage, ihnen zu begegnen.“
Vom 15. bis 16. Januar wird in Hanau ein konterrevolutionärer Putsch von bewaffneten Arbeitern unterdrückt.
16. Januar Am Morgen meldet der sozialdemokratische „Vorwärts“ die Verhaftung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, als einziges Blatt. Die Mittagsblätter dann: „Liebknecht auf der Flucht erschossen!“, „Rosa Luxemburg von der Menge getötet!“
Die USPD-Zeitung „Freiheit“ widerlegt durch Zeugen die Behauptung, dass Karl Liebknecht auf der Flucht erschossen worden sei. Die Leitung der USPD und ihr Zentralausschuss von Groß-Berlin rufen zum Proteststreik auf: „Arbeiter! Arbeiterinnen! Das, was man heute den Spartakisten und den Unabhängigen antut, kann morgen euer Los sein. Auch ihr Arbeiter, die ihr euch zu der Partei der Rechtssozialisten zählt, seid der Reaktion und der Militärkaste verdächtig. Der Haß des Bürgertums und der Reaktion wird sich genauso gegen euch, eure Organisationen wie gegen die Arbeiterschaft im allgemeinen wenden … Fort mit der Regierung Ebert-Scheidemann.“ In den Borussia-Sälen findet eine Kundgebung anlässlich der Ermordung Liebknechts und Luxemburgs statt. In den folgenden Tagen kommt es zu Massenstreiks und Demonstrationen in ganz Deutschland gegen die Ermordung Karl Liebknechts und Rosa Luxemburgs.
In Spandau werden vier Funktionäre der Arbeiterschaft von konterrevolutionären Soldaten verhaftet und im Tegeler Forst „auf der Flucht“ erschossen.
Der „Vorwärts“-Redakteur Erich Kuttner dankt in einer Rede den Mitgliedern der inzwischen vom „Sozialdemokratischen Helferdienst“ zum „Regiment Reichstag“ umbenannten Formation am Standort Reichstag für deren Engagement. Dieses Regiment hatte Büros der USPD, die Vertretung der sowjetrussischen „Rosta“, das Büro des Roten Soldatenbundes, die russische Botschaft und Privatwohnungen von Spartakisten gestürmt. Das „Regiment Reichstag“ und dessen Mitteilungsblatt „Volkswehr“, herausgegeben vom Schwiegersohn Philipp Scheidemanns, Fritz Henck, werden von den Unternehmern Georg und Heinrich Sklarz finanziert. Erich Kuttner ist zusammen mit dem Gewerkschaftsangestellten Albert Baumeister (Herausgeber der „Internationalen Korrespondenz“) der Gründer des bewaffneten „Sozialdemokratischen Helferdienstes“.
Die preußische Regierung gibt einen Erlass heraus, der die von verschiedenen Arbeiterräten angeordnete „Offenlegung der Steuerlisten“ (eine alte demokratische Forderung zur Verhinderung von Steuerhinterziehungen) verbietet.
Erneuerung der Bekanntmachung des Reichsernährungsamtes vom 22. November 1918, die die Bildung von Bauern- und Landarbeiterräten im Reichsgebiet anregt. Die Räte, in denen auch Gutsbesitzer, ländliche Handwerker und auf dem Lande lebende Kaufleute und Beamte Mitglied sein sollen, bilden korporative Zusammenschlüsse der ländlichen Gesellschaft gegen die sich auf dem Lande formierenden Arbeiter- und Soldatenräte, die seitens der Gutsbesitzer als ernste Gefahr angesehen werden.
Austritt der USPD aus der sächsischen Regierung.
Offiziere im Bund mit einem Teil der Kommunalangestellten versuchen in Cuxhaven die Machtorgane des Arbeiter- und Soldatenrates zu beseitigen. Die Sabotage der Kommunalangestellten kann durch den Rat nur eingedämmt werden.
In der „Bremer Bürger-Zeitung“ veröffentlicht der Rat der Volkskommissare seine Geschäftsverteilungsstruktur nebst Anschriften und Telefonnummern. Die Räteregierung beginnt sofort soziale und kommunalpolitische Aufgaben zu lösen. Die Einkommen der Arbeiter, Angestellten, Lehrlinge und Beamten werden erhöht, auch die Unterstützung für Kriegsbeschädigte und Arbeitslose. Es werden neue Arbeitsplätze geschaffen, die knappen Lebensmittel gerechter verteilt und Wohnraum beschafft. Volkskommissar Hermann Böse und Beirat Heinrich Eildermann (beide KPD) beginnen mit einem Teil der Lehrerschaft die bereits am 7. Januar vom Arbeiter- und Soldatenrat erlassene Verordnung umzusetzen, die es untersagt, in Schulen Krieg und Hohenzollern zu verherrlichen, dort Religionsunterricht und Morgenandachten durchzuführen und die die Wiedereinstellung wegen ihrer Antikriegshaltung gemaßregelter Lehrer anordnet. Ziel ist die Beseitigung einer Stütze des alten politischen Systems mit seinem politischen und religiösen Gesinnungsunterricht zu Gunsten eines weltlichen, wissenschaftlichen und in der Praxis nutzbaren Unterrichts.
Der bayerische Ministerpräsident Kurt Eisner beauftragt seinen Gesandten in Berlin, der Regierung mitzuteilen, dass ein gewisser Fritz Drach, der die Besetzung der Zeitungsverlage Mosse, Ullstein, Scherl und WTB geleitet hatte, ein Spion Ludendorffs und nicht Mitglied des Spartakusbundes ist.
17. Januar Regierungsseitiges Verbot der „Roten Fahne“, des Zentralorgans der KPD, das bis zum 2. Februar andauert. Ihre Redaktionsräume sind von Regierungstruppen verwüstet und besetzt, wie auch das Büro der USPD Groß-Berlins.
Die Rätevollversammlung ehrt das Andenken der in den Januarkämpfen gefallenen Revolutionäre.
In Berlin verhandelt eine Delegation der Neunerkommission für die Vorbereitung der Sozialisierung der Bergwerke des Ruhrgebiets mit der Volksbeauftragten-Regierung, die ihrerseits Mitglieder der Sozialisierungskommission und Vertreter des Zechenkapitals beizieht. Die Regierung sucht mit den Verhandlungen für das Ruhrgebiet den ungestörten Verlauf der Wahlen am 19. Januar zu sichern. Statt konkreter Vereinbarungen bekennt sie sich in allgemeiner Form zur „gesetzlichen Regelung einer umfassenden Beeinflussung des gesamten Kohlebergbaus durch das Reich“ und zur „Festlegung der Beteiligung der Volksgesamtheit an den Erträgen – Sozialisierung.“ Es werden drei Regierungskommissare für den Kohlebergbau eingesetzt: Otto Hué (SPD) vom Bergarbeiterverband, der Geheime Bergrat Bergwerksdirektor Arnold Röhrig und der Generaldirektor der Deutsch-Luxemburgischen Bergwerks- und Hütten-AG Albert Vögler. Wahlen für Räte in Zechen, Bergrevieren usw. lehnt die Volksbeauftragten-Regierung ab und ordnet die Wahl von Arbeiterausschüssen an.
Die Sicherheitswehr von Gladbeck verlegt Demonstranten der Bergleutebewegung den Weg. (Drei Tote, vier Verwundete unter den Demonstranten.)
18. Januar Beginn der Friedenskonferenz in Versailles. Die Vierzehn Punkte der Forderungsliste des US-Präsidenten Wilson stehen nicht mehr auf der Tagesordnung. Die imperialistischen Siegermächte versuchen ihre jeweiligen eigenen Positionen zu stärken. Frankreich fordert, Deutschland politisch, territorial und wirtschaftlich zu schwächen, vor allem fordert es die Übergabe aller linksrheinischen Gebiete. Mit den großen Kohlebecken des Saargebiets für die elsass-lothringische Schwerindustrie wäre Frankreich wirtschaftlicher Hegemon in Europa. Dagegen wendet sich Großbritannien, unterstützt von den USA.
Die „Freiheit“ berichtet in ihrer Abendausgabe unter dem Titel „Auf den Spuren eines Spitzels“: „Der Spitzel Ludendorffs, Drach, war sicherlich nicht der einzige, der sich an der blutigen Forcierung der Ereignisse beteiligte. Aber die Rolle, die er in der von vornherein verfehlt angelegten Aktion im Zeitungsviertel spielte, beleuchtet blitzhell die ganze Situation. Es lag im Interesse der heimlich wirkenden Kräfte der Gegenrevolution, den Machtkampf in Berlin möglichst schnell zum Ausbruch zu bringen, ihn zu verschärfen und auf ein Gleis zu schieben, das den rechtssozialistischen Zuhältern der Reaktion die Möglichkeit gab, einen vernichtenden Schlag gegen die revolutionären Arbeiter und Soldaten zu führen.“
Am 18. Januar beginnt ein Bergarbeiterstreik im rheinisch-westfälischen Industriegebiet, der bis zum 22. Januar anhält.
19. Januar Berlin ist in Sicherheitszonen aufgeteilt. Die Wahlen zur verfassunggebenden Nationalversammlung finden unter Aufsicht durch Freikorps und Regierungstruppen und mit nie dagewesener Propaganda statt. Die Ebert-Scheidemann Regierung untersagt den Arbeiter- und Soldatenräten die Nutzung von Staats- und Gemeindegeldern für die Wahlagitation. Für die SPD lässt die Regierung vor der Wahl massenhaft Flugblätter und Schriften drucken, allein für Berlin 30 Millionen. Die großbürgerliche „Tägliche Rundschau“ ruft bürgerliche Parteien auf, sich von der Vormundschaft der SPD zu befreien. Der „Berliner Lokalanzeiger“ motiviert seine Leser: „… nicht die jetzige Regierung (hat) mit den Spartakusleuten aufgeräumt, (sondern die) braven Potsdamer Jäger.“ Der Reichsbürgerrat hatte bereits am 5. Januar in Berlin empfohlen, Listenverbindungen gegen die SPD einzugehen. Bei den Wahllokalen dann Panzerwagen, Geschütze und Maschinengewehre. SPD und bürgerliche Parteien organisieren Wählerabholdienste, Deutsche Bank, Disconto-Gesellschaft, Dresdner und Darmstädter Bank hatten mit zusätzlichen 30 Mio. Reichsmark Wahlpropaganda finanziert; das USPD-Wahlbüro in der Schicklerstraße war am Vorabend durch Freikorps verwüstet worden. Die SPD verspricht ihren Wählern die „freieste republikanische Verfassung, einen gerechten Frieden, Schutz gegen neue Ausbeutung und Unterdrückung der geistig und körperlich Schaffenden durch den Kapitalismus, höchste Freiheit und vollkommenste Ordnung für alle“. Im Ergebnis erreicht die SPD keine absolute Mehrheit und geht eine Koalition mit der Deutschen Zentrumspartei und der Deutschen Demokratischen Partei ein. Das Wahlergebnis macht deutlich, dass die überwiegende Mehrheit der Arbeiter der SPD folgt. Wahlergebnisse: (Stimmen in Millionen, Mandate in Klammern): die revanchistische, monarchistisch-militaristische Deutschnationale Volkspartei (DNVP) 3,1215 (44), als Vertreterin des deutschen politischen Katholizismus die Deutsche Zentrumspartei (Zentrum) 5,9802 (91), die alte Nationalliberale Partei, die nun die betont schwerindustrielle Deutsche Volkspartei bildet (DVP) 1,3456 (19), die frühere Fortschrittspartei, jetzt mit einem Teil der Nationalliberalen als Deutsche Demokratische Partei angetreten (DDP) 5,6418 (75), die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) 11,5091 (165), die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD) 2,3173 (22). Die KPD ist nicht beteiligt, da die Mehrheit des Gründungsparteitages der KPD die Beteiligung an den Wahlen gegen den Rat Karl Liebknechts, Rosa Luxemburgs, Wilhelm Piecks und anderer abgelehnt hatte. 7 Mitglieder kleinerer Parteien schließen sich keiner Fraktion an.
Inkrafttreten der Regierungs-„Verordnung über die vorläufige Regelung der Kommandogewalt und Stellung der Soldatenräte im Friedensheere“. Die Verordnung ignoriert den Beschluss des Rätekongresses. Die Ebert-Scheidemann Regierung nimmt den Soldatenräten damit die Macht und überträgt die Kommandogewalt dem preußischen Kriegsminister, dem ein Unterstaatssekretär gegenzeichnungspflichtig beigeordnet wird. Soldatenräte haben dessen Anordnungen Folge zu leisten. Dem Kriegsminister unterstehen auch die gemeinsamen Kontingente der Länder des Reiches. Die oberste Kommandogewalt hat der Rat der Volksbeauftragten, d. h. die Ebert-Scheidemann Regierung. Aufgabe der Soldatenräte: Überwachung der Vorgesetzten, damit sie „ihre Dienstgewalt nicht zu Handlungen gegen die bestehende Regierung mißbrauchen“. Ferner regelt die Verordnung die Grußpflicht und das Tragen von Rangabzeichen und Waffen. In den folgenden Wochen kommt es zu zahlreichen Demonstrationen und Protesten der Soldatenräte gegen die Verordnung.
Große Protestkundgebungen in Moskau und anderen Städten der Sowjetunion nach den Berliner Januarkämpfen und der Ermordung Karl Liebknechts und Rosa Luxemburgs aus Solidarität mit den deutschen Proletariern.
20. Januar In Essen findet eine weitere Konferenz der Arbeiter- und Soldatenräte und der Gewerkschaften des Ruhrgebiets statt. Ausgewertet werden die unbefriedigenden Ergebnisse der Berliner Verhandlungen vom 17. Januar und beschlossen wird eine Resolution: „Die Konferenz hält fest an dem Sozialisierungsbeschluß vom 13. Januar 1919. Die auf Vorschlag der drei sozialistischen Parteien eingesetzte Neunerkommission bleibt bestehen … Das in der Konferenz vom 13.1.1919 beschlossene Rätesystem bleibt als Grundlage der Sozialisierung bestehen.“ Die Wahlen zu den Räten sollen, so sie noch nicht stattgefunden haben, bis zum 1. Februar erfolgen. In der Folge gibt es in allen Zechen Konflikte um die Durchsetzung der Räte. Die Wahlen der Steigerrevier- und Zechenräte haben als Besonderheit, dass entsprechend der Forderung der Arbeiterschaft in ihnen auch die technischen und kaufmännischen Beamten vertreten sein sollen. Steiger sind die Verbindung zwischen Zechenverwaltung und Arbeiterschaft und die Kenntnis der Beamten ist unverzichtbar bei der Überführung in Gemeineigentum. Die Förderung steigt in den Gruben erheblich an, wo Zechenverwaltungen die Rätewahlen nicht zu verhindern vermochten. Insgesamt jedoch nimmt die Sabotage der kapitalistischen Kohleeigner spürbar zu (Zurückhaltung von Transportkapazität, Verhinderung der Lieferung von Grubenholz, Sprengstoff usw., Verweigerung von Gehaltszahlung an Beamte in Zechen, die sich für gemeinsame Räte aufstellen lassen …, von Gewerkschaften bzw. Unternehmern organisierte Arbeiter- und Angestelltenausschüsse alternativ zu den Räten).
Die Eisenbahner von Halle treten in den Ausstand. Die Arbeiter der Eisenbahnwerkstätten schließen sich an.
21. Januar Eugen Leviné warnt auf der Konferenz der nordwestdeutschen Organisationen der KPD in Braunschweig vor lokalen Machtergreifungen.
22. Januar Die Neunerkommission der Bergarbeiter hat den Versuch der Kontrolle des Kohlensyndikats aufgegeben und ihr Büro beim Bergbaulichen Verein geräumt.
Zusammenstöße mit Arbeitslosen und Verhängung des Belagerungszustandes in Hamburg.
23. Januar Major Joachim von Stülpnagel, Chef der Operationsabteilung der Obersten Heeresleitung, legt in deren Auftrag eine Studie für den Überfall auf Sowjetrussland vor. Stülpnagel ist zuständig für den Grenzschutz Ost. Reichsregierung und Generalstab ignorieren die Forderung aus den Waffenstillstandsbedingungen, besetzte Gebiete zu räumen. Immer mehr Freikorps werden im Baltikum zusammengezogen. Deutsche Großbanken hatten in das zaristische Russland Kapital investiert, das mit dem Krieg eingefroren wurde, und Firmen wie AEG und Siemens haben dort riesige Besitztümer. Stülpnagels Operationspläne sehen für den Überfall eine militärische Zusammenarbeit mit der Entente unter US-amerikanischem Oberkommando vor. Ziel ist der Sturz der Sowjetmacht und Einsetzung einer passenden Regierung. Vorgesehen ist auch die Übernahme der baltischen Länder in das Deutsche Reich.
24. Januar Karl Radek, von den Bolschewiki Sowjetrusslands zur Sondierung der revolutionären Lage und Einflussnahme nach Deutschland abgeordnet, schreibt über die Gegebenheiten der Januarkämpfe an Lenin, Tschitscherin und Swerdlow: „Die Berliner Niederlage wirft ein helles Licht auf das Kräfteverhältnis und auf die Lage der Kommunistischen Partei. … Im gesamten Reich wächst die revolutionäre Arbeiterbewegung. Überall geht die Arbeitsproduktivität zurück. Überall kommt es zu spontanen Streiks, die am weitesten zurückgebliebenen Gebiete Deutschlands wie Oberschlesien und das Rheinland mit Westfalen wurden faktisch zu Zentren des Kampfes. In den Städten fehlt es an Kohle. Die Lebensmittelreserven werden ziellos vergeudet, im März wird die Regierung vor dem Nichts stehen. Lebensmittelforderungen, die Deutschland in nächster Zukunft von der Entente erhalten soll, belaufen sich auf die Kleinigkeit von 30 Millionen Dollar, und sie werden nach Meinung der deutschen Fachleute noch nicht einmal für die Verbesserung der Lage der Kranken und Kinder reichen. Die Verschärfung der Lage wirkt sich zu unseren Gunsten aus. Leider befindet sich weder die Organisation noch die politische Führung der Kommunistischen Partei auf entsprechender Höhe ihrer Aufgabe. Weil sie sich gerade erst von den Unabhängigen getrennt hat, weist sie keine stabile Mitgliedschaft auf, ausgenommen einige Städte wie Bremen, Braunschweig und Stuttgart. Die oppositionelle Stimmung der Arbeitermassen äußert sich nirgends in einer durch die Partei organisierten Form. Deshalb können schnell vergängliche Ersatzlösungen wie die revolutionären Obleute entstehen, ein Mischmasch von Ledebour- und Spartakusanhängern, die ohne klare politische Linie an ein und demselben Tag versuchen, einen Kompromiß mit den Sozialpatrioten zu schließen und gleichzeitig die politische Macht durch einen Putsch an sich zu reißen. Das Fehlen einer eigenen Massenorganisation führte auch dazu, daß die Kommunisten, anstatt sich auf die Eroberung der Arbeiterräte zu konzentrieren, ohne jeden Plan nach jeder Möglichkeit griffen, um die erregte Stimmung der Massen für Aktionen zu nutzen. Die Aktionen verliefen ohne klares politisches Ziel, ohne Verständnis dafür, daß es unmöglich ist, die politische Macht zu erobern, ohne die Mehrheit der Arbeiter hinter sich zu haben und ohne in Gestalt der Arbeiterräte Organe des Kampfes und der Macht zu haben. In der Theorie verstehen die Führer es, sie äußern diese Ansicht in der Broschüre Was will der Spartakusbund? Aber in der Praxis war das nicht der leitende Gedanke ihrer Taktik. Das ist im Nachhinein die Grundtendenz der Berliner Ereignisse. Sie begannen mit großen Demonstrationen Hunderttausender Arbeiter, in denen sich die ganze Enttäuschung der Arbeitermassen entlud. Aber nach drei Tagen wußten die Massen nicht, was sie auf der Straße eigentlich sollten. Ich war selbst Zeuge, wie in der Redaktion der Roten Fahne alte Genossen händeringend fragten, was sie [die Spartakusführer] denn wollten. Sie wurden mit leeren Phrasen abgespeist, weil man dort selbst auch nicht wußte, was man wollte. Sie [die Spartakusführer] hörten einfach auf, zu den Demonstranten auf die Siegesallee hinauszugehen, und die Masse irrte ziellos umher, bis sie sich verlief.“
Polizei geht in Berlin gegen eine Arbeitslosendemonstration vor.
Das Dreiklassenwahlrecht in Preußen wird auch für Kommunalwahlen aufgehoben und ersetzt durch das geheime, gleiche und direkte Wahlrecht. Auch Frauen sind von nun an wahlberechtigt.
Aufruf der Kommunistischen Partei Rußlands (Bolschewiki) und anderer kommunistischer Parteien über die Einberufung des I. Kongresses der Kommunistischen Internationale.
25. Januar Riesige Trauerdemonstration zur Beisetzung Karl Liebknechts und weiterer 31 ermordeter Kämpfer in Berlin. Die Ebert-Scheidemann-Regierung versucht, die Innenstadt und den Tiergarten militärisch abzusperren. Geschütze und Maschinengewehre auf dem Potsdamer Platz. Los geht es nun von der Volksbühne am Bühlowplatz. Über 100.000 Menschen, darunter Delegationen der Arbeiter aus ganz Deutschland, nehmen den ganzen Tag über teil. In vielen Betrieben ruht die Arbeit. Die Polizei versucht vergeblich, die Menschenmenge in Nebenstraßen abzudrängen. Der amtierende königlich-preußische Magistrat von Groß-Berlin unter Oberbürgermeister Dr. Adolf Wermuth verweigert KPD und USPD die Beisetzung der 32 von 152 im Januar ermordeten Revolutionäre auf dem Friedrichshainer Friedhof der Märzgefallenen, wo auch die Opfer der Revolution von 1848 und des Überfalls auf die Volksmarinedivision im Dezember des Vorjahres bestattet liegen: Für Aufrührer sei dort kein Platz. Angewiesen wird der Friedhof Friedrichsfelde. Der ursprünglich 1881 für alle Konfessionen und soziale Schichten eröffnete kommunale Armenfriedhof Friedrichsfelde liegt zu dieser Zeit vor den Toren der Stadt im brandenburgischen Kreis Niederbarnim. Seinen Charakter zu ändern begonnen hatte er, als 1900 der sozialdemokratische Parteiführer und Reichstagsabgeordnete Wilhelm Liebknecht, mit Marx und Engels noch persönlich befreundet, und später weitere prominente Sozialdemokraten hier ihre Beisetzung bestimmten. Die Friedhofsverwaltung teilt den Revolutionären jedoch das in der hintersten Ecke gelegene Grabfeld, die damals sogenannte Verbrecherecke zu. Für Rosa Luxemburg wird in dem Massengrab ein leerer Sarg beerdigt. Der Maler Lovis Corinth schuf eine eindrucksvolle Grafik und Käthe Kollwitz Gedenkblätter, die Liebknecht und den Abschied der Arbeiterschaft darstellen.
Die Weimarer Regierung Ebert-Scheidemann beschließt die Reichsexekution gegen die Bremer Räterepublik. Mit dem innenpolitischen Mittel der Reichsexekution soll im Gliedstaat Bremen im Namen des Staatenbundes ein Regierungswechsel erzwungen werden. Auf Weisung des Oberkommandierenden Gustav Noske (SPD) befiehlt Generalleutnant Walther von Lüttwitz der Freikorps-Division des Oberst Wilhelm Gerstenberg die Einnahme und Besetzung Bremens, was der Räteregierung nach Abschluss der militärischen Vorbereitungen am 30. Januar offiziell zur Kenntnis gegeben wird. Vorausgegangen waren dem Entschluss der Reichsexekution streng geheime Besprechungen von Vertretern politisch und wirtschaftlich interessierter Kreise Bremens mit Friedrich Ebert und Gustav Noske. Noch am 23. Januar hatte der reichste Bremer Großkaufmann, Ludwig Roselius (Firma Kaffee Hag), vorgesprochen.
26. Januar Landtagswahl in Preußen (SPD 145, USPD 24, Zentrum 85, DDP 65, DNVP 48, DVP 24, Sonstige 10 Sitze).
Landtagswahl in Hessen (SPD 31, USPD 1, DDP 13, Zentrum 13, DVP 7, Hessische Volkspartei 5 Sitze).
Landtagswahl in Mecklenburg (SPD 32, DDP 17, DVP 2, DNVP 10, Mittelstandspartei 1, Dorfbund 2 Sitze).
Landtagswahl in Sachsen-Altenburg (SPD 24, DDP 11, DNVP 5 Sitze).
Landtagswahl in Lippe (SPD 11, DDP 4, DNVP 5 Sitze, Wahlverband 1 Sitz).
27. Januar Nach einigen Differenzierungen im Wilhelmshavener unabhängigen 21er Rat war von diesem am 11. Januar das nationalliberale „Wilhelmshavener Tageblatt“ beschlagnahmt und die Zeitung „Die Tat“ gegründet worden. Auf die Zeitungsbesetzung hin erfolgte eine Aktion von Marineoffizieren und Berufssoldaten mit dem Ergebnis, dass beide Zeitungen freigegeben und zwei dieser Berufssoldaten in den Rat aufgenommen wurden. Die nächsten Tage folgten daraufhin Demonstrationen und Kundgebungen der Bürgerschaft nebst Gegendemonstrationen und am 27. Januar dann besetzen Arbeiter und Matrosen den Bahnhof und alle öffentlichen Gebäude in Wilhelmshaven. In der Nacht vom 27. zum 28. Januar wird das Hauptquartier der Arbeiter und Soldaten von Berufssoldaten, einer Offizierstruppe unter Leitung des Kapitän Erhardt, mit dem Feuer aus Bootskanonen, Gasgranaten und Maschinengewehren belegt. Am Morgen des 28. Januar ergeben sich Hunderte der Belagerten (8 Tote und 46 Verletzte).
Die Konferenz des Deutschen evangelischen Kirchenausschusses und des Arbeitsausschusses der Konferenz Deutsch-Evangelischer Arbeitsorganisationen erklärt am 27. und 28.01.1919 in Kassel den 1903 gebildeten und durch Kaiserlichen Erlass als Körperschaft des öffentlichen Rechts legitimierten Kirchenausschuss zur federführenden Institution für die Neugestaltung des deutschen Protestantismus. Damit wird das traditionelle Gefüge der Landeskirchen von revolutionären Nachkriegserschütterungen unbeeinflusst erhalten.
Die Vertrauensmänner der Bergarbeiter in Halle hatten am 20. Januar einen Bezirksbergarbeiterrat gewählt, der am 27. Januar beschließt, in allen selbständigen Bergwerksbetrieben Betriebsräte und durch diese Bergrevierräte und daraus dann den Oberbergamtsbezirksrat zu wählen. Letzterer soll den Bezirksarbeiterrat ablösen.
28. Januar In Wilhelmshaven erleiden die Arbeiter im Kampf um die Tausendmann-Kaserne gegen das Freikorps Erhardt eine Niederlage.
29. Januar Franz Mehring, Gründungsmitglied der Spartakusgruppe und der KPD gestorben. Mehring hatte als Politiker und marxistischer Historiker erheblichen Einfluss auf die Profilierung der Partei gegen Militarismus, Junkertum und Kapitalismus.
Die vom Volksbeauftragten für Heer und Marine, Gustav Noske (SPD) am 27. Januar gegen Bremen ins Feld geschickte Freikorps-Division Gerstenberg trifft unter Führung von Oberst Wilhelm Gerstenberg in Bremen ein. Gemeinsam mit der Marinebrigade Roden und dem Freikorps Caspari sollen sie die Arbeiter entwaffnen und geordnete Zustände herstellen. Der Bremer Rat der Volksbeauftragten bemüht sich, den Einmarsch der Freikorps auf dem Verhandlungswege zu verhindern. Die Volksbeauftragten Bremens sind bereit zurückzutreten. Die Arbeiterschaft will alle Waffen und Munition an den Korpssoldatenrat des 9. Armeekorps abgeben. Bürgen dafür werden benannt. Ein mit der Division Gerstenberg getroffenes Abkommen wird der Volksbeauftragten-Reichsregierung überbracht, die jedoch neben der Einsetzung einer Regierung entsprechend der Stimmverhältnisse der Bremer Wahl vom 19. Januar vor allem die Übergabe der Waffen an das Freikorps Gerstenberg fordert, nicht - wie im Konsens mit den SPD-Genossen Bremens und Hamburgs vorgeschlagen - an die Hamburger Truppen. Die Bremer Volksbeauftragen lehnen es ab, die Arbeiterwaffen an das Freikorps abzugeben, und ein Teil der Bremer Arbeiter und Soldaten nimmt den Kampf gegen die mit Kriegswaffen ausgerüsteten Regierungstruppen auf.
Bis zum 30. Januar tagt in Halle eine Konferenz der Arbeiter- und Soldatenräte des Regierungsbezirks Merseburg. Hauptreferent Wilhelm Koenen (USPD): „Wir haben hier zu entscheiden, ob wir damit zufrieden sind, daß die Revolution jetzt bereits am Ende angelangt ist oder ob sie fortgeschrieben werden soll bis zu ihrem wirklichen Ende.“ Im Mittelpunkt der Beratungen stehen die Aufgaben der Arbeiter- und Soldatenräte sowie der Betriebsräte und die Sozialisierung der Großindustrie. Beschlossen wird, „… daß dem Bezirksarbeiter- und Soldatenrat alle verfügende und ausführende Gewalt für den Regierungsbezirk Magdeburg zusteht.“ Die Aufrechterhaltung der Produktion sichern für eine Übergangszeit die Betriebsräte. Sie haben in den Großbetrieben den entscheidenden Einfluss auf Produktions-, Lohn- und Arbeitsverhältnisse auszuüben. Bestrebungen zur Beseitigung der Räte sind mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu verhindern. Es folgen umgehend die Wahlen zu den Betriebsräten in den Leunawerken, im Mansfelder Kupferschieferbergbau, unter den Eisenbahnern in Halle, im Bornaer Braunkohlenrevier und die Kontrolle der Betriebe; teilweise werden die Forderungen mit Streiks durchgesetzt.
30. Januar In Berlin veröffentlicht das USPD-Organ „Freiheit“ die neue Bezirkseinteilung der KPD für Berlin und gibt die Lokale bekannt, wo Mitglieder aufgenommen werden. „Die Rote Fahne“ ist zu diesem Zeitpunkt verboten. Die Zentrale der KPD arbeitet im Büro der Firma Fidus-Reklame in der Zimmerstraße unter Leitung von Wilhelm Pieck und Leo Jogiches. Abgerissene Kontakte werden wieder aufgenommen und Familien der Inhaftierten betreut.
31. Januar Der Landessoldatenrat in Bayern tritt gegen Gustav Noske (SPD) und gegen die Werbung für Grenzschutzformationen auf.
Vollversammlung der Groß-Berliner Arbeiter- und Soldatenräte mit über 2.000 Teilnehmern in der Philharmonie sowie der kommunalen Arbeiter- und Soldatenräte. In einem „Aufruf an die Arbeiter- und Soldatenräte Deutschlands“ wird eingeschätzt: „Den A.- und S.-Räten drohen aber nach dreimonatlichem Bestehen schwere Gefahren. Die Bürokratie des alten Regimes stellt ihren passiven und aktiven Widerstand entgegen. Das kapitalistische Unternehmertum versagt mehr und mehr den A.- und S.-Räten die Anerkennung. Die Soldatenräte sollen durch Regierungsverfügungen und infolge der wiedererwachten Anmaßung des Offizierskorps um die ihnen vom ersten Rätekongreß zugesprochene Kommandogewalt gebracht und zur Bedeutungslosigkeit herabgedrückt werden. Vor allem droht aber den A.- und S.-Räten aus der Nationalversammlung eine ernste Gefahr. Diese gesetzgebende Körperschaft hat eine starke, rätefeindliche Mehrheit. Es ist zu erwarten, daß diese Mehrheit ihre Macht dazu mißbrauchen wird, die A.- und S.-Räte völlig zu beseitigen.“ Beschlossen wird, die Einberufung eines Reichsrätekongresses noch im Februar zu verlangen, um auf den vorliegenden Entwurf des neuen Staatsverfassungsgesetzes, in dem die Räte überhaupt nicht erwähnt sind, Einfluss zu nehmen. Sonst: „Die Verfassung des neuen Deutschland wäre auf einer bürgerlich-demokratischen Grundlage, ohne jeden proletarischen Einschlag, aufgebaut.“
1. Februar Noske fordert ultimativ die „Wiederherstellung der Ordnung“ in Bremen. Der Arbeiterrat Hamburgs erklärt sich mit Bremen solidarisch.
2. Februar Im Berliner Lehrervereinshaus findet eine Gedächtnisfeier der KPD für Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg statt. Die Gedenkrede hält Paul Levi.
Ruhrarbeiter drohen mit Sympathiestreik für Bremen.
Generalmajor Georg Maercker besetzt mit seinen Freikorps Weimar und in den folgenden Tagen andere Orte Thüringens, um den Zusammentritt der Nationalversammlung in Weimar zu sichern. In Gotha, Eisenach und anderen Orten kurzfristige Generalstreiks gegen die Besetzung.
Landtagswahl in Sachsen (SPD 42, USPD 15, DDP 22, DNVP 13, DVP 4 Sitze).
3. Februar Ein Versuch revolutionärer Arbeiter Hamburgs, Bremen bewaffnete Hilfe zu leisten, scheitert an der Sabotage leitender Eisenbahnbeamter.
„Die Rote Fahne“ erscheint wieder in Berlin und beginnt unter anderem mit einer Enthüllungskampagne gegen die Mörder Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts.
Vom 3. – 10. Februar findet in Bern die Konferenz der II. Internationale der sozialdemokratischen Parteien und Organisationen statt.
4. Februar Der Zentralrat der Arbeiter- und Soldatenräte („Zentralrat der deutschen sozialistischen Republik“) tritt das Recht der Kontrolle der Regierung an die Nationalversammlung ab und entspricht damit Beschlüssen des ersten Reichsrätekongresses vom 16. – 21.12.1918. Ein großer Teil der Arbeiter- und Soldatenräte in Deutschland akzeptiert das nicht und setzt den Versuchen der Reichsregierung, sie aufzulösen, entschieden Widerstand entgegen. Sie können sich dabei auf die feste Verankerung des Rätegedankens in der Arbeiterbewegung stützen.
Bremen wird nach heftigen Kämpfen, die um 10 Uhr beginnen, durch die Freikorps-Division Oberst Wilhelm Gerstenbergs mit Unterstützung von 600 Mann des örtlichen Freikorps Major Walter Caspari am 4. Februar erobert, die Bremer sozialistische Republik zerschlagen. Die Truppen waren von Vertretern der Bremer Wirtschaft bei der Ebert-Scheidemann-Regierung gegen die Revolution erbeten worden. Den Befehl zur Niederschlagung der Räterepublik hatte Gustav Noske (SPD) erteilt. Der siegreiche Oberst Wilhelm Gerstenberg setzt als provisorische Regierung die prominentesten SPD-Vertreter der vormaligen Bremer Bürgerschaft, Hermann Rhein, Karl Deichmann, Wilhelm Dammer, Johann Wellmann und Carl Winkelmann ein, die den Belagerungszustand über die Stadt und das Land Bremen verhängen, die Räteorgane für aufgelöst erklären und die kommunistische Tageszeitung verbieten. Die Ablehnung der Verhandlungsangebote von Vertretern der SPD und USPD Bremens sowie einiger wichtiger Räte im Armeekorpsbereich mit weitgehenden Zugeständnissen waren von der Ebert-Scheidemann Regierung im Interesse der Beseitigung der Rätemacht und der Entwaffnung der Arbeiter bis zum Vortag ultimativ beantwortet bzw. abgelehnt worden. Die Kämpfer der Räterepublik ziehen sich gegen 22 Uhr kämpfend zurück, nachdem klar ist, dass von den umliegenden Orten keine Unterstützung zu erwarten und infolge nicht ausreichender Bewaffnung die Stadt gegen Panzerfahrzeuge und Artillerie nicht zu halten ist. An der Seite der Bremer kämpfen auch etwa 250 Matrosen aus Cuxhaven. Oberst Gerstenberg übernimmt in Bremen den Oberbefehl; es folgen Hausdurchsuchungen und Verhaftungen.
In Berlin wird aus dem Centralverband Deutscher Industrieller und dem Bund der Industriellen der Reichsverband der Deutschen Industrie gegründet. Die darin vereinten Großunternehmer beginnen sich in den neuen Verhältnissen einzurichten und wie in der Kaiserzeit konservative und liberale Parteien zu finanzieren; auch in den völkischen Untergrund wird insbesondere durch Hugo Stinnes investiert. General Erich Ludendorff als Koordinator der Konterrevolution erhält in diesem Jahr von ihm 1,5 Mio. Reichsmark. Ludendorff, der es "für die größte Dummheit der Revolutionäre" hielt, "uns alle leben" zu lassen, meint, sollte er jemals "wieder zur Macht" kommen, gäbe es "keinen Pardon: Mit ruhigem Gewissen würde ich Ebert, Scheidemann und Genossen aufknüpfen lassen und baumeln sehen". Der Kapp-Lüttwitz-Ludendorff-Putsch 1920 schlägt jedoch fehl.
In den Tagen vom 4. bis 6. Februar protestiert die Reichskonferenz der Soldatenräte aller Armeekorps in Berlin gegen die Verordnung vom 19. Januar über die Kommandogewalt und beschließt, einen Reichssoldatenrat zu bilden. Sie fordert die Zurückziehung der gegen Bremen gesandten Division Gerstenberg und den sofortigen Rücktritt des Oberbefehlshabers Gustav Noske (SPD).
5. Februar Demonstrierende Kieler Arbeiter suchen sich in Solidarität mit den Bremer Arbeiterkämpfern zu bewaffnen. Die Sicherheitstruppen des Gouverneurs Garbe (SPD) schießen die Demonstrationszüge auseinander; unter den Demonstranten 8 Tote.
Besetzung der Weser-Werft durch Gerstenberg-Freikorpstruppen.
In Berlin stellt Dr. Robert Weismann, Staatsanwalt beim Landgericht I, Abt. 67, erster Staatsanwalt und Oberstaatsanwalt sowie Leiter der Politischen Abteilung der Staatsanwaltschaft I Berlin, personengebundene Autorisierungen für die Spartakistenverfolgung aus, wofür er durch die Regierung beauftragt sei. Dr. Weismann ist als Staatsanwaltsrat juristischer Berater des Stadtkommandanten Leutnant Anton Fischer, des Stellvertreters des Oberbefehlshabers Gustav Noske (SPD) für Berlin. So bescheinigt er am 5. Februar Herrn Karl Gürgen (Jürgens), die Berechtigung zu haben, „vorläufige Festnahmen von Spartakisten und sonstigen verdächtigen Personen vorzunehmen und zu veranlassen.“ Die Aufträge erhält der Spitzel Gürgen von einem Dr. Gärtner (Klarname: Gerhardt) von der „Politisch-Parlamentarischen Nachrichtenstelle der Regierung“ mit Büro im Gebäude des Großen Generalstabes. Neben Gürgen auch im Dienst der politischen Abteilung der Staatsanwaltschaft die Spitzel: Thießenhausen, Prinz, Tamschik, Roland.
In Wismar wird am 5. und 6. Februar ein Offiziersputsch durch revolutionäre Arbeiter und Soldaten niedergeschlagen.
Hamburger Arbeiter bewaffnen sich gegen den erwarteten Angriff der Division Gerstenberg.
6. Februar Konstituierende Sitzung der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung in Weimar. Friedrich Ebert eröffnet die Versammlung: Deutschland ist auf dem Wege, „der Welt noch einmal sozialistisch voranzuschreiten“. Weimar war von den Militärs des Kriegsministeriums als Ort vorgeschlagen worden, in dem Großdemonstrationen gegen die Regierung und revolutionäre Bedrängnis wie durch die Berliner Arbeitermassen für die Regierung nicht zu erwarten seien. Dresden war geprüft worden, aber das sächsische Proletariat war nicht weniger revolutionär gesinnt. Bremen mit seiner Räterepublik scheidet völlig aus, in Rheinland-Westfalen laufen flächendeckende Streiks für die Sozialisierung wie auch in Oberschlesien, und Bayern fällt aus, weil starke gesellschaftliche Strömungen auf Austritt aus dem Reichsverband orientieren. Weimar liegt abseits der Hauptzentren revolutionärer Bewegung. Philipp Scheidemann in der Kabinettssitzung am 14. Januar: „Gewiß würde man Berlin militärisch genügend schützen können, was aber Berlin ganz unmöglich als Tagungsort für die Nationalversammlung macht, ist der Umstand, daß man in Berlin jeden Tag Hunderttausende von Menschen auf die Beine bringen kann, die sich wie Mauern um die Gebäude lagern. Dagegen schützen alle militärischen Machtmittel gar nichts. Man kann auf diese Menschenmassen nicht einfach schießen. Wir haben es ja bei dem Rätekongreß erlebt, wie sich trotz aller Absperrungsmaßregeln und aller Beschlüsse plötzlich die Saaltüren öffneten und die Menschen, die nun doch einmal da waren, hineinströmten. Das würde sich todsicher auch bei der Nationalversammlung ereignen. Deshalb kann die Nationalversammlung nicht in Berlin tagen. Das ist auch plausibel; man kann das aber öffentlich nicht aussprechen. Da kommt der Einspruch der süddeutschen Staaten sehr gelegen. Weimar ist ein sehr guter Ausweg, die Stadt Goethes ist ein gutes Symbol für die junge deutsche Republik.“ Die Stadt und ihre Umgebung wird von Freikorpstruppen des Generalmajors Georg Maercker in einer Stärke von 7.000 Mann militärisch gesichert. Zusätzlich wird eine Beschränkung des Aufenthalts in Weimar während der Tagungsdauer der Nationalversammlung verordnet. Maerckers Vorauskommando war am 31. Januar beim Quartiermachen durch den Soldatenrat des in Weimar stationierten Infanterie-Regiments 94 noch entwaffnet, Offiziere verhaftet worden, aber militärische Vertrauensleute des Oberkommandierenden Gustav Noske (SPD) befriedeten den Zwischenfall.
Generalstreik in Kiel als Protest gegen die Ermordung von Demonstranten am Vortag in der Stadt.
In Essen eine weitere Konferenz der Arbeiter- und Soldatenräte des Ruhrgebiets: Beschlossen wird einstimmig der Generalstreik zum 15. Februar, wenn die Reichs-Regierung die Neunerkommission, bestehend aus Vertretern der SPD, USPD, KPD, nicht anerkennt. An Stelle des Landrichters Reuben (SPD) als Sozialisierungs-Volkskommissar wird der Wirtschaftswissenschaftler Julian Marchlewski-Karski (KPD) als Beirat der Neunerkommission gewählt. Aus aktuellem Anlass protestiert die Konferenz gegen die erneute Zusammenziehung von Truppen zum Industriegebiet, worin eine Gefährdung der öffentlichen Ruhe und Ordnung gesehen wird. Die Reichsregierung lehnt die Anerkennung der Zechenräte ab. Als Zeit gewinnendes Zugeständnis: Die Neunerkommission soll vorläufig bestehen bleiben. (Die Neunerkommission hatte bereits am 22. Januar ihren beschlossenen Versuch der Kontrolle über das Kohlesyndikat aufgegeben und ihr Büro im Bergbaulichen Verein geschlossen.)
Die Arbeiter der Weser-Werft in Bremen erzwingen mit einem Streik die Wiedereinsetzung des Arbeiterrats und den Abzug der Besatzungstruppen des Freikorps Gerstenberg aus der Werft.
7. Februar Der Soldatenrat beschließt die Entwaffnung der Hamburger Arbeiter unter dem Vorwand, dass die wilde Bewaffnung eine Besetzung Hamburgs durch Freikorps der Reichsregierung provoziere.
Der Generalsoldatenrat des VII. Armeekorps in Münster beschließt die Nichtanerkennung der Reichsregierungs-Verordnung über die Kommandogewalt und besteht auf Durchsetzung der Beschlüsse des Reichsrätekongresses. Für den kommandierenden General des VII. Armeekorps, Generalleutnant Freiherr Oskar von Watter, sind die Beschlüsse Anlass zum Einschreiten. Er lässt das Freikorps Lichtschlag in Münster einmarschieren. Die Sicherheitswehr wird verhaftet, die Mitglieder des Generalsoldatenrates werden wegen Aufwiegelei und Hochverrat festgenommen und dieses Gremium wird interessenkonform neu gewählt.
Der Kongress der Soldatenräte der Marine vom 7. bis 9. Februar in Hamburg wendet sich gegen die Verordnung über die Kommandogewalt und fordert den Rücktritt des Oberkommandierenden Gustav Noske (SPD).
8. Februar Ein Unteroffiziersputsch in Erfurt wird von den Arbeitern unterdrückt.
Konfrontation der Regierung mit Arbeitslosen in Berlin. Regierungstruppen des Oberbefehlshabers Gustav Noske (SPD) schießen auf eine Arbeitslosendemonstration in der Weinmeisterstraße in Berlin Mitte. 12 tote und 30 verletzte Arbeitslose. Die Garde-Kavallerie-Schützen-Division meldet, die Arbeitslosenmenge sei von Angehörigen der Matrosendivision der Republikanischen Volkswehr aufgehetzt worden.
In der Zeit vom 8. bis 9. Februar besetzen Regierungs-Truppen des Generalmajors Georg Maercker Erfurt.
9. Februar Reichsregierungstruppen besetzen Bremerhaven, Geestemünde und Lehe. In Erwartung der am 10. Februar geplanten Strafexpedition gegen die revolutionären Arbeiter und Soldaten in Cuxhaven entscheidet der Soldatenrat unter Leitung seines Vorsitzenden Karl Baier (KPD) die Aufgabe ihrer Positionen. Mit der militärischen Besetzung Bremens und dieses Teils der Wasserkante gelingt der Ebert-Scheidemann Regierung nach Berlin die Eliminierung eines weiteren revolutionären Zentrums. Der Bremer Arbeiter- und Soldatenrat dirigierte zwar bis dahin Polizei und Militär und war so im Besitz der öffentlichen Gewalt. Der Bremer Senat und seine Bürgerschaft beherrschten jedoch die weiter arbeitende alte Verwaltung, die unkompliziert gegen den Rat in Stellung gebracht werden konnte.
Die Reichsregierung und Preußische Regierung rufen zum Eintritt in oder zur Sammlung freiwilliger Spenden für die Freikorps auf. Reichswehrminister Gustav Noske und der preußische Innenminister Paul Hirsch (beide SPD) dazu: „Deutsche Brüder! Die Heimat ist in Gefahr! Ein Überfluten der bolschewistischen Welle über unsere östlichen Grenzen droht von Rußland, und im eigenen Land regen sich bolschewistische Kräfte der Zersetzung!“ Die Werbung zu den Freikorps wird unter Aufwendung riesiger Summen betrieben. Die Söldner erhalten 10 Mark Löhnung täglich und an Kampftagen 10 bis 30 Mark, auch 80 Mark Kampfzulage.
10. Februar Die Weimarer Nationalversammlung beschließt das Gesetz über die vorläufige Reichsgewalt, womit die bürgerlich-kapitalistische Ordnung als Grundlage der Republik fixiert wird.
Generalleutnant Freiherr Oskar von Watter besetzt mit seinen Truppen Münster, entwaffnet die Mannschaften der Sicherheitswehren, löst den Generalsoldatenrat auf und verhaftet dessen Mitglieder. Nach Order der Reichsregierung Weimar werden diese nach durch Watter veranstaltete Neuwahlen freigelassen.
11. Februar Aufruf der USPD für Verankerung der Räte in der Verfassung der Weimarer Republik.
Entwaffnung einer Grenzschutzkompanie der Regierung in Gotha.
Oberst Franz Xaver Ritter von Epp trifft in Weimar Reichswehrminister Gustav Noske (SPD), der ihm Unterstützung zur Aufstellung eines "Bayerischen Freikorps für den Grenzschutz Ost" zusagt. Nachdem ihm München versagt geblieben war, beginnt Epp ab dem 13. März 1919 auf dem Truppenübungsplatz Ohrdruf in Thüringen sein Freikorps aufzustellen. Die Truppe ist mit ca. 700 Mann im April und Mai 1919 an der Niederschlagung der Münchner Räterepublik beteiligt. Während des Kapp-Putsches im März 1920 unterstützt Epp in München den Sturz der sozialdemokratischen Regierung Hoffmann und beteiligt sich an der Niederschlagung der Roten Ruhrarmee, die in Abwehr des Kapp-Putsches kämpft. Unter den Freiwilligen befinden sich auch 110 Pfarrer und Theologen sowie später führende Faschisten, so Ernst Röhm, Rudolf Heß, Hans Frank, Gregor und Otto Strasser.
Mit den Stimmen der Koalitionsparteien wählt die Nationalversammlung Friedrich Ebert (SPD) zum Reichspräsidenten. Philipp Scheidemann bildet als Ministerpräsident die erste Regierung, der die Parteien der Weimarer Koalition (SPD, Zentrum, DDP) angehören. Die Regierung, die am 13. Februar von der Nationalversammlung bestätigt wird, besteht aus neun bürgerlichen und sieben sozialdemokratischen Ministern. Wie im alten Reichstag haben wieder Beauftragte der Schwerindustrie, der Banken und der Großgrundbesitzer ihren Platz in der Volksvertretung. Die Fraktion der SPD hatte in den Koalitionsverhandlungen mit der DDP und dem Zentrum bürgerliche Reformen und so, als Voraussetzung für eine Zusammenarbeit, die republikanische Staatsform rückhaltlos anzuerkennen verlangt und eine Finanzpolitik mit scharfer Heranziehung von Vermögen und Besitz sowie tiefgehende Sozialpolitik mit Sozialisierung der hierfür geeigneten Betriebe gefordert. Sozialisierung wird dabei als staatsmonopolistische Maßnahme verstanden.
12. Februar In Breslau Zusammenstöße zwischen Arbeitslosen und Sicherheitsmannschaften. Tote und Verwundete.
In Hamburg Streik der Hoch- und Straßenbahner.
In Berlin wird Karl Radek wegen Beihilfe zum Putsch, Aufreizung und Geheimbündelei verhaftet und im Zellengefängnis Moabit inhaftiert. Er wird Ende Januar 1920 von der Sowjetunion im Austausch gegen deutsche Kriegsgefangene ausgetauscht. Während seiner Haft empfängt Radek deutsche Politiker, Journalisten und Industrielle, so den Wirtschaftsführer Walther Rathenau. Radek war durch die Bolschewiki zur Berichterstattung und Einflussnahme auf den revolutionären Prozess nach Deutschland abgeordnet.
„Die Rote Fahne“ veröffentlicht auf der Titelseite unter der Schlagzeile „Der Mord an Liebknecht und Luxemburg. Die Tat und die Täter“ einen Artikel von Leo Jogiches (KPD), der der offiziellen Version der beiden Morde widerspricht.
13. Februar In München verteilen reaktionäre Studenten Flugblätter mit der Aufforderung zum Mord an Eisner.
Die Weimarer Nationalversammlung bestätigt die Regierung. Das Kabinett Scheidemann ist damit mit neun bürgerlichen und sieben sozialdemokratischen Ministern gebildet. Im Arbeitsprogramm des neuen Kabinetts stehen außenpolitisch die Herbeiführung eines sofortigen Friedensschlusses, die Wiederherstellung eines deutschen Kolonialgebietes (!) sowie die gleichberechtigte Beteiligung Deutschlands am Völkerbund und innenpolitisch die Demokratisierung der Verwaltung, die Schaffung eines demokratischen Volksheeres, der Wiederaufbau des Wirtschaftslebens, die öffentliche Kontrolle privatmonopolistischer Wirtschaftszweige, die Sozialisierung der Bergwerke und der Energieerzeugung, die verschärfte Erfassung der Kriegsgewinne, die Bereitstellung von Siedlungsland, die Sicherung der demokratischen Rechte und Freiheiten. Auch einige soziale Verbesserungen sind angekündigt. Rudolf Wissel vom Gewerkschaftssektor der SPD wird Reichswirtschaftsminister und gerät mit reformerischen Vorhaben struktureller Veränderungen seiner Gemeinwirtschaftskonzeption immer wieder auf den lähmenden Widerstand insbesondere der bourgeoisen Vertreter der Koalitionsparteien. Gustav Noske (SPD) ist Reichswehrminister. Die Ausübung der Befehlsgewalt über die monarchistische Generalität durch den ehemaligen Arbeiter Noske trägt weiter zur Differenzierung der revolutionär gesinnten Arbeiterschaft bei.
In München findet der erste landesweite Kongress der Arbeiter-, Soldaten- und Bauernräte Bayerns vom 13. bis 20. Februar statt. Unter dem Vorsitz von Ernst Niekisch (SPD) beschließt er Richtlinien für die Verankerung der Räte in der Verfassung, die ihnen einflussreiche, teilweise dominierende Stellung im Staatsaufbau sichern. Ministerpräsident Kurt Eisner (USPD) spricht im Hinblick auf die Verwirklichung einer sozialistischen Demokratie in der abschließenden Sitzung von einer zweiten Revolution.
14. Februar Die Oberste Heeresleitung und Feldmarschall Paul von Hindenburg verlegen ihren Sitz von Kassel-Wilhelmshöhe nach Kolberg in Pommern und bildet im Ostpreußischen Bartenstein eine Kommandostelle (Oberkommando Grenzschutz Nord). Generalmajor Hans von Seeckt wird Generalstabschef und organisiert den Krieg deutscher Truppen und Freikorps gegen die Rote Armee im Baltikum, wo Ende 1918 Sowjetrepubliken entstanden waren. Generalmajor Graf Rüdiger von der Golz, seit dem 1. Februar Militärgouverneur von Libau (Lettland), wird Befehlshaber dieser Truppen; im Vorjahr führte er die deutschen Truppen, die die finnische Revolution niederschlugen. Nach der Rückführung des deutschen Westheeres und der Niederschlagung der Januarkämpfer in Berlin liegt der Schwerpunkt im Osten. Hauptmann Adalbert von Wallenberg, er begleitete Hindenburg nach Kolberg: „Es galt, eine feste Front herzustellen gegen die Bolschewisten und vor allem gegen die Polen, auf deren Gefährlichkeit Groener seit langem mit klarem Blick hinwies.“ Hindenburg erlässt am selben Tag einen Aufruf gegen den Bolschewismus, und seitens des Generalbevollmächtigten des Deutschen Reiches für die baltischen Lande, August Winnig (SPD), wird eine Anwerbungsstelle Baltenland mit Niederlassungen in zahlreichen Städten gegründet. Der geheimdienstlichen „Zentrale für Heimatdienst“ werden vom Reichsfinanzministerium 1,5 Mio. Reichsmark zur Verfügung gestellt, die im Zusammenwirken mit Reichskommissar Winnig für antibolschewistische Propaganda zu verwenden ist. Die zahlreichen Versuche Sowjetrusslands zur Herstellung freundschaftlicher Beziehungen zu Deutschland werden hier ignoriert und öffentlich beschwiegen. Anfang März führt eine Offensive deutscher Freikorps zur Besetzung großer Teile Lettlands und Litauens.
In Essen wird eine weitere Konferenz der Arbeiter- und Soldatenräte organisiert. Die Delegierten verlangen die Ausrufung des Generalstreiks und die Aufnahme des Kampfes gegen den drohenden Feldzug gegen das Ruhrgebiet und seine Bergbau-Sozialisierungsbewegung durch die Truppen des Generalleutnants Freiherr Oskar von Watter. Heinrich Limbertz (SPD) gelingt es auf der Konferenz jedoch, stattdessen eine Delegation ins Leben zu rufen, die mit der Reichsregierung Weimar verhandeln soll.
In Halle (Saale) demonstrieren 2.000 Bergarbeiter aus fast allen mitteldeutschen Revieren für sofortige Sozialisierung aller Grubenunternehmen.
15. Februar Das vom Generalkommando des VI. Armeekorps unter Generalleutnant Freiherr Oskar von Watter aufgestellte 2.500 Mann umfassende „Freikorps Lichtschlag“ geht als Regierungseinheit in Dorsten, Holsterhausen und Hervest (Ruhrgebiet) mit Artillerie und Giftgasgranaten gegen die Arbeiterschaft vor. Die Sicherheitswehr wird entwaffnet, das Kommissariat erstürmt, der Vorsitzende des Arbeiter- und Soldatenrates Fest (KPD) erschlagen und weitere 38 Arbeiter in den Kämpfen getötet, 110 Kämpfer werden inhaftiert. Fünf Konterrevolutionäre kommen zu Tode. Am Sonntag, dem 16. Februar, ziehen sich letzte bewaffnete Arbeiter vor dem Lichtschlag-Freikorps zurück und werden von der Bottroper Volkswehr der SPD angegriffen. Am 17. Februar besucht Generalleutnant Freiherr Oskar von Watter Bürgermeister Lappe und Hauptmann Lichtschlag in Dorsten. Die Bottroper Volkswehr entwaffnet die Arbeiter der Zeche „Prosper 2“ und überfällt die Streikwache auf „Prosper 1“. (Ein Toter, zwei Verwundete, siebzehn Gefangene.)
In Nürnberg Protestdemonstration von Arbeitslosen und Soldaten gegen die Bildung weißer Garden in Bayern.
Arbeiter erstürmen das Generalkommando in Nürnberg (2 Tote).
16. Februar Eine Konferenz der Arbeiter- und Soldatenräte – auf die Nachrichten aus Hervest-Dorsten vom Vortag schnell nach Mülheim zusammenberufen – beschließt den Generalstreik. Führer der Gewerkschaften und der SPD versuchen den Streik zu verhindern und ersuchen die Reichsregierung, geeignete Maßnahmen zu ergreifen.
Protestkundgebung mit über 100.000 Arbeitern auf der Theresienwiese in München gegen die Politik der sozialdemokratischen Minister Bayerns, zu der die KPD und der revolutionäre Arbeiterrat eingeladen haben. Gefordert wird alle Macht für die Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräte. Ministerpräsident Eisner ist zu diesem Zeitpunkt bereit, den Räten größeren Einfluss einzuräumen. Die Führer der SPD erreichen im Gefolge, dass am 19. Februar vom Bayerischen Rätekongress beschlossen wird, das Landtagsgebäude zu räumen und alle Befugnisse am 21. Februar dem Landtag zu übertragen. Ministerpräsident Kurt Eisner will in dieser Landtagssitzung seinen Rücktritt erklären.
Der Arbeiter- und Soldatenrat für den Regierungsbezirk Merseburg beschließt angesichts der regierungsseitigen Verschleppung der Sozialisierung einstimmig, die staatliche Aufsichtsbehörde für das mitteldeutsche Bergbaugebiet (Oberbergamt Halle) der Kontrolle des Bezirksrates zu unterstellen.
Tagung des konterrevolutionären „Alldeutschen Verbandes“ in Bamberg. In seinem Verbandsorgan „Alldeutsche Blätter“ macht der Verband einen alljüdischen Einfluss für den Zusammenbruch Deutschlands verantwortlich. In seiner Bamberger Erklärung fordert er die Wiedergewinnung der Deutschland geraubten Gebiete.
Streik der Arbeiter und Beamten der westpreußischen Kleinbahnen.
17. Februar Die Marine-Brigade Erhardt, ein Freikorps, wird in Bremerhaven gegründet. Unter Führung des Korvettenkapitäns Hermann Erhardt wurde die Truppe u. a. bei der Niederschlagung der Münchner Räterepublik eingesetzt.
Reichswehrminister Gustav Noske (SPD) droht dem Gothaer Arbeiter- und Soldatenrat: „Wenn der Reichsregierung nicht binnen einer Woche die Entwaffnung gemeldet ist, werden die erforderlichen Maßnahmen von uns getroffen werden.“ Vorausgegangen war eine Beschwerde der Deutschnationalen Volkspartei Gothas beim Rat der Volksbeauftragten dagegen, dass der Rat Schusswaffen und Handgranaten an Mitglieder der USPD ausgegeben habe. Noske hatte den Freikorpsführer Generalmajor Georg Maercker beauftragt, die Nationalversammlung in Weimar zu schützen und dafür in der thüringischen Garnison dafür zu sorgen, dass die Soldatenräte die Verordnung vom 19. Januar 1919 über die Kommandogewalt anerkennen. In den Städten und Industriedörfern Thüringens hat die USPD den bestimmenden Einfluss und die Arbeiterräte bestimmen vielerorts die lokale Politik.
18. Februar Beginn des Generalstreiks im Ruhrgebiet, der bis zum 22. Februar anhält. In Essen beschließt eine neuerliche Konferenz der Arbeiter- und Soldatenräte das weitere Vorgehen für das Ruhrgebiet. Zuvor hatte der stellvertretende Vorsitzende der Neunerkommission Theodor Will (USPD) von erneuten Verhandlungen gemeinsam mit dem Vorsitzenden Ernst Stein (SPD) am 13. und 14. Januar mit Gustav Noske in Berlin berichtet: Die Neunerkommission dürfe nach dem Willen der Reichsregierung noch vier Wochen bestehen bleiben. Ihre Auflösung sei in Aussicht genommen, sobald die von ihr vorgesehenen Arbeitskammern gebildet seien. Die Zechenräte wurden für ein Kontrollrecht nicht autorisiert, zugestehen wolle man Mitsprache bei Löhnen, Schichtzahl, Förderung und Versand, nicht aber bei Gestehungskosten und finanziellen Verhältnissen der Zechen. Ein Zentralzechenrat wurde vollkommen abgelehnt, stattdessen sei eine Schlichtungskommission zu installieren. Die Regierung wolle die Sozialisierung verhindern, so die Meinung der überwiegenden Konferenzteilnehmer. In der Konferenz bleiben die SPD-Führer in der Minderheit und nachdem die Mandatsprüfungskommission ihnen Mandatsschiebung nachweist, fordert Heinrich Limbertz (SPD) die Sozialdemokraten zum Verlassen der Konferenz auf; der Reichsregierung meldet er den „Rauswurf“ der Mehrheitssozialisten. Vor diesem Hintergrund und unter dem Eindruck des Gräuel-Augenzeugenberichts des Delegierten Witte (SPD) aus Hervest-Dorsten (38 Tote aus der Arbeiterschaft) beschließen 170 Delegierte, darunter 18 Sozialdemokraten, den Generalstreik für das Ruhrgebiet bis zum Abzug der Truppen, 26 sind für einen dreitägigen Proteststreik und drei für Sabotage in den Betrieben. Heinrich Limbertz (SPD) entfaltet in den nächsten Tagen eine mit allen Mitteln arbeitende Streikbruchaktion. Am Anfang der Konferenz hatte Limbertz gefordert, „die bewaffneten Banden, die auf eigene Faust zum Durchsetzen der Mülheimer Beschlüsse Belegschaften von der Arbeit abhalten, mit allen Mitteln unschädlich zu machen“. Die unter sozialdemokratischem Einfluss stehenden Sicherheitswehren gehen ebenso wie die dem VI. Armeekorps unter Generalleutnant Freiherr von Watter unterstehenden Freikorps nun an vielen Orten des Ruhrgebietes brutal gegen die Streikenden vor. Der Generalstreik kommt nicht zur vollen Entfaltung. Am 18. und 19. Februar 12 Tote, 27 Verwundete in Elberfeld. Zusammenstöße mit der Bahnhofswache wegen Anheften von Streikplakaten. Diese schießt in die Menge, herbeigezogene Truppen greifen ein. Am 19. Februar verbietet Ernst Mehlich (SPD) als Volkskommissar für den Stadt- und Landkreis Dortmund den Buchdruckern die Anfertigung von Flugblättern, die nicht von ihm genehmigt sind. Seine Sicherheitswehr verhaftet Arbeiter, die zum Streik aufrufen, und vertreibt Streikposten mit Waffengewalt. In Essen geht die von Heinrich Limbertz (SPD) geschaffene Matrosenkompanie gegen Streikende vor. Zwei Streikende werden auf der Zeche Amalie getötet, zwei schwer verletzt, viele leicht. (Limbertz hat eine 200 Mann starke Matrosen- und eine 1.200 Mann starke Soldatenkompanie geschaffen, die nach Säuberung von Spartakisten und Unabhängigen alle in die SPD aufgenommen werden.) Viele Tote in Gelsenkirchen, in Castrop 4 Tote, Tote in Bochum, Hamborn, Borbeck usw.
In Stuttgart erklärt eine von der KPD organisierte Erwerbslosenversammlung Arbeitslosigkeit und Massenelend für nur durch Sozialisierung überwindbar und solidarisiert sich mit den streikenden Bergarbeitern des Ruhrgebietes.
Früh dringen die Landjäger des Freikorpsführers Generalmajor Georg Maercker in Gotha, einen Nachbarort von Weimar, ein. Demonstrationen stellen sich den Landjägern entgegen. Im Freistaat Gotha wird der Generalstreik ausgerufen, nachdem Generalmajor Georg Maercker die Stadt entsprechend der Drohung des Reichswehrministers Gustav Noske (SPD) besetzt hat, um die Entwaffnung der Arbeiter durchzusetzen. Die Bürgerschaft reagiert mit einem Bürgerstreik. Nach achttägigen Kämpfen mit den Arbeitern zieht sich ein Teil der Freikorpstruppen zurück, um gegen Halle zu marschieren. Die Soldatenräte waren von Maercker abgesetzt und zum Teil inhaftiert worden. Der Generalstreik greift auf weitere Orte über und wird ab 24. Februar im Rahmen des großen mitteldeutschen Generalstreiks fortgesetzt. Einen Tag zuvor hatte die USPD in der Wahl zur Landesversammlung die absolute Mehrheit errungen.
19. Februar In München besetzen gegenrevolutionäre Putschisten vorübergehend den Landtag und öffentliche Gebäude.
Die Sozialdemokratin Marie Juchacz spricht in Weimar als erste weibliche Abgeordnete in der Nationalversammlung: „Meine Herren und Damen!“ (Heiterkeit.) „Es ist das erste Mal, dass eine Frau als Freie und Gleiche im Parlament zum Volke sprechen darf, und ich möchte hier feststellen, ganz objektiv, dass es die Revolution gewesen ist, die auch in Deutschland die alten Vorurteile überwunden hat.“ Juchacz ist eine von 37 gewählten Frauen und gehört als einzige Frau dem Ausschuss zur Vorbereitung des Entwurfs einer Verfassung des Deutschen Reiches an.
20. Februar Die Reichsregierung schickt Truppen nach Rüstringen und Wilhelmshaven. Der 21er-Rat wird abgesetzt, sein Vorsitzender Bernhard Kuhnt (USPD) verhaftet und am 29. Januar seines Amtes als Präsident des Freistaates Oldenburg enthoben. Paul Hug (SPD), zuvor Mitglied des Kabinetts Kuhnt, wird als Zivilgouverneur und Reichskommissar eingesetzt.
In Bottrop fordern Arbeiter aus der Stadt und aus Sterkrade die Herausgabe der Gefangenen der Volkswehr und die Übergabe des Rathauses. Die Rathausbesatzung feuert in die Arbeiterschaft, die sich bewaffnet, gegen 16 Uhr Artillerie einsetzt und das Gebäude stürmt. Wegen nicht ausreichend zur Verfügung stehender Truppen des Generalkommandos und mit Waffen und Geschützen gut ausgerüsteter Arbeiterschaft herrscht bis 22. Februar Waffenstillstand. Nach Rückzug der Arbeiter zieht am 23. das Freikorps Lichtschlag kampflos in Bottrop ein, es folgen Massenverhaftungen und Misshandlungen. In Bochum überfällt eine vom Bergarbeiterverband organisierte Gruppe das Streikbüro. Gegen die Streikenden eingesetzt werden: Die Division (Oberst Wilhelm) Gerstenberg und die Bürgerwehr Hamborn, die Sicherheitswehren in Wanne, Dortmund. Die am 21. Februar wieder zusammentretende Konferenz der Arbeiter- und Soldatenräte stellt das Misslingen des Generalstreiks im Ruhrgebiet fest; nur in Düsseldorf im Bergischen Land, in Hamborn, Ickern, Duisburg, Buer war der Streik fast vollständig. Am 20. Februar streiken ungefähr 200.000, in den folgenden Tagen zunehmend weniger.
21. Februar Ministerpräsident Kurt Eisner (USPD) wird in München von dem 22jährigen Offizier Anton Graf von Arco-Valley auf offener Straße mit zwei Genickschüssen von hinten ermordet, als er nach einer Verleumdungskampagne und verlorener Landtagswahl, auf dem Weg zur Sitzung des Landtages, dort seinen Rücktritt erklären wollte. Alois Lindner, Mitbegründer des revolutionären Arbeiterrates in München - der Rat tagt gerade im selben Gebäude - dringt in den Sitzungssaal ein und schießt den Innenminister Erhard Auer (SPD) nieder, den er für den Urheber des Mordes hält. Auer und Arco kannten sich persönlich, Arco sagt später aus, er habe bei der beabsichtigten Aufstellung einer Bürgerwehr mit ihm zusammen gearbeitet. Nachmittags meldet die Polizeidirektion München 100.000 Teilnehmer einer zum Teil bewaffneten Versammlung auf der Theresienwiese. Plakate mit der Aufforderung, Zeitungsgebäude wegen der Hetze gegen Eisner anzugreifen, werden mitgeführt.
Die sozialdemokratisch-bürgerliche Landesregierung von Württemberg unter Wilhelm Blos (SPD) verbietet alle Versammlungen und Demonstrationen unter freiem Himmel. Paul Levi (KPD) und Karl Schulz, Redakteur des „Roten Soldaten“, die zuvor in einer KPD-Versammlung auftraten, werden verhaftet, dann aus Württemberg ausgewiesen. Die Aufhebung der Verbote wird zur zentralen Forderung der Arbeiterschaft in Württemberg.
22. Februar In der Nacht zum 22. Februar wird unter dem Vorsitz von Ernst Niekisch (SPD) ein Bayerischer Zentralrat der Arbeiter-, Soldaten- und Bauernräte gebildet, dem auch je ein Vertreter der SPD und der Gewerkschaften sowie zwei Vertreter des revolutionären Münchner Arbeiterrates und der KPD angehören. Der Zentralrat ist faktisch Inhaber der vollziehenden Gewalt in Bayern. Ein Generalstreik der Münchener Arbeiterschaft wird ausgerufen und ein Generalstreik für ganz Bayern proklamiert, als Antwort auf das Attentat vom Vortag, dem Ministerpräsident Kurt Eisner zum Opfer fiel.
Im „Münchener Beobachter“, dem Organ der völkisch-antisemitischen Thule-Gesellschaft, beschäftigt sich Anton Drexler mit der Kriegsschuldfrage und greift Eisner heftig an. Drexler hatte am 5. Januar mit Karl Harrer von der Thule-Gesellschaft die Deutsche Arbeiterpartei gegründet, die im Februar 1920 in NSDAP, die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei umbenannt wird.
Bis zu 40.000 Arbeiter versammeln sich in Mannheim im Rosengarten. Es wird dazu aufgerufen, die regierungstreue Volkswehr zu entwaffnen und die Waffen den Arbeitern zu übergeben. Ein Redner der USPD ruft unter jubelndem Beifall die Räterepublik Kurpfalz aus; der Demonstrationszug strebt in die Innenstadt, wird aus einem MG beschossen, die Stellungen der Volkswehr werden erstürmt und entwaffnet. Verhaftete Revolutionäre werden aus dem Untersuchungsgefängnis befreit. Ein Vollzugsausschuss aus KPD, USPD und Syndikalisten konstituiert sich. Die Badische Regierung verhängt den Belagerungszustand und mobilisiert Truppen gegen Mannheim. Bewaffnung der Arbeiter, Ausrufung der Räterepublik, die am 23. Februar nach Verhandlungen liquidiert wird. Die wenige Tage bestehende Räterepublik wird kompromissbereit rückabgewickelt, die KPD erhält fünf Sitze im Arbeiterrat.
In Braunschweig wird der Rat der Volksbeauftragten aus je 4 Vertretern von SPD und USPD neu gebildet. Die Macht im Lande übernehmen nach der vorläufigen Verfassung der Landesarbeiterrat und der Rat der Volksbeauftragten zusammen. Den Verfassungskompromiss lehnen die Obleute der revolutionären Arbeiterwehr, der Volksmarinedivision, der Volkswehr und die bewaffneten Arbeiter Wolfenbüttels ab.
Hanau wird durch Regierungstruppen besetzt.
Zweiter Reichskongress der Freien Sozialistischen Jugend (FSJ) vom 22. bis 23. Februar in Berlin. Von den 51 Delegierten erklärt sich die Mehrheit in einer Resolution gegen bürgerliche Demokratie als Weg zur Macht und für die Macht der Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräte sowie gegen das Milizsystem und für die Bewaffnung des Proletariats. Seit dem Gründungs- Reichskongress im Oktober 1918 hat sich die Zahl der Mitglieder im FSJ von 4.000 auf 12.000 erhöht.
23. Februar Ergebnis der Berliner Wahl zur Stadtverordnetenversammlung: USPD 47, SPD 46, DDP 21, DNVP 16, DVP 6, Zentrum 8 Sitze.
Das Freikorps Lichtschlag besetzt Bottrop und in den nächsten Tagen Sterkrade, Dinslaken, Hamborn, Düsseldorf und weitere Städte.
24. Februar Die Konferenz der Bergarbeiter des mitteldeutschen Bergbaureviers in Halle beschließt einstimmig, den Generalstreik am 24. Februar zu beginnen. An der Konferenz nehmen Vertreter der Bezirks-Arbeiter- und Soldatenräte von Merseburg und Erfurt sowie der Eisenbahner und der Arbeiter der Chemiebetriebe und Kraftwerke teil. Weitere Verhandlungen mit der Reichsregierung werden abgelehnt. Aus den Vertretern der Räte wird ein Aktionsausschuss zur Verwirklichung der Demokratie in den Betrieben gebildet, die durch eine die Befugnisse der Unternehmer einschränkende Arbeiterkontrolle über die Produktion vermittels der Betriebsräte durchgesetzt werden soll. Am 25. Januar treten die Arbeiter der Eisenbahndirektion Halle in den Generalstreik. 12.000 Leunaarbeiter verlangen in einer zusätzlichen Streikforderung die sofortige Freilassung aller politischen Gefangenen, die sofortige Bildung von Arbeiterwehren und die Aufnahme politischer und wirtschaftlicher Beziehungen zu Sowjetrussland. Die Arbeiter des Mansfelder Kupferschieferbergbaus schließen sich dem Streik an; auch Landarbeiter sind im Streik und fordern die Enteignung der Gutsbesitzer. Die Enteignung des Riebeck-Konzerns steht im Zentrum der Forderungen in den Streiks im Zeitz-Weißenfelser Gebiet. Die Gothaer Arbeiter schließen sich den Forderungen der Braunkohlen- und Eisenbahnarbeiter an: sofort eine Regierungsverordnung über das Kontroll- und Mitbestimmungsrecht der Arbeiter- und Soldatenräte, sofortiger Abzug der Maercker-Truppen aus Gotha. Der Streik dehnt sich auf Dessau und die Kaliindustrie im anhaltinischen Raum aus. Die Erfurter USPD-Zeitung „Tribüne“ schreibt am 26. Februar: „Die Arbeiter empfinden in ihrem Tiefsten, daß sie von der jetzigen Regierung um die Errungenschaften der Revolution betrogen werden … die sozialistische Volksbeauftragtenregierung ist in eine Sammelregierung umgewandelt worden, in der das Bürgertum die Mehrheit hat. Die Sammelregierung stützt sich auf die Nationalversammlung, die sich vollkommen als ein Instrument der Gegenrevolution gebärdet … Ohne die Herrschaft des Rätesystems ist die Sozialisierung nicht durchsetzbar, da die Reichs- und Staatsbehörden in den Händen der Kapitalistenvertreter der Regierungssozialisten sind.“
25. Februar Zweiter Zentralrätekongress in München vom 25. Februar bis 8. März auf Einladung des Vollzugsrates der Arbeiterräte Bayerns. Der Rätekongress unter Leitung von Ernst Niekisch (SPD) soll nach der Ermordung des Ministerpräsidenten Kurt Eisner (USPD) als Übergangsparlament fungieren und wählt so auch eine neue Regierung unter Ministerpräsident Martin Staglitz (SPD). Dieses Kabinett tritt nie zusammen, da die vorgesehenen SPD-Mitglieder nur eine Landtagswahl akzeptieren. Gewählt wird darüber hinaus ein neuer Aktionsausschuss als Spitze der Arbeiter-, Bauern und Soldatenräte. Unter dem Einfluss der SPD- und USPD-Führer billigt der Kongress das kurze Zusammentreten des Landtages, bei dem am 28. Februar die Bildung einer provisorischen Regierung und im Gefolge, so die Befürchtung der KPD, die Ausschaltung der Räte vorgesehen ist. Max Levien (KPD) und einige Vertreter des linken Flügels der USPD treten daraufhin aus dem Rat aus.
Die Reichsregierung lässt öffentlich erklären, „kein Mitglied des Kabinetts denkt daran oder hat je daran gedacht, das Rätesystem in irgendwelcher Form, sei es in der Verfassung, sei es in dem Verwaltungsapparat, einzugliedern“.
26. Februar Ein Eisenbahnerstreik in Magdeburg und an anderen Orten unterbricht die Verbindungen der in Weimar tagenden Regierung und Nationalversammlung mit Berlin.
Das Begräbnis Eisners in München gestaltet sich zu einer so mächtigen revolutionären Demonstration, wie sie München noch nicht gesehen hat. Über 100.000 im Trauerzug. Gustav Landauer, der von Eisner als Beauftragter für Volksaufklärung in die Regierung geholte Pazifist und Anarchist, hält die Gedächtnisrede. Heinrich Mann spricht später am 16. März auf einer Trauerfeier: „… Die hundert Tage der Regierung Eisners haben mehr Ideen, mehr Freuden der Vernunft, mehr Belebung der Geister gebracht als die fünfzig Jahre vorher.“
Beamten- und Bürgerstreik in Halle und anderen Orten als Gegenmaßnahme der Bourgeoisie. Telegrafen- und Fernsprechämter, Banken und Sparkassen, Behörden und öffentliche Einrichtungen im mitteldeutschen Generalstreikgebiet stellen ihre Tätigkeit ein. Geschäftsleute, wie Bäcker, schließen die Läden, um die Lebensmittelversorgung stillzulegen. Die Beamten- und Bürgerstreiks in Halle, Merseburg, Zeitz und anderenorts brechen schnell zusammen. In Merseburg übernimmt der Arbeiterrat die streikende Verwaltung komplett und sichert die Lebensmittelversorgung. In Halle bringt eine Massendemonstration mit 50.000 Teilnehmern den Willen zum Ausdruck, den Gegenstreik der Bourgeoisie zunichte zu machen.
Generalstreik in Erfurt und Gotha und anderen Orten Thüringens bis 8. März.
27. Februar Massenversammlung der Soldaten in Chemnitz gegen die Liquidierung der Soldatenräte.
Die Nationalversammlung beschließt das Gesetz über die Bildung einer vorläufigen Reichswehr. Bis zur Schaffung einer neuen Wehrmacht soll sie u. a. den Anordnungen der Reichsregierung Geltung verschaffen. Die Reichswehr fasst bestehende Freikorps zusammen und wirbt weitere Freiwillige an. Offiziere, Unteroffiziere und Beamte des bestehenden Heeres können übernommen werden. Das Gesetz tritt am 6. März in Kraft. Reichswehrminister Gustav Noske (SPD) erklärt gegenüber einer die Anliegen nicht übernommener Offiziere bearbeitender Beschwerdekommission später: „In erster Linie werden Offiziere berücksichtigt, die in den Januar- und Märzkämpfen ihren Mann gestanden haben.“ Mit dem Gesetz entsteht, unter Ausschaltung aller von den Arbeiter- und Soldatenräten ins Leben gerufenen Volkswehren, eine Kaderarmee und daraus im Sommer 1919 ein Massenheer mit 500.000 Mann. Noske orientiert Journalisten vertraulich darauf, in Wehrmachtsangelegenheiten möglichst wenig zu schreiben: „Gewiß, es ist eine teilweise Wiederbelebung des alten Systems, was wir jetzt machen, betonen sie es bitte aber nicht. Ein paar Monate noch, dann können Sie um so rückhaltloser in die Propaganda für ihre Ideen eintreten.“
In Leipzig beschließt eine Versammlung der Arbeiterräte, Ausschüsse der Betriebe und Vertrauensleute der Betriebe die Teilnahme am mitteldeutschen Generalstreik zur Unterstützung der Forderungen der Hallenser Bezirkskonferenz und mit Blick auf die Niederschlagung des Ruhrarbeiterstreiks und auch den Mord an Eisner, dem bayerischen Ministerpräsidenten. Vorausgegangen war eine Abstimmung der Leipziger Arbeiterschaft: 34.012 waren für den Streik, 5.320 dagegen. Alle Betriebe liegen still. Daraufhin fordert der gegenrevolutionäre Bürgerausschuss Leipzig am nächsten Tag zum Bürgerstreik auf. Städtische Beamte verweigern die Lebensmittelkarten und die Auszahlung von Unterstützungsgeldern. Die Lebensmitteleinfuhr in die Stadt wird sabotiert, medizinische Hilfe verweigert. Der Arbeiter- und Soldatenrat in Leipzig verfügt mit 1.600 Mann über eine ständige Sicherheitswehr, bestehend aus drei Infanteriekompanien, darunter eine Maschinengewehr-Abteilung, die Matrosenkompanie mit 500 Mann, die im Stadtzentrum regelmäßig patrouilliert und sich auf die Abwehr gegenrevolutionär studentischer und bürgerlicher Aktionen konzentriert, auch über eine Sicherheitsbatterie (Artillerie) von 250 Mann und eine Sicherheitsschwadron mit 150 Mann. Als Reaktion auf den Bürgerstreik und mit der Erfahrung aus der Intervention Weimarer Regierungstruppen in Halle wird zudem eine nichtständige rote Volkswehr organisiert. Sie unterstützt den städtischen Sicherheits- und den Polizeidienst. Mit diesen Kräften grenzt der Arbeiter- und Soldatenrat Leipzigs die gegenrevolutionäre Kampagne zu Gunsten der kommunalen Funktions- und Versorgungsfähigkeit ein und beendet den Streik am 10. März, als auch die sächsische Regierung der Bildung von Betriebsräten zugestimmt hat.
Eine Konferenz der Spandauer Staatsbetriebe stellt Streikforderungen auf, die der gerade tagenden Vollversammlung der Arbeiter- und Soldatenräte unterbreitet werden: Enteignung aller Banken, Bergwerke und Hütten sowie Großbetriebe in Industrie und Handel. Konfiszierung aller großen Vermögen, Schaffung eines Revolutionstribunals zur Aburteilung der Hauptkriegsschuldigen und der Verräter an der Revolution.
28. Februar Düsseldorf wird von Lichtschlags Freikorps-Truppen besetzt.
Reichswehrminister Gustav Noske (SPD) verfügt den Abbau der als Kampftruppe gegen die Arbeiter unbrauchbaren Republikanischen Soldatenwehr, in die auch die Volksmarinedivision eingegliedert war.
1. März Sozialisierungsantrag der SPD in der Nationalversammlung, um die Erfüllung der Massenforderung nach Sozialisierung aufzugreifen und die Streikwelle zu brechen. Deutschland wird mit der Plakatierung zu diesem Thema und einer Flut von Sozialisierungstheorien überschwemmt. In einem Aufruf bezeichnet die Weimarer Regierung die revolutionären Kräfte an diesem Tage als terroristische Elemente, fordert die Arbeiter zur Einstellung der Streiks und zu verstärkter Arbeitsleistung auf. Versprochen wird die konstitutionelle Fabrik auf demokratischer Grundlage zur Herstellung der wirtschaftlichen Demokratie. Versprochen wird auch der Ausbau der wirtschaftlichen Demokratie, d. h. der Ausbau der Arbeiterräte als Betriebsräte ohne politische Macht, wie sie die Weimarer Regierung in den folgenden Verhandlungen mit den Bergarbeitern des Ruhrgebiets und aus Halle vorschlagen wird. Die mit der großen Streikbewegung erkämpften Arbeiterräte sollen als wirtschaftliche Interessenvertretung in der Verfassung verankert werden.
Annahme des Übergangsgesetzes durch die Nationalversammlung, das u. a. festlegt: „Die bisherigen Gesetze und Verordnungen des Reiches bleiben bis auf weiteres in Kraft, soweit ihnen nicht dieses Gesetz oder das Gesetz über die vorläufige Reichsgewalt … entgegen steht“, womit die kapitalistische Ordnung als Grundlage der Weimarer Republik und die Kontinuität der Tätigkeit des Beamten-Apparates gesichert werden.
Zur Niederschlagung des mitteldeutschen Generalstreiks und zur Einflussnahme auf die Stadtverordnetenwahl am 2. März in Halle befiehlt Reichswehrminister Gustav Noske (SPD) den Einmarsch der Weimarer Regierungstruppen des Generalmajors Georg Maercker in Halle. Die Stadt wird von Maercker mit 3.000 Mann besetzt. Der seit dem 24. Februar laufende Streik für die Sicherung der Betriebsräte, der größte Streik in Halle, lief bis dahin geordnet, diszipliniert und gewaltfrei ab. Die Truppen der Weimarer Regierung eröffnen das Feuer auf Arbeiter und Soldaten. Der Einsatz von Kanonen und Minenwerfern hat 24 Tote und 67 Verwundete auf Seiten der Arbeiter zur Folge. Die Wahl am Folgetag erbringt in Anwesenheit der konterrevolutionären Regierungstruppen 33.522 Stimmen für die USPD und 8.099 für die SPD, was den Oberbürgermeister veranlasst, die Wahlen für ungültig zu erklären. Generalmajor Georg Maercker verhängt den Belagerungszustand, die Sicherheitstruppen des Arbeiterrates und die Matrosenkompanie werden aufgelöst, Versammlungen verboten, einige Exponenten der Streikleitung verhaftet oder, wie der Führer der Matrosenkompanie Karl Meseberg, ermordet. Maercker beginnt von nun an, sich „ein Erkundungswesen zu schaffen, das die politischen Verhältnisse von langer Hand erkundet“. Der Generalstreik wird durch den militärischen Terror der Weimarer Truppen nicht bestimmend beeinflusst. Die Weimarer Regierung ist am 5. März gezwungen, mit den Streikenden zu verhandeln. Der Belagerungszustand für Halle dauert bis zum 30. März an.
Landarbeiterstreik im Mansfelder Gebiet.
2. März Gründungskongress der Kommunistischen Internationale (Komintern) unter Leitung Lenins in Moskau bis zum 6. März. 51 Delegierte aus 30 Ländern vereinbaren die Trennung von der 1914 mit Kriegsbeginn zerbrochenen, aber 1919 mit sozialdemokratischen Opportunisten und Zentristen wiederbelebten II. Internationale. Der Vertreter der KPD, Hugo Eberlein, enthält sich in der Abstimmung über die Schaffung einer III. Internationale der Stimme und setzt damit einen Beschluss seiner deutschen Parteizentrale um, die in der Tradition Rosa Luxemburgs darauf orientiert, für ein internationales Zentrum der Arbeiterklasse erst einmal die organisatorische Macht zu schaffen.
Außerordentlicher und erster Parteitag der USPD nach der Novemberrevolution vom 2. bis zum 6. März in Berlin. Fritz Zubeil, Mitglied der USPD-Fraktion der Weimarer Nationalversammlung, gedenkt in seiner Eröffnungsansprache der Toten des Proletatriats, vor allem Rosa Luxemburgs, Karl Liebknechts, Kurt Eisners und Franz Mehrings. Auf Antrag Walter Stoeckers, Leiter der USPD-Zeitung „Volkstribüne“ in Elberfeld, wird die Gewerkschaftsfrage thematisiert. Der Vorsitzende des Deutschen Metallarbeiterverbandes Robert Dißmann erklärt, dass es keinen Nutzen für revolutionäre Arbeiter bringe, sich wegen des Verrats rechter Führer während des Krieges und der Revolution von den Gewerkschaften abzuwenden. Es komme auf die Beteiligung jedes Parteimitgliedes an, um opportunistische Einflüsse in den Gewerkschaften zu beseitigen. Wichtigster Tagesordnungspunkt des Parteitages ist die Auseinandersetzung um Bedeutung und weitere Rolle der Räte. Dem Parteitag liegen zahlreiche Anträge regionaler Organisationen vor, die eine eindeutige Entscheidung für das Rätesystem und zur Weiterführung der Revolution, für Sozialisierung, enge Beziehungen zu Sowjetrussland und gegen die Zusammenarbeit mit den rechten Führern der SPD beinhalten. Ernst Däumig, Exponent der Rätebewegung und seit Januar Herausgeber der Zeitschrift „Der Arbeiter-Rat“, fordert mit anderen in ihrem Entschließungsentwurf zur proletarischen Demokratie, „die Arbeiterräte in allen ihren Bestrebungen [zu unterstützen], die politische und wirtschaftliche Macht in ihren Händen zu vereinigen“. Der Vorsitzende der USPD-Fraktion in der Weimarer Nationalversammlung Hugo Haase bringt die Resolution „Ausbau des Systems der Arbeiterräte und seine Verankerung in der Verfassung“ ein. Letztendlich wird diese Resolution der Unterordnung der Räte unter den bürgerlichen Staat durchgesetzt. In den nächsten Forderungen bestimmt der Parteitag als Aufgaben u. a.: Völlige Auflösung des alten Heeres und des durch Freikorps gebildeten Söldnerheeres, Entwaffnung des Bürgertums, Errichtung eines Volksheeres aus der Arbeiterschaft, Wahl der Behörden und der Richter durch das Volk, sofortige Schaffung eines Staatsgerichtshofs für Prozesse gegen Kriegsschuldige, Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Russland und Polen. Protestiert wird gegen die Scheinuntersuchung des Kriegsgerichts der Garde-Kavallerie-Schützen-Division gegen die Mörder von Liebknecht und Luxemburg. Mit den streikenden Arbeitern erklärt sich der Parteitag solidarisch.
Anton Fischer, Mitglied im Fünfer-Ausschuss der Berliner Stadtkommandantur, gibt als Geheimbefehl heraus: „Sobald ein neuer Aufstand ausbricht oder sicher bevorsteht, wird das Generalkommando Lüttwitz seine bei Berlin liegenden Truppen in die Stadt einmarschieren lassen.“ Die Kommandantur ist zu diesem Zeitpunkt bereits Anhängsel des Generalkommandos Lüttwitz und Berlin schon in militärische Abschnitte eingeteilt. Am Tag zuvor war in Vorbereitung auf die Aktion die noch aus der Zeit des Polizeipräsidenten Eichhorn bestehende Sicherheitswehr aus dem Polizeipräsidium verlegt worden.
3. März Beginn des Generalstreiks in Berlin, beschlossen von der Vollversammlung der Arbeiter- und Soldatenräte mit ungefähr 400 gegen 120 Stimmen bei 200 Enthaltungen. Den Generalstreik fordern Delegationen der bereits seit den Morgenstunden streikenden Arbeiter und Angestellten des Siemens-Dynamo Werkes, der AEG-Turbinenwerke, der Firma Loeb Charlottenburg, Stock Mariendorf, der Staatswerkstätten Spandau, der Schwartzkopff AG Wildau und Berlin, der Knorr-Bremse, Siemens-Halske AG, des Siemens-Schuckert-Kabelwerkes, der Eisenbahnwerkstätten, des Elmo-Werkes. Beschlossene Streikforderungen sind: 1. Anerkennung der Arbeiter- und Soldatenräte. 2. Sofortige Durchführung der sieben Hamburger Punkte. 3. Freilassung aller politischen Gefangenen, insbesondere Freilassung Ledebours; Niederschlagung aller politischen Prozesse; Aufhebung der Militärgerichtsbarkeit; Verweisung aller militärischen Vergehen an die Zivilgerichte; Aufhebung der militärischen Standgerichte; sofortige Verhaftung aller Personen, die an politischen Morden beteiligt waren. 4. Sofortige Bildung einer revolutionären Arbeiterwehr. 5. Sofortige Auflösung aller durch Werbung zustande gekommenen Freiwilligen-Verbände. 6. Sofortige Aufnahme politischer und wirtschaftlicher Beziehungen zur Sowjetregierung Russlands. Die Arbeiter werden aufgefordert, sich von den Straßen und von Aufläufen fern zu halten. Der Vollzugsrat wird mit der Streikleitung beauftragt, in der je 10 SPD- und USPD-Vertreter mitwirken, nicht aber die KPD. Deren Arbeiterräte lehnen die Mitarbeit in der Streikleitung ab, weil mit der SPD Streikgegner den Streik mit leiten. Mit dieser Entscheidung verzichten die Kommunisten zum Unverständnis großer Teile ihrer Anhänger auf Stärkung des konsequenten Teils der Streikleitung. Gemäß Beschluss sind auch die Zeitungen zu bestreiken, woran sich die linken Blätter halten. Der sozialdemokratische „Vorwärts“ und bürgerliche Blätter nehmen in schärfster Form gegen den Streik Stellung. Die Drucker und Schriftsetzer hatten sich dem Streik nicht angeschlossen; die Blätter erscheinen noch bis zum 5. März. „Die Rote Fahne“ in der Wilhelmstraße wird an diesem Tag durch Soldaten des Freikorps Reinhard besetzt und die Redaktion der „Roten Fahne“ vollständig zerstört, die Druckmaschinen mit Handgranaten unbrauchbar gemacht. Ein zentrales Mitteilungsblatt der Streikleitung erscheint nur einmal.
Die Reichsregierung kündigt unter dem Druck des Streiks in Mitteldeutschland und nunmehr auch in Berlin ein Sozialisierungsgesetz und ein Gesetz über die Regelung der Kohlewirtschaft an.
Lockspitzel der Nachrichtenorganisation der Garde-Kavallerie-Schützen-Division organisieren in Berlin rings um den Alexanderplatz Plünderungen, gegen die die Republikanische Soldatenwehr, und zwar ihre absichtsvoll dort eingeteilte Volksmarinedivision vorgeht. Ihr soll mit der Aktion Unzuverlässigkeit nachgewiesen werden. Die Matrosen nehmen zahlreiche Verhaftungen vor. Zwischen 19 und 20 Uhr werden die Warenhäuser Tietz und Wertheim am Alexanderplatz geplündert. Auch dagegen gehen die Matrosen der Republikanischen Soldatenwehr als Ordnungstruppe der Stadtkommandantur vor. Provokateure organisieren darüber hinaus am Abend des 3. und in der Nacht zum 4. März die Besetzung einiger Polizeiwachen. Nach dem so durch Reichswehr und Freikorps geschaffenen Anlass stellt Reichswehrminister Gustav Noske (SPD) am 4. März den Befehl über die Besetzung Berlins aus. 31.500 Soldaten unter dem Generalkommando von Generalleutnant Walther Freiherr von Lüttwitz stehen an diesem Tag bereit, beginnen mit dem Einmarsch in Berlin und schießen am Bülowplatz in die unbewaffnete Menge. 15 Tote. Die Truppen waren vor dem Berliner Beschluss zum Generalstreik in Alarmbereitschaft versetzt worden. Zu ihnen gehören u. a. die Garde-Kavallerie-Schützen-Division (mit 28.000 Mann dreimal so stark und eher ein Korps), die Deutsche Schutzdivision, das Freikorps Hülsen, die Reservetruppen der Berliner Kommandantur. Das Preußische Staatsministerium verhängt am Abend dieses Montags den Belagerungszustand über Berlin, Spandau, Teltow und Niederbarnim, der preußische Innenminister Paul Hirsch (SPD) überträgt als Oberbefehlshaber der Marken Reichswehrminister Gustav Noske die vollziehende Gewalt, und dieser verbietet Versammlungen, Aufzüge, Zusammenrottungen usw. Das bedeutet in der Folge auch, die Garde-Kavallerie-Schützen-Division stellt als die vollziehende Gewalt die Kriegsgerichte und entscheidet über Leben oder Tod. Durch Noske werden sofort nach Verhängung des Belagerungszustandes Haftbefehle gegen die Führer der KPD und Redakteure der „Roten Fahne“ erlassen. 120 Personen werden festgenommen.
4. März In Berlin ist die Industrie vollständig, Handel, Gewerbe und Verkehr sind zum großen Teil stillgelegt. Die Berliner Vollversammlung der Arbeiterräte beschließt mit knapper Mehrheit, der Reichsregierung die am Vortag beschlossenen Berliner Generalstreikforderungen durch eine Delegation in Weimar unterbreiten zu lassen. Auch verurteilt die Vollversammlung die gestern erfolgte Besetzung der „Roten Fahne“ und fordert die Aufhebung des Belagerungszustandes. Die KPD ruft in der Vollversammlung im Hinblick auf die Provokationen vom Vortag zur Wachsamkeit gegen Lockspitzel aus dem Eden-Hotel auf. Auch in den Betriebsversammlungen wird gewarnt: Die Nachrichtenabteilung, d. h. der Geheimdienst der Garde-Kavallerie-Schützen-Division hatte die Behauptung verbreitet, dass Matrosen und Spartakisten zu Plünderungen und Angriffen auf Polizeireviere auffordern und sich daran beteiligen. Der Vorstand der Berliner SPD und der „Vorwärts“ fordern die Mitglieder der SPD auf, sich „gegen terroristischen Streikzwang“ der Vollversammlung der Arbeiter- und Soldatenräte zur Wehr zu setzen; gestreikt werden dürfe nur nach geheimer Urabstimmung in den Betrieben.
Reichsarbeitsminister Gustav Bauer (SPD) sieht sich unter dem Druck des Generalstreiks in Mitteldeutschland zu Verhandlungen mit den streikenden Arbeitern gezwungen. Unter Teilnahme von Vertretern der Unternehmer wird als Kompromiss das Kontrollrecht der Betriebsräte einschließlich der Einsichtnahme in alle Betriebsvorgänge zugestanden, ebenso ihre direkte und geheime Wahl. Die Institution der Betriebsräte wird als dauernde Einrichtung und für alle Wirtschaftsgruppen anerkannt. Unter dem Druck der Streikbewegung an der Ruhr und in Mitteldeutschland sieht sich die Reichsregierung gezwungen, deren Räteidee aufzunehmen. Folgende Zugeständnisse werden gemacht: Die Arbeiterräte werden als wirtschaftliche Interessenvertretung grundsätzlich anerkannt und in der Verfassung verankert. In den Betrieben sind Betriebsarbeiter- und Angestelltenräte für die Mitwirkung bei der Regelung allgemeiner Arbeitsverhältnisse zu wählen. Arbeitsgemeinschaften, in denen Unternehmer, Betriebsleiter, Arbeiter und Angestellte sowie Unternehmerverband und Gewerkschaft mitwirken, kontrollieren und regeln Produktion und Warenverteilung. Für bestimmte Bezirke werden Arbeitskammern, für das Reich ein Zentral-Arbeitsrat gebildet, in denen Arbeiter, Unternehmer und Freiberufler bei der Sozialisierung mitwirken. Ein Arbeitsgesetz wird in Aussicht gestellt und ein Sozialisierungsgesetz sei auf dem Wege. Zudem ein Gesetz, das strafbare Handlungen von Militärpersonen künftig bürgerlichen Gerichten zuweist, und an der Verbesserung der Lebensmittelversorgung werde dauernd gearbeitet. Auf der Grundlage dieser Zugeständnisse brechen die Arbeiter den Generalstreik ab und nehmen die Arbeit am 6. und 7. März überall in Mitteldeutschland wieder auf. Der Einsatz Weimarer Regierungstruppen in Mitteldeutschland ermöglicht über das Jahr 1919 die Beseitigung von Soldatenräten und die Zurückdrängung von Arbeiterräten. Streikführer werden mit Prozessen überzogen und inhaftiert.
Bis zum 5. März andauernder Generalstreik in Bremen für die Freilassung der politischen Gefangenen.
5. März In der Berliner Vollversammlung der Arbeiterräte artikulieren sozialdemokratische Mitglieder ihren Unwillen über die Missachtung deren Beschlüsse durch ihre Parteiführer und den „Vorwärts“. Im Gefolge schließen sich die Buchdrucker und Schriftsetzer, die sich unter sozialdemokratischem Einfluss bisher nicht am Generalstreik beteiligen, dem Streik an. Demgegenüber beschließt eine separate Konferenz sozialdemokratischer Funktionäre und Arbeitsratsmitglieder, dass der seit dem 3. März laufende Generalstreik gegen den Willen der SPD und ihrer Vertreter im Groß-Berliner Arbeiterrat eingeleitet worden sei. Letztere werden beauftragt, den Abbruch des Streiks zu beantragen, wenn bei den Verhandlungen in Weimar Zugeständnisse erzielt werden, und bei Ablehnung den Streik selbständig aufzuheben.
In Berlin beginnen am Nachmittag am Polizeipräsidium die vom Oberbefehlshaber der Reichswehr in Berlin, Generalleutnant Walther Freiherr von Lüttwitz (Kommando Lüttwitz), vorbereiteten Kämpfe gegen die Republikanische Soldatenwehr. Dazu erhält die in der Republikanischen Soldatenwehr kaltgestellte Matrosendivision am Nachmittag durch Hauptmann Marcks von der Berliner Kommandantur den Befehl, von der Jannowitzbrücke her den Alexanderplatz von möglichen Plünderern zu säubern. Dabei werden sie aus dem, nach Abzug der dortigen Sicherheitswehr von Freikorpsmännern belegten Polizeipräsidium unter Beschuss genommen, denen man ihrerseits die Sicherheitswehr als vermeintliche Plünderer avisiert. Die Matrosen holen Verstärkung und beschießen nun ihrerseits das Polizeipräsidium. Von den Freikorps werden zum ersten Mal in den Kämpfen alle Mittel der Feldschlacht angewendet, leichte und schwere Artillerie, Zwei-Zentner-Minen und schließlich Fliegeraufklärung und Fliegerbomben. Nach dem Alexanderplatz wird das Marinehaus als Hauptquartier der Volksmarinedivision sturmreif geschossen. Damit leitet das Kommando Lüttwitz die Berliner Märzkämpfe ein. Zeitzeuge Richard Müller: „Die Häupter der militärischen Gegenrevolution, General von Lüttwitz und sein Stab, hatten sich nach den Januarkämpfen in Berlin festgesetzt. Sie verordneten alle militärischen Maßnahmen nicht nur für Berlin, auch für die Provinz. Noske als Oberbefehlshaber hatte die Aufgabe, sie mit seinem Namen zu decken. Daß Noske nur der Strohmann dieser kaiserlichen Militärs war, ging schon ohne Zweifel aus den anläßlich der Berliner Januarkämpfe getroffenen militärischen Maßnahmen hervor.“
Indessen breitet sich der Generalstreik aus. Kleinere Fabriken und Werkstätten schließen sich an. In Lichtenberg, dem roten Osten, hatten Matrosen und Arbeiter von der Knorr-Bremse, Osram, den Lichtenberger Gaswerken und Eisenbahnwerkstätten seit dem 3. März ihre Gegend von konterrevolutionären Standorten gesäubert. Am 5. März wird dann das Lichtenberger Polizeipräsidium in der Alfredstraße, aus dem zuvor auf Demonstranten geschossen worden war, von Arbeitern Stockwerk für Stockwerk erfolgreich erobert. Auf beiden Seiten gibt es insgesamt 10 Tote und 20 Verwundete. Die Kripobeamten werden nach Hause geschickt, ein unter dem Schimpfnamen „Schweinebacke“ bekannter verhasster Beamter durch Lichtenberger Frauen verprügelt. Für den kriegsmäßig geplanten Kampf gegen die Sicherung Lichtenbergs durch revolutionäre Kräfte und zur Legitimierung eines Regierungs-Schießerlasses für Freikorps und Reichswehr wird am 9. März eine folgenreiche, den Einmarsch konterrevolutionärer Truppen vorbereitende Pressekampagne inszeniert. Die Betriebsräte in Lichtenberg bereiten derweil unter dem Schutz der bewaffneten Arbeiter und Matrosen die Sozialisierung der Konzernbetriebe vor.
In Oberschlesien treten die Belegschaften von sechs Gruben mit politischen Forderungen in den Streik, dem sich in wenigen Tagen die Hälfte aller Gruben anschließt. Die oberschlesischen Arbeiter versuchen sich mit den polnischen Bergarbeitern des Dabrowaer Kohlenreviers zu vereinen. Grenzschutztruppen gehen gegen Demonstrationen vor. Der Generalstreik wird unter Einflussnahme von SPD- und USPD-Vertretern gespalten. Am 15. März streiken noch zwölf Gruben, am 17. noch zwei. Kriminalpolizei und Grenzschutztruppen gehen gegen die KPD vor, die auf den oberschlesischen Streik maßgeblichen Einfluss hat.
Erste Schachtdelegiertenkonferenz im Ruhrgebiet (infolge Sabotage der SPD von nur 65 Schachtanlagen beschickt).
6. März In Berlin setzen Regierungstruppen weiter Bombenflugzeuge, Geschütze und Minenwerfer ein und erobern den Alexanderplatz und das Marinehaus. Die KPD verbreitet ein Flugblatt, das die Provokation des Oberbefehlshabers Gustav Noske (SPD) brandmarkt, von der Teilnahme an den bewaffneten Kämpfen abrät und daran erinnert, dass die Matrosen und Soldaten der Republikanischen Soldatenwehr aus politischer Einsichtslosigkeit im Januar neutral geblieben seien und jetzt um ihre Brotinteressen kämpften. Die Waffe sei jetzt der Generalstreik. Am Vortag von einer Kommission des Vollzugsrates mit dem Oberkommandierenden Noske begonnene Verhandlungen mit dem Ziel, die Freikorps zurückzuziehen und weiteren Einmarsch zu stoppen, verlaufen ergebnislos. Die gesamten Freikorpsverbände marschieren ein, Noske lässt die Leitung der Republikanischen Soldatenwehr verhaften und fordert die Mannschaften auf, die Waffen zu strecken.
Die Vollversammlung der Arbeiter- und Soldatenräte Berlins, durch den Krieg der Regierungstruppen aufs äußerste gereizt, beschließt auf Antrag der Kommunisten mit geringer Mehrheit die Einbeziehung auch der Gas-, Elektrizitäts- und Wasserwerke, um den Berliner Streikforderungen größeren Nachdruck zu verleihen und, dass sich die Vollversammlung auf die Seite der Republikanischen Soldatenwehr (R.S.W.) stellen soll, die derzeit gegen die Lüttwitz-Freikorps und Bürgerwehren kämpft. Der Arbeiter- und Soldatenrat von Groß-Berlin solle die oberste Kommandogewalt übernehmen. Die Kommandobefugnis der Freiwilligenverbände sei aufzuheben. Einwände, dass sich die Verschärfung des Generalstreiks gegen die streikenden Arbeiter selbst richten würde, werden überstimmt. Die sozialdemokratischen Arbeiterräte treten daraufhin aus der Streikleitung aus und rufen nunmehr mit Plakaten und Flugblättern zur Streikbeendigung auf, den sie als Verbrechen brandmarken. Die Berliner Gewerkschaftskommission schließt sich der Forderung an. Die Buchdrucker folgen der Aufforderung sofort, die bürgerliche Presse erscheint wieder. Zudem gelingt den Regierungstruppen die Inbetriebsetzung der Wasser-, Gas- und Elektrizitätswerke. In der Folge erhalten die bürgerlichen Gebiete Groß-Berlins Wasser und Energie, die Arbeiterviertel nicht. Eine Beteiligung an einer neuen Streikleitung, gemeinsam mit der USPD, lehnen die Kommunisten wiederum ab. Im Gefolge des Beschlusses, Energie- und Wasserversorgung stillzulegen, zieht auch die Berliner Gewerkschaftskommission ihre Streikunterstützung zurück und fordert den sofortigen Abbruch des Generalstreiks.
In Weimar wird das am 27. Februar beschlossene Gesetz über die Schaffung einer vorläufigen Reichswehr durch die Nationalversammlung verabschiedet. Damit erhält die Integration der Freikorps und Übernahme von Offizieren, Unteroffizieren und Beamten des alten Heeres in die neue Armee eine gesetzliche Grundlage. Keinerlei Eingang in das Gesetz fanden die Hamburger Punkte des Reichsrätekongresses über die Kommandogewalt vom 18.12.1918, die u. a. die Kommandogewalt der Regierung unter Kontrolle des Vollzugsrates stellten und bestimmten, dass Soldaten ihre Führer selbst wählen, die außerhalb des Dienstes keine Vorgesetztenstellung innehaben, usw.
7. März Die Vollversammlung der Berliner Arbeiterräte nimmt den Bericht von Heinrich Malzahn (USPD, Rev. Obleute) für die nach Weimar entsandte Kommission entgegen. Er kann nur über die Zugeständnisse der Reichsregierung gegenüber den Streikenden Mitteldeutschlands vom 4. März berichten. Die weitergehenden Berliner Forderungen wurden abgelehnt. Malzahn bezeichnet die regierungsseitigen Zugeständnisse als „Angst- und Notprodukt aus den augenblicklichen politischen Verhältnissen“.
8. März Abbruch des Generalstreiks in Berlin auf Antrag der USPD, nachdem sich die KPD nicht bereit erklärt, in die Streikleitung einzutreten, aber auch vor dem Hintergrund der Beendigung des Generalstreiks in Mitteldeutschland sowie der bewaffneten Kämpfe in Berlin. Die seitens der USPD mit der Beendigung des Generalstreiks verbundenen Forderungen: keine Maßregelungen infolge des Streiks, Freilassung aller wegen des Streiks Verhafteten, sofortige Räumung aller militärisch besetzten Betriebe, Entfernung aller Freiwilligenverbände aus Berlin sowie Aufhebung des Belagerungszustandes und der außerordentlichen Kriegsgerichte werden seitens der Weimarer Regierung und des Oberkommandierenden Gustav Noske (SPD) ausweichend beantwortet.
Regierungstruppen und Freikorpsverbände führen ihre militärischen Aktionen in Berlin weiter. Die Republikanische Soldatenwehr ist nach den Kämpfen am Alexanderplatz, der Besetzung des Marinehauses und Kämpfen in Neukölln als Kampfverband aufgelöst. Ein Teil ihrer Kämpfer, dem sich auch Arbeiter angeschlossen haben, setzt sich militärisch in der Frankfurter Allee, der Palisaden-, Koppen- und Andreasstraße fest. Am Strausberger Platz werden Barrikaden errichtet. Die Garde-Kavallerie-Schützen-Division greift vom Alexanderplatz aus mit schweren Kriegswaffen an; einige hundert Soldaten, Matrosen und Arbeiter können sich nach Lichtenberg zurückziehen und verteidigen sich dort in den Arbeitervierteln. Die konterrevolutionären Truppen des Kommando Lüttwitz rücken gegen die Grenzen von Friedrichshain und Lichtenberg vor.
Erstmals wird ein Tarifvertrag für die Arbeiter unterzeichnet, die Angestellte der Stadt Berlin und einiger Städte sind, die dem Zweckverband Groß-Berlin angehören.
9. März Ein Lichtenberger „Beamtenmord“ geht durch die Presse in Berlin. Zuerst bringt es die Boulevardzeitung aus dem Hause Ullstein, „B.Z. am Mittag“, dann folgt die Presse im ganzen Reich mit der groß aufgemachten, vom Stab der Noske-Truppen lancierten Falschmeldung, der Stadtteil Lichtenberg würde von Spartakisten beherrscht und diese hätten 60 wehrlose Kriminalbeamte in der Nähe des Zentralviehhofs ermordet. Der sozialdemokratische „Vorwärts“ schreibt am Folgetag, nachdem die Information durch das Preußische Innenministerium bestätigt wurde: „60 Polizeibeamte und einige Dutzende Regierungssoldaten sind wie Tiere abgeschlachtet worden“ und fordert sofortiges Eingreifen. Die „Freiheit“ und „Die Republik“ sind dieser Tage verboten, die „Rote Fahne“ kann bereits seit dem 4. März nicht erscheinen, die bürgerliche Presse hat so das Propagandamonopol. Diese lancierte Falschmeldung geht dem Schießerlass des Reichswehrministers und Berliner Oberbefehlshaber Gustav Noske (SPD) unmittelbar voraus. Noske erlässt am 9. März die Weisung: „Jede Person, die mit der Waffe in der Hand gegen die Regierung kämpfend angetroffen wird, ist sofort zu erschießen.“ Auf den Schießerlass der Regierung berufen sich in der Folge Polizei und Militär auch bei der Ermordung politischer Gegner. Tatsächlich gab es bei dem viertelstündigen Kampf um das Lichtenberger Polizeipräsidium einen toten und einen verletzten Polizisten. Eine Kommission des Vollzugsrates entlarvt die Lüge noch am selben Abend, und nach Beendigung des Feldzugs gegen das rote Lichtenberg gibt es ein offizielles Dementi, auch von Oskar Ziethen, dem Bürgermeister von Lichtenberg, in der Tagespresse. Die „B.Z. am Mittag“ sieht sich am 13. März veranlasst, nachdem Gustav Noske (SPD) in der Nationalversammlung erklärt, „… daß ein Teil der Presse sich leider von der Sucht nach Sensation bei diesen Schilderungen hat mehr leiten lassen, als zu verantworten war“, zu erklären, dass sie die Meldung am Sonntag, dem 9. März, um 11 Uhr von einer militärischen Stelle erhalten habe, zur Überprüfung das Preußische Staatsministerium angefragt und folgende amtliche Meldung mit der Bitte um dringende Veröffentlichung, notfalls mit Extrablatt, übermittelt bekam: „Das Kommando der Schutzmannschaft meldet: Sämtliche Beamte des Lichtenberger Polizeipräsidiums sind ermordet worden.“ Die amtliche Meldung veranlasste der Regierungsrat im Preußischen Staatsministerium Georg Doyé, der bereits zum Sturz des Polizeipräsidenten der Revolution Emil Eichhorn beigetragen hatte und über Beziehungen zur Garde-Kavallerie-Schützen-Division verfügt. Dem Geheimdienst dieser Division mit Dr. Friedrich Grabowski an der Spitze war im Vorfeld die Infiltration des Wolffschen Telegrafenbüros, des wichtigsten Nachrichtenhändlers dieser Zeit, gelungen.
Wahl zum Landesparlament (Bürgerschaft) in Bremen (SPD 49.000; USPD 29.000; KPD 11.000; Bürgerliche insgesamt 60.000 Stimmen).
10. März Berlin-Lichtenberg ist am 10. und 11. März von Regierungstruppen eingekreist. Die Bevölkerung hält zu den gegen die Freikorps kämpfenden Arbeitern und Soldaten. Frauen und Kinder schleppen Munition zu den Barrikaden, aus den Häusern kommen Getränke und Verpflegung. Am 10. muss die Arbeiterkampfgruppe den Strausberger Platz aufgeben. An der Weberwiese geht der Kampf weiter. Am 11. fällt der Brückenkopf Warschauer Brücke. Der Reichswehrminister und Berliner Oberkommandierende Gustav Noske (SPD) erhält am 11. März durch einen Beauftragten des Lichtenberger Oberbürgermeisters Oskar Ziethen die Bitte um Waffenstillstand in Lichtenberg und Aufbau einer Einwohnerwehr aus allen Bevölkerungsklassen im Zusammenwirken mit dem Soldatenrat. Dessen Ziel ist die Herstellung von Ruhe und Ordnung, die Übergabe der Waffen an die Einwohnerwehr und hernach der Rückzug der Kämpfer ohne weitere Verfolgung sowie Gefangenenaustausch. Noske lässt sich auf keine Verhandlungen ein: „Sagen Sie dem Oberbürgermeister, entweder bedingungslose Übergabe oder gar nichts.“ Am 12. März besetzt das Freikorps Hülsen Lichtenberg. An der Frankfurter Allee/ Ecke Möllendorfstraße hält sich die große Barrikade noch bis zum 13. März. Die Lichtenberger Kämpfer bleiben ohne Hilfe, und Fliegerbomben und Granatwerfer bringen ihre Niederlage. An der Friedhofsmauer in der Möllendorfstraße werden 16 gefangene Kämpfer, darunter eine Frau erschossen. Im „Schwarzen Adler“ Frankfurter Allee/ Ecke Gürtelstraße tagt das Standgericht; massenhaft sind Spitzel und Festnahmekommandos des Kommandos Lüttwitz in den Arbeiterhäusern unterwegs. Die siegreichen Soldaten der Konterrevolution morden individuell oder folgen den Befehlen in den Erschießungskommandos. Die auf Wagen geschichteten Leichen der Revolutionäre werden zu Sammelstellen transportiert. Die Haftanstalten sind überfüllt. Es herrscht Lynchjustiz.
Leo Jogiches, der auch unter dem Namen Tyszka bekannte KPD-Funktionär und Mitbegründer des Spartakusbundes, wird von Angehörigen des Freikorps Garde-Kavallerie-Schützen-Division in seiner Wohnung in Berlin-Neukölln auf Befehl Reichswehrminister Gustav Noskes (SPD) verhaftet. Dem Verhaftungskommando gehört auch der ehemalige Beamte der politischen Polizei Ernst Tamschik an. Jogiches, der nach der Ermordung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg die KPD leitet, wird am selben Tage in einer Zelle der Untersuchungshaft in Moabit von dem nunmehrigen Angehörigen der 3. Streifkompanie des Freikorps Reinhard, Kriminalwachtmeister Ernst Tamschik, durch Kopfschuss ermordet. Das Zellengefängnis Moabit - zu dieser Zeit auch mit 4.500 politischen Gefangenen überbelegt - wird zu dieser Zeit vom Freikorps Freiwilligen-Regiment Reinhard geführt. (Das Verfahren gegen Tamschik, der nur wenige Tage später nach Leo Jogiches auch den seinerzeitigen Führer der Volksmarinedivision Heinrich Dorrenbach ermordet, wird durch die Justiz der Weimarer Republik am 3.9.1926 letztmalig eingestellt.)
Denkschrift der Garde-Kavallerie-Schützen-Division zur Schaffung einer spezialisierten Polizei für die Bekämpfung von Unruhen und Bürgerkrieg. Reichswehrminister Gustav Noske (SPD) greift den Vorschlag auf und schlägt dem preußischen Innenminister am 13. März vor, die gesamte Berliner Polizei als unbewaffnete Ordnungspolizei zu verwenden und zusätzlich eine straff militärisch organisierte kasernierte Sicherheitspolizei aufzubauen, die speziell bei Aufruhr und Bürgerkrieg eingesetzt wird. Der Vorschlag wird von Innenminister Paul Hirsch (SPD) und seinem Nachfolger Wolfgang Heine (SPD) aufgegriffen. Noch im März wird eine gemeinsame Arbeitsgruppe des preußischen Innenministeriums, des preußischen Kriegsministeriums und des Reichswehrministeriums eingerichtet, deren Aufgabe die Bildung einer neuen Polizei ist. Im Sommer 1919 nimmt ein Organisationsstab seine Tätigkeit auf und kurz danach werden die ersten Sicherheitspolizeieinheiten in Berlin aufgestellt. Dem Organisationsstab gehören die vom Regiment Reinhard übernommenen Brüder Eugen und Hans v. Kessel an. Im preußischen Innenministerium ist für den Aufbau der Sicherheitspolizei der nach der Novemberrevolution in seinem Amt verbliebene, bei dem Sturz des Polizeipräsidenten der Revolution Eichhorn und der Falschmeldung über spartakistische Polizistenmorde in Lichtenberg eingebundene Geheime Regierungsrat Georg Doyé zuständig. Doyé arbeitet dabei eng mit Waldemar Pabst und den Heeres-Offizieren der Garde-Kavallerie-Schützen-Division zusammen. In den Räumen des Moabiter Kriminalgerichts wird ein Werbebüro eingerichtet, das Soldaten und Offiziere einstellt. Komplett übernommen wird die im Regiment Reinhard speziell für polizeiliche und nachrichtendienstliche Aufgaben eingerichtete 3. Streifkompanie unter Hauptmann Eugen von Kessel.
11. März Den Resten der ehemaligen Berliner Volksmarinedivision, die während der Märzkämpfe u. a. zur Bewachung der Reichsbank abkommandiert waren, wird eine Falle gestellt. Sie werden durch ihre Kassenverwaltung in das Bankgebäude Französische Straße 32 zu einem Löhnungsappell gerufen. Das Gebäude war frühmorgens durch die 3. Streifkompanie des Freikorps Reinhard besetzt worden, weil der Löhnungsappell angeblich zu einer Neuformierung der Volksmarinedivision benutzt werden soll. Die einzeln eintreffenden Matrosen werden durch zivil Gekleidete in den Hof gewiesen und dort gefangen gesetzt. Nach dem sich immer mehr Matrosen einfinden, fragt der hier kommandierende 25jährige Leutnant Otto Marloh um Verstärkung bei Oberst Wilhelm Reinhard an. Der sendet Leutnant Wehmayer, dem er durch Hauptmann Eugen von Kessel (von Kessel ist bei Reinhard mit der Aufstellung einer Spezialtruppe für besondere Aufgaben aus Soldaten und ehemaligen Angehörigen der politischen Polizei, der 3. Streifkompanie, befasst) den Auftrag gibt: "Bestellen Sie dem Oberleutnant Marloh, daß Oberst Reinhard sehr wütend sei, weil er gegen die 300 Matrosen zu schlapp vorgehe. Er solle in ausgiebigstem Maße von der Waffe Gebrauch machen, und wenn er 150 Mann erschösse. Alles, was er erschießen könne, soll er erschießen. Die Verstärkung würde noch ein bis eineinhalb Stunden auf sich warten lassen. Oberst Reinhard wisse auch gar nicht, wo er mit den 300 Leuten bleiben solle.“ Marloh sucht 31 unter den ungefähr 200 Matrosen aus und befiehlt Leutnant Penther, die Leute zu erschießen. Mit einem Maschinengewehr erschießt Penther Jakob Bonczyk, Paul Brandt, Theodor Biertümpel, Ernst Bursian, Kurt Dehn, Otto Deubert, Willy Ferbitz, Robert Göppe, Baruch Handwohl, Walter Härder, Alfred Hintze, Anton Hintze, Hermann Hinze, Walter Jacobowsky, Otto Kanneberg, Willy Kuhle, Max Kutzner, Martin Lewitz, Herbert Lietzau, Max Maszterlerz, Ernst Mörbe, Karl Pobantz, Paul Rösner, Siegfried Schulz, Paul Ulbrich, Werner Weber, Karl Zieske und Gustav Zühlsdorf. Die Obduktion des Matrosen Hermann Hinze z. B. ergibt: „Schwere Schädelverletzung am Hinterkopf, anscheinend durch Kolbenschläge, Zertrümmerung des Schädels, große Ausdehnung des Bruches des linken Unterschenkels, ausgedehnte, von oben nach unten verlaufende Aufschlitzung der linken Wade, anscheinend durch einen Bajonettstich, mehrfache Schußverletzungen an Stamm und Extremitäten“. Der Matrose Türge und Hugo Levin überleben das Massaker und stellen sich tot. Türge flüchtet und Levin wird mit den anderen ins Gefängnis eingeliefert und bleibt am Leben, obwohl Erhardt seine nachträgliche Erschießung fordert. Marloh beruft sich im späteren Prozess im September 1919 erfolgreich auf den Noske-Schießerlass vom 9. März und wird vom Vorwurf des Totschlags freigesprochen. Das Gericht unter dem Vorsitzenden Kriegsgerichtsrat Welt nimmt Marloh ab, dass der Noske-Erlass für ihn ein gültiger Dienstbefehl sei, obwohl die Matrosen gültige Waffenscheine hatten und unter ihnen kein Plünderer war. Penther erklärt im Verfahren auf den Schießbefehl geantwortet zu haben: „Selbstverständlich, herzlich gern will ich die Verbrecher totschießen.“
Bergarbeiterstreik im Kohlerevier von Oelsnitz-Lugau vom 11. bis 13. März.
13. März Das allgemeine Sozialisierungsgesetz wird in der Nationalversammlung angenommen. Das am 23. März in Kraft tretende Gesetz gibt der Weimarer Regierung die Möglichkeit, geeignete wirtschaftliche Unternehmen insbesondere zur Gewinnung von Bodenschätzen oder zur Ausnutzung von Naturkräften per Entschädigung in eine Gemeinwirtschaft (Selbstverwaltungskörperschaften oder staatliche bzw. kommunale Betriebe) zu überführen. Am 24. April tritt ein Gesetz über die Kaliwirtschaft in Kraft. Selbstverwaltungskörperschaften schließen dabei Unternehmer nicht aus. Die Monopolvertreter nehmen in der Folge eine dominierende Stellung ein. Unter der Arbeiterschaft hält sich der Sozialisierungsglaube an nachhaltige Eingriffe der Regierung in privatkapitalistische Unternehmen.
Reichswehrminister Gustav Noske (SPD) teilt der Nationalversammlung mit, dass in Berlin wieder Ruhe herrsche. Er erklärt in dieser 27. Sitzung der Nationalversammlung in Weimar u. a.: „Ich freue mich feststellen zu können, daß Lichtenberg gestern fast kampflos von den Truppen besetzt worden ist. (Beifall bei den Mehrheitsparteien und rechts.) Dazu hat beträchtlich ein Erlaß beigetragen, den ich schweren Herzens am 9. abends unterzeichnet habe. Er lautet: Jede Person, die mit den Waffen in der Hand gegen Regierungstruppen kämpfend angetroffen wird, ist sofort zu erschießen. (Stürmischer Beifall bei den Mehrheitsparteien und rechts.) In höchster Not habe ich mich zu dieser Anordnung entschlossen. Aber ich durfte die Abschlachtung von einzelnen Soldaten nicht weiter dauern lassen, (sehr richtig! Bei den Mehrheitsparteien und rechts) mußte den Versuch machen, dieser Bestialität Einhalt zu tun durch die Androhung härtester Abschreckungsmittel. (Sehr richtig! Bei den Mehrheitsparteien und rechts.) Wenn ich das nicht getan und dadurch eine gewisse Kontrolle geschaffen hätte, insofern wenigstens, als eine Anzahl Offiziere und Mannschaften zusammentreten müssen, um darüber klar zu werden, ob Erschießung stattzufinden habe, wäre die Truppe nicht mehr in der Hand zu halten gewesen, und es hätte entsetzlich viel mehr Blut gekostet als so. (Lebhafte Zustimmung bei den Mehrheitsparteien und rechts.)“ Noske hatte mit seinem Erschießungserlass die in Deutschland geltenden Regeln des Standrechtes aufgehoben. Verfasst hatte den Befehl Hauptmann Waldemar Pabst, erster Gardeoffizier des Freikorps Garde-Kavallerie-Schützen-Division.
Der preußische Kulturminister Konrad Haenisch (SPD) erlässt einen Aufruf an die studentische Jugend, im Kampf gegen Sowjetrussland in das Baltikum-Freikorps einzutreten.
14. März Besetzung Oberschlesiens durch Regierungstruppen.
16. März Eine von der Führung des Bergarbeiterverbandes nach Bochum einberufene Konferenz, an der 575 Vertreter der Arbeiterausschüsse und Betriebsräte des Ruhrgebietes teilnehmen, beschließt gegen den Widerstand ihrer Gewerkschaftsführer: Siebeneinhalbstundenschicht ab 1. April 1919, Siebenstundenschicht ab 1. Januar 1920, Sechsstundenschicht ab 1. Januar 1921 für Arbeit unter Tage. SPD- und Gewerkschaftsführer setzen in der Konferenz die Abkehr von der aus KPD, USPD und SPD am 9. Januar gebildeten Neunerkommission bei Strafe des Verbandsausschlusses durch.
Der von Reichswehrminister Gustav Noske am 9. März in Berlin verhängte Schießbefehl wird aufgehoben. Der Belagerungszustand bleibt jedoch bis Ende 1919 bestehen. Die Kämpfe und Massenerschießungen im März in Berlin fordern nach amtlichen Angaben 1.175 Tote. Dem Generalkommando Lüttwitz gelingt im Ergebnis der Märzkämpfe die geplante Beseitigung aller in der Revolution in Berlin entstandenen Einheiten zu Gunsten der Freikorps, einschließlich der durch die Volksbeauftragten-Regierung geschaffenen Verbände.
17. März Der Reichswehrminister Gustav Noske (SPD) versucht den Leiter der Nachrichtenabteilung des USA-Hauptquartiers Oberst Arthur L. Conger zu überzeugen, dass Deutschland mit einem 100.000 Mann starken Heer nicht auskommen könne.
Im Ruhrgebiet erzwingen die Kumpel des Hamborner Reviers die Sechsstundenschicht, kurz darauf auch die Arbeiter der staatlichen Zechen bei Gladbeck.
18. März In Bayern legt der gewählte neue Ministerpräsident Johannes Hoffmann (SPD) seine aus vier Vertretern der SPD, zwei der USPD und einem Mitglied des Bayerischen Bauernbundes sowie einem Parteilosen bestehende Ministerliste vor. Ihr gehören die vor der Arbeiterschaft diskreditierten sozialdemokratischen Minister der Regierung Eisner nicht mehr an. Der Bayerische Landtag hatte am 17. März in seiner zweiten und vom Zentralrat gebilligten Sitzung das vorläufige Staatsgrundgesetz für den Freistaat verabschiedet, dessen Entwurf noch vom Kabinett Eisner stammt, und den Ministerpräsidenten gewählt. Umstritten ist die Besetzung des Ministeriums für militärische Angelegenheiten. Minister wird hier Ernst Schneppenhorst (SPD), der bei vielen Räten als Vertreter der Konterrevolution angesehen wird, jedoch vom Zentralrat und in seiner Partei Rückhalt hat. In der Ministerratssitzung am Folgetag werden erste Maßnahmen zur Nahrungs-, Wohnungs- und Energiebeschaffung getroffen und Notstandsarbeiten organisiert. Im Innenministerium wird ein Rätereferat eingerichtet, Rätevertreter zu den Ministerratssitzungen zugelassen und als Planungsbehörde ein Zentralwirtschaftsamt zur Durchführung der Sozialisierung gegründet. Für den 8. April setzt Ministerpräsident Hoffmann die Einsetzung des Landtages fest, womit der spürbaren Zunahme revolutionärer Stimmungen seit der Ermordung Kurt Eisners entgegen gewirkt werden soll; ein Termin, der auch von Bedeutung für die Ausrufung der Republik am 7. April werden sollte.
19. März Das Zentralkomitee der Sozialistischen Partei Italiens beschließt den Anschluss an die Kommunistische Internationale.
20. März Der Leiter der Nachrichtenabteilung des USA-Hauptquartiers Oberst Arthur L. Conger, begleitet von einem Major, erörtert mit Prof. Hans Delbrück Friedensbedingungen (Saarland, Kaiser-Wilhelm-Kanal, Dänenfrage, Danzig, Kriegsentschädigung). Prof. Delbrück äußert zur Lage in Deutschland, „… daß die bisherige Politik der Entente Deutschland in die Arme des Bolschewismus treibe und daß angesichts der verzweifelten Lage des Landes die Zahl derer wüchse, die bewußt den Gedanken aufnehmen, im Bunde mit Rußland, mittels des Bolschewismus dann wenigstens auch die Entente zu vernichten“. Der Inhalt des Gesprächs geht an den amerikanischen Präsidenten und ist Thema im deutschen Regierungskabinett.
21. März Proklamation der Räterepublik in Ungarn nach unblutiger Überwindung der bürgerlich-sozialdemokratischen Koalitionsregierung, die den an sie durch das Volk gestellten Forderungen nicht gerecht wurde. Ähnlich wie in Russland, Deutschland und der österreichischen Reichshälfte hatten sich im Gefolge des Weltkrieges auch in Ungarn die politischen und sozialökonomischen Konflikte in einer bürgerlich-demokratischen Revolution entladen. Der Kampf gegen Krieg und Hunger war zunächst auch hier ein Wahlrechtskampf; dann standen Forderungen nach Bodenreform, Nationalisierung und Rätemacht im Zentrum. Massendemonstrationen und die Intervention des Soldatenrates, dem die Budapester Garnison unterstand, hatte den Habsburger Kaiser Karl I., als König von Ungarn Karl IV., am 27.10.1918 veranlasst, diese bürgerlich-sozialdemokratische Regierung bilden zu lassen. Die meisten bürgerlichen Minister unterstützten die Konterrevolution und versprochene sozialökonomische revolutionäre Reformen wurden hinausgezögert. Eigenmächtig begann im Februar die Dorfarmut, unterstützt durch örtliche Räte, Kommunisten und linke Sozialdemokraten, mit der Enteignung der adligen Großgrundbesitzer und damit, Produktionsgenossenschaften der Landarbeiter zu bilden. Die Rätebewegung hatte zunehmend an Einfluss gewonnen. Arbeiter- und Bauernräte übernahmen in den meisten von der Entente noch nicht besetzten Gebieten Ungarns die örtliche Verwaltung. Die Siegermächte Frankreich und Großbritannien, zu dieser Zeit die Hauptkräfte der Intervention gegen Sowjetrussland, beabsichtigten jedoch, Ungarn als Aufmarschgebiet gegen Russland zu besetzen und die revolutionäre Bewegung in Ungarn zum Stillstand zu bringen. Die russische Rote Armee im Bündnis mit der ukrainischen rückt zu diesem Zeitpunkt von Osten her in rumänisches Gebiet vor. Als am 20. März die Ententemächte ultimativ die Abtretung ungarischer Gebiete an ausländische Mächte fordern, wird sich die Führung der Sozialdemokratischen Partei Ungarns bewusst, dass eine sozialdemokratische Regierung nur mit Unterstützung der Kommunisten den revolutionären Prozess sichern und ein Bündnis mit Sowjetrussland Ungarns Unabhängigkeit gewährleisten kann. In dieser neuen politischen Kräftekonstellation wird die bürgerlich-sozialdemokratische Koalition durch eine sozialistisch-kommunistische Räteregierung abgelöst. Die neue Regierung gelangt auf friedlichem Wege an die Macht. Im Unterschied zu Russland und Deutschland wird in Ungarn die zentrale Frage Rätemacht oder Nationalversammlung gewaltfrei entschieden. Der bisherige Präsident Graf Mihály Károlyi tritt zurück, fordert aber alle Bürger auf, die Räteregierung zu unterstützen. Die Sozialdemokraten und die Kommunisten schließen sich zur Sozialistischen Partei Ungarns zusammen, nachdem zu wichtigen Programmzielen Konsens erzielt wurde: Proklamierung Ungarns als Räterepublik, Entwaffnung der Bourgeoisie, Schaffung einer Roten Armee und einer Volksmiliz, Nationalisierung der Industrie, der Banken und des Großhandels, Verbesserung der Lebenslage der Bevölkerung und Abschluss eines Bündnisses mit Sowjetrussland. Der zentrale Arbeiterrat wird aufgelöst und sein bisheriger Präsident, der Sozialdemokrat Sandor Garbai, übernimmt den Vorsitz des Revolutionären Regierungsrates (Ministerpräsident). Leiter des Volkskommissariats für auswärtige Angelegenheiten ist der Kommunist und Vertraute Lenins Béla Kun. Als Ziel der Politik des regierenden revolutionären Rates wird am Folgetag der Aufbau des Sozialismus beschlossen. Von der Ungarischen Räterepublik geht auf Deutschland ein neuer Ansporn im Kampf um die Errungenschaften der Novemberrevolution aus. Mit Massenkundgebungen begrüßen die Arbeiter Europas die ungarische Räterepublik.
22. März Am 22. und 23. März findet in Weimar eine Parteikonferenz der SPD statt, mit der die Parteiführung Kritik an ihrer Regierungstätigkeit aufgreift. In einer Entschließung der Parteikonferenz werden von der Regierung „durchgreifende Maßnahmen zur Demokratisierung der Verwaltung“ gefordert, diese „soll vor allem das Mittel sein zur Umwandlung der kapitalistischen Gesellschaft in eine sozialistische“.
23. März Inkraftsetzung des Sozialisierungsgesetzes. § 2 bestimmt: „Das Reich ist befugt, im Wege der Gesetzgebung und gegen angemessene Entschädigung für eine Vergesellschaftung geeignete Wirtschaftsunternehmungen, insbesondere solche zur Gewinnung von Bodenschätzen und zur Ausnutzung von Naturkräften, in Gemeinwirtschaft zu überführen und im Falle dringenden Bedürfnisses die Herstellung und Verteilung wirtschaftlicher Güter gemeinwirtschaftlich zu regeln.“ Zur Anwendung kommt es im Verlaufe nicht.
24. März In Witten (Ruhr) kommt es vor der Lokalredaktion der „Wittener Volkszeitung“, Augustastraße 24, am 24. und 25. März zu Demonstrationen, mit der die Kumpel Unmut über einen Zeitungsbericht äußern, der laufende Lohnverhandlungen zwischen Bergwerkseignern und Gewerkschaften torpediert. Die Sicherheitswehr geht mit Karabinern und Handgranaten vor; 11 Tote und 37 Verletzte. Die Lage im Industrierevier spitzt sich zu. In der Folge wird am 27. März eine Delegiertenkonferenz in Langendreer einberufen, auf der der Generalstreik beschlossen und im Gefolge am 29. März an die Reichsregierung telegrafiert wird: „Heute fast volle Arbeitsruhe im Industriegebiet, verursacht durch Wittener Unruhen. Konferenz von Delegierten des gesamten Industriegebiets hat Generalstreik beschlossen.“
25. März Der sozialdemokratische „Vorwärts“ spricht sich für die obligatorische Einführung von Schiedsgerichten für Arbeitsstreitigkeiten aus, „um die Streiks in Zukunft unmöglich zu machen“.
Der Vorsitzende des Bergbauvereins und des Zechenverbandes, Gründungsmitglied des Alldeutschen Verbandes, Mitglied im Präsidium der deutschen Industrie und Mitglied des Vorstandes und Ausschusses Deutscher Arbeitgeberverbände, Alfred Hugenberg, wendet sich telegrafisch an Reichsarbeitsminister Gustav Bauer (SPD), um eine Verkürzung der Schichtarbeitszeit im Bergbau zu verhindern. Der Zechenverband sieht sich jedoch bei seinen Verhandlungen mit den vier Bergarbeiterverbänden in Essen am 26. März gezwungen, der Siebeneinhalbstundenschicht zuzustimmen. Die Gewerkschaftsführer erklären, ansonsten ihren mäßigenden Einfluss unter den Kumpels zu verlieren.
In den monatelangen Beratungen der Pariser Friedenskonferenz treten die Gegensätze zwischen den Alliierten hervor. Lloyd George als Vertreter Großbritanniens übergibt der Konferenz ein Memorandum, in dem es heißt: „Ganz Europa ist vom Geist der Revolution erfaßt. Es besteht unter den Arbeitern ein tiefes Gefühl nicht nur der Unzufriedenheit, sondern des Zornes und der Empörung gegen die Vorkriegsverhältnisse. Die ganze bestehende – politische, soziale und ökonomische - Ordnung wird von den Volksmassen von einem Ende Europas zum anderen in Frage gestellt … Es besteht die Gefahr, daß wir die Volksmassen in ganz Europa den Extremisten in die Arme treiben. Die größte Gefahr in der gegenwärtigen Situation scheint mir die zu sein, daß Deutschland sich dem Bolschewismus zuwenden und seine Hilfsquellen, seine geistigen Qualitäten, seine große Organisationsgabe den revolutionären Fanatikern zur Verfügung stellen könnte … diese Gefahr ist keine bloße Einbildung. Die derzeitige Regierung in Deutschland ist schwach; sie wird nicht geachtet; ihre Autorität ist in Frage gestellt; sie ist nur noch da, weil die einzige andere Alternative die Spartakisten sind und weil Deutschland, vorläufig noch, für den Spartakismus nicht reif ist. Aber die Spartakisten haben ein Argument, dessen sie sich gerade jetzt sehr wirkungsvoll bedienen: daß nur sie Deutschland von den unerträglichen Bedingungen erlösen können, die ihm der Krieg hinterlassen hat. Geht Deutschland zu den Spartakisten über, so wird es sich unvermeidlich mit den russischen Bolschewisten verbünden. Ist das aber einmal Tatsache, so wird ganz Osteuropa in den Abgrund der bolschewistischen Revolution hineingerissen … Der Bolschewismus bedroht nicht nur die an Rußland angrenzenden Staaten. Er ist eine Bedrohung für ganz Asien, und er ist Amerika genauso nahe wie Frankreich. Es ist müßig, zu glauben, daß die Friedenskonferenz das ändern kann, auch wenn sie den besten Frieden mit Deutschland zuwege bringt, wenn sie Rußland beläßt, wie es heute ist.“
Beschluss der ungarischen Räteregierung zum Aufbau einer Roten Armee. Sie erreicht im Juni 1919 einen Mannschaftsbestand von 285.000 Personen.
26. März 220 Delegierte aus 85 Betrieben beschließen auf einer Vollversammlung in Stuttgart den Generalstreik. Vorausgegangen war am 20. März die Gründung eines Aktionsausschusses mit dem Ziel, ein sozialistisches Gemeinwesen auf der Grundlage des Rätesystems zu schaffen. Dessen Forderungen: Freilassung der politischen Gefangenen, Aufhebung des Belagerungszustandes sowie des Demonstrations- und Versammlungsverbotes, Wiedereinstellung der nach dem Januarstreik Gemaßregelten waren von der Württemberger Regierung abgelehnt worden.
Die Vollversammlung der Groß-Berliner Arbeiterräte begrüßt den Sieg des ungarischen Proletariats und die Gründung der Räterepublik Ungarn und sichert Unterstützung zu.
28. März Der Reichsminister des Auswärtigen Graf Ulrich Brockdorff-Rantzau (parteilos) und Matthias Erzberger (Zentrum), Chef der Waffenstillstandskommission und Reichsminister ohne Geschäftsbereich, erhalten den Auftrag, über den bestehenden Kanal zwischen dem Bankangestellten Walter Loeb, Mitglied des Arbeiter- und Soldatenrates Frankfurt, und dem Leiter der Nachrichtenabteilung des USA-Hauptquartiers Oberst Arthur L. Conger jene Punkte mitzuteilen, bei denen die Deutschen bei den Friedensverhandlungen nicht nachgeben können: „Punkt 6: In Übereinstimmung mit Punkt 3 wird Deutschland keine wirtschaftlichen Beschränkungen irgendwelcher Art annehmen und die Errichtung einer Gleichheit der Handelsbeziehungen unter den Nationen verlangen, die dem Frieden beistimmen und sich zu seiner Erhaltung vereinigen.“ Als Reparationsleistungen bietet Erzberger die Wiederherstellung Belgiens und Nordfrankreichs an. Kredite der USA sind erwünscht, eine deutsch-amerikanische Übereinkunft bezüglich der Haltung gegenüber Sowjetrussland wird angeregt.
In der Räterepublik Ungarn beschlagnahmt die Regierung Einlagen und Kontokorrents. Jeder Kontobesitzer darf monatlich nur 10 Prozent der Einlage beheben, die aber den Betrag von 2.000 Kronen nicht übersteigen dürfen. (Räte- und Produktionskommissare verdienen maximal 3.000, Arbeiter etwa bis 1.000 Kronen.) Für Arbeitslöhne, Beamtengehälter, Rohstoffbeschaffung sind die Einlagen unbeschränkt zu verwenden. Die revolutionäre Regierung hatte erkannt, dass die Sozialisierung der Geldinstitute Voraussetzung für die Vergesellschaftung ist, denn unter der Herrschaft des Kapitalismus sind die das Finanzkapital vertretenden Geldinstitute Eigentümer oder Geldquellen der industriellen und landwirtschaftlichen Unternehmungen.
29. März Reichskonferenz der KPD in Frankfurt (Main). Wegen des Terrors der Noske-Truppen in Berlin wird beschlossen, die Zentrale der KPD und die Redaktion der „Roten Fahne“ nach Leipzig zu verlegen, wo am 8. April in der Windmühlenstraße ein Büro eröffnet wird.
30. März Schachtdelegiertenkonferenz des gesamten rheinisch-westfälischen Industriegebiets in Essen, einberufen durch den Neunerrat. Trotz am 16. März durch amtliche Gewerkschaftsführer angedrohter Repressalien nehmen 475 Delegierte von 195 Schachtanlagen von insgesamt 250 des Ruhrgebiets teil und beschließen mit Mehrheit: Gründung der Allgemeinen Bergarbeiterunion und Generalstreik für Sechsstundenschicht, 25 Prozent Lohnerhöhung, Anerkennung des Rätesystems, Durchführung der Beschlüsse des 1. Reichsrätekongresses über die militärische Kommandogewalt, Freilassung der politischen Gefangenen, Bildung revolutionärer Arbeiterwehren, Auflösung der Freiwilligenkorps, Entwaffnung der Polizei, Anknüpfung der Beziehungen zu Sowjetrußland, Bezahlung der Streikschichten. In den Zentralzechenrat (Neunerkommission) werden vier Kommunisten und fünf Unabhängige gewählt. Ein Grußtelegramm geht an die Ungarische Räterepublik. Die Bergarbeiterunion stößt wegen ihrer gegen die Zusammenarbeit der amtlichen Gewerkschaftsführer mit den Zechenherrn gerichteten Politik und auch im Gefolge zunehmender Repressalien der Gewerkschaftsverbandsführer bei den Bergarbeitern im mitteldeutschen, sächsischen und oberschlesischen Industriegebiet auf Resonanz.
Die Reichsregierung verhängt den Belagerungszustand über das Ruhrgebiet. Reichsernährungsminister Robert Schmidt (SPD) verbietet die Einfuhr von Lebensmitteln aus den alliierten Lieferungen in das Streikgebiet. Reichsarbeitsminister Gustav Bauer (SPD) organisiert, dass keine Streikschicht bezahlt wird. Streikbrechern wird dagegen Schwerstarbeiterzulage zugesichert. Drei Wochen lang streiken 70-90 Prozent der Bergarbeiter, an denen sich auch Arbeiter anderer Betriebe solidarisch beteiligen.
Freiherr Oskar von Watter, kommandierender General des VII. Armeekorps und Oberkommandierender aller westfälischen Freikorps, verfügt ein Verbot aller Versammlungen und „Schließung der politischen Vereine“. Zusammenstöße zwischen Demonstranten und Sicherheitswehr in Castrop fordern an diesem Tag auf Seiten der Arbeiter 8 Tote. Im Verlauf provozieren diese konterrevolutionären Truppen immer wieder bewaffnete Zusammenstöße.
Die Reichskonferenz der konterrevolutionären Bürgerräte in Berlin orientiert auf die Gründung regionaler Landesbürgerräte. Im Frühjahr 1919 beteiligen sich Bürgerräte in vielen Städten und Gemeinden an der Realisierung bestellter Hilferufe, Erarbeitung von Verhaftungslisten und verschiedenen Orts auch als bewaffnete Formation an der Zerschlagung der Arbeiterräte.
Die SPD hat mit rund 1.090.000 Mitgliedern ihre Vorkriegsstärke fast wieder erreicht. Neben dem Mitgliederwachstum während der Revolution aus der Arbeiterschaft heraus führte die Entwicklung auch solche Berufsgruppen wie Lehrer und Beamte, aber auch Leute, die während des Krieges im konservativen, liberalen oder völkischen Lager standen, in die Partei.
31. März Beginn des Generalstreiks in Stuttgart. Dem Streik schließen sich Arbeiter in Böblingen, Eßlingen, Feuerbach, Friedrichshafen, Gmünd, Göppingen, Kirchheim, Ludwigsburg, Nürtingen, Ravensburg, Sindelfingen, Vaihingen, Waiblingen und Zuffenhausen an. Die streikenden Arbeiter versammeln sich trotz Demonstrationsverbot in Stuttgart, die Regierung begibt sich unter den Schutz der Sicherheitswehren des Leutnant Hahn in den Bahnhofsturm. Paul Hahn hatte als Mitglied des Landesausschusses der Soldatenräte im Dezember 1918 auftragsgemäß mit dem Aufbau der Sicherheitskräfte begonnen und fungiert in diesen Monaten als Oberpolizeidirektor von Stuttgart. Die Sicherheitswehren hatte er bereits zur Niederschlagung der revolutionären Kräfte im Januar genutzt. In der Nacht zum 1. April werden Aufrufe zum Bürgerstreik verbreitet, in denen Geschäftsinhaber, Ärzte, Techniker u. a. zur Unterstützung der Regierung Blos aufrufen. Behörden, Post, Justiz, Banken, Krankenkassen, Ärzte und Apotheken folgen dem Aufruf. Die Regierung erklärt am 1. April den Belagerungszustand. Dennoch finden in Stuttgart Massendemonstrationen statt, an denen auch viele SPD-Mitglieder und Gewerkschafter teilnehmen.
1. April Die Vorständekonferenz der amtlichen Gewerkschaftsverbände beschließt, bei politischen Streiks keine Unterstützung mehr zu zahlen.
Das Freikorps Brigade Erhardt wird dem Garde-Kavallerie-Schützen-Division unterstellt. Im Juni wird sie als Brigade 15 in die vorläufige Reichswehr eingegliedert.
Beginn des bis zum 26. April andauernden Generalstreiks der Ruhrbergarbeiter.
Aus München meldet der Vertreter der Reichsregierung nach Berlin: „Der Ausbruch einer dritten Revolution, die deutliche Spitze gegen das Reich voraussichtlich haben wird, ist in bedrohliche Nähe gerückt. Regierung, die äußersten Ernst der Lage voll einsieht, ist machtlos wegen gänzlichen Fehlens zuverlässiger Truppen und ständigen Nachlinksgleitens der Massen …“
2. April Die Württemberger Regierung lässt die Streikleitung verhaften. Arbeiter verteidigen den Generalstreik bewaffnet. Auch der gegenrevolutionäre Bürgerstreik wird fortgesetzt. Im Landesausschuss des Arbeiterrates wenden sich auch Sozialdemokraten gegen die Forderung der Regierung, den Generalstreik der Arbeiterschaft, nicht aber den des Bürgertums zu beenden.
3. April Erlass des Wahlgesetzes in Ungarn, das Frauen und Männern ab dem 18. Lebensjahr die Teilnahme an den freien und geheimen Wahlen ermöglicht. Vom Wahlrecht ausgeschlossen sind Geistliche und Personen, die Gewinne durch Ausbeutung von Lohnarbeit erzielen. Gewählt werden vom 6. bis 8. April die örtlichen Räte, diese wiederum wählen aus ihrem Kreis die Abgeordneten zum Landesrätekongress, der vom 14. bis 24. Juni als oberste gesetzgebende Körperschaft tagt, die Verfassung beschließt und Ungarn zur Sozialistischen Föderativen Republik erklärt. Zwischen den Rätewahlen ist das vom Rätekongress gewählte, 150 Mitglieder umfassende Zentrale Exekutivkomitee oberstes Machtorgan. Auf seiner ersten Sitzung beruft dieses Exekutivorgan der Republik den Revolutionären Regierungsrat mit Sandor Garbai wieder als Ministerpräsidenten und seinem Stellvertreter, dem Gewerkschafter Antal Dovcsák. Zur Regierung gehören die Volkskommissariate des Äußeren und des Inneren, für Kriegswesen, Justiz, Unterrichtswesen, Volkswohlfahrt sowie das Armeekommando, die hauptstädtische Militärkommandantur, die Rote Wache und Zuständigkeiten für die autonomen Gebiete der Ukrainer und der Deutschen. Der Oberste Volkswirtschaftsrat besteht aus 80 Delegierten der landwirtschaftlichen und Konsumgenossenschaften, der Gewerkschaften, der Materialämter und der lokalen Wirtschaftsräte. Er lenkt die sozialökonomischen Prozesse. Ihm ist ein Direktorium unterstellt.
In Augsburg fordert eine vom zentralen Arbeiter- und Soldatenrat einberufene Volksversammlung mit dem Vorsitzenden Ernst Niekisch (USPD) im Ludwigsbau des Stadtgartens die Ausrufung einer Bayerischen Räterepublik und das Zusammenwirken mit Sowjetrussland und Räte-Ungarn. Die verbreitete Unzufriedenheit der Bevölkerung mit den Revolutionserfolgen und die Forderung nach einer zweiten Revolution ist der Auslöser; in den nächsten Tagen folgt zur Bekräftigung dieser Forderungen ein Generalstreik. Am 4. April erhebt auch eine vom Zentralrat einberufene Versammlung in München und am 5. der Arbeiter- und Soldatenrat in Passau die Forderung nach einer Räte-Republik. Funktionäre der bayerischen SPD suchen sich an die Spitze dieser Entwicklung zu stellen. In der Nacht vom 4. zum 5. April beruft der bayerische Militärminister Ernst Schneppenhorst (SPD) eine Sitzung in das Ministerium für militärische Angelegenheiten ein, an der Vertreter des Zentralrates, der SPD, USPD, auch Minister dieser Parteien, des Bauernbundes, der Anarchisten und der Münchner Stadtkommandant, insgesamt rund 30 Personen teilnehmen. In ihr soll die Frage der Ausrufung einer Räterepublik entschieden werden. Noch in der gleichen Nacht folgt eine zweite Beratung mit 150 Teilnehmern, an der entsprechend einer Forderung des Arbeiterrates auch die KPD teilnimmt. Eugen Leviné spricht sich gegen die Ausrufung der Räterepublik aus: „Wir Kommunisten hegen das größte Mißtrauen gegen eine Räterepublik, deren Träger die sozialdemokratischen Minister Schneppenhorst und Dürr sind, die die ganze Zeit den Rätegedanken mit allen Mitteln bekämpften. Wir können es uns nur als einen Versuch bankrotter Führer, durch eine scheinbar revolutionäre Aktion den Anschluß an die Massen zu gewinnen, oder als eine bewußte Provokation erklären. Wir wissen aus Beispielen in Norddeutschland, daß die Mehrheitssozialisten häufig bestrebt waren, verfrühte Aktionen ins Leben zu rufen, um sie desto erfolgreicher abwürgen zu können. Die ganze Art Eures Vorgehens gebietet die größte Wachsamkeit. Eine Räterepublik wird nicht vom grünen Tisch proklamiert, sie ist das Ergebnis von ernsten Kämpfen des Proletariats und seines Sieges. Das Münchner Proletariat steht noch vor solchen Kämpfen. Wir bereiten uns dazu vor und haben Zeit. Gegenwärtig ist der Augenblick der Proklamierung einer Räterepublik außerordentlich ungünstig. Die Massen in Nord- und Mitteldeutschland sind geschlagen und sammeln sich erst zu neuen Kämpfen, und Bayern ist kein wirtschaftlich geschlossenes Gebiet, das sich selbständig längere Zeit halten könnte. Nach dem ersten Rausch würde folgendes eintreten: die Mehrheitssozialisten würden sich unter dem ersten besten Vorwand zurückziehen und das Proletariat bewußt verraten. Die USPD würde mitmachen, dann umfallen, anfangen zu schwanken, zu verhandeln und dadurch zum unbewußten Verräter werden. Und wir Kommunisten würden mit dem Blut unserer Besten Eure Taten bezahlen …“ Auf Vorschlag des bayerischen Ministers für militärische Angelegenheiten Ernst Schneppenhorst (SPD) wird die Entscheidung um 48 Stunden verschoben, um die anderen Städte Bayerns für die Idee zu gewinnen. Er selbst will in diesem Sinne in Nürnberg überzeugen. In einer dritten Sitzung am 6. April beschließt die Versammlung die Ausrufung der Räterepublik für den Folgetag. Ein Rat der Volksbeauftragten soll gebildet werden.
4. April 215 Zechen des Ruhrgebietes befinden sich im Ausstand. In Essen tagt die Delegiertenkonferenz der Bergarbeiter. 500 Delegierte aus 211 Schachtanlagen (von 250) rufen die Bergarbeiter Mitteldeutschlands und Schlesiens zur Solidarität mit den Streikenden des Ruhrgebietes auf und drohen der Regierung mit Einstellung der Notstandsarbeiten ab 9. April bei Nichterfüllung der Forderungen. Die Delegierten bestätigen den Zechenzentralrat als berufene Führung der Bergarbeiterschaft und sprechen den amtlichen Bergarbeiterverbänden das Recht ab, in ihrem Namen zu handeln. Krupp-Arbeiter schließen sich dem Generalstreik an.
5. April Die Vollversammlung der Groß-Berliner Arbeiter- und Soldatenräte fordert durch Beschluss alle Arbeiter auf, „mit ehemaligen Zugehörigen zu den Noske-Garden“ nicht zusammenzuarbeiten.
Reichserwerbslosenkongress am 5. und 6. April in Berlin, auf dem auch ein Bekenntnis zur internationalen Räteherrschaft beschlossen wird und der Ungarischen Räterepublik herzlichste Grüße übermittelt werden.
Versammlung der Revolutionären Obleute von Hamburg-Altona. Ernst Thälmann (KPD) spricht zum Thema: „Die Revolution in Ungarn – und wir?“ Im Gegensatz zu den Ungarn sitze in Preußen-Deutschland das Junkertum und der Kapitalismus genauso fest im Sattel wie vor der Revolution. Das Gebot der Stunde sei Abschaffung der Lohnarbeit durch genossenschaftliche Produktionsweise.
6. April Johann Knief, Führer der Bremer Kommunisten, gestorben.
7. April Proklamierung der Räterepublik Bayern und der Bildung eines Rates der Volksbeauftragten als Regierung. Die Bevölkerung erfährt an diesem Tag, dass nun die Diktatur des Proletariats eingeführt sei; die Volksbeauftragten-Regierung Bayern wird mit Mitgliedern der USPD, des Bayerischen Bauernbundes und den Anarchisten besetzt. Die SPD beteiligt sich nun nicht mehr an einer Räterepublik Bayern und ließ dafür eine Urabstimmung ihrer Mitglieder vorausgehen. Die KPD lehnt eine Teilnahme ab, bezeichnet Bayern in diesen Tagen als Schein-Räterepublik, stellt sich dem Zentralrat aber als Berater zur Verfügung. Der alte Staatsapparat aus königlich Wittelbacher Zeit arbeitet weiter. Auch in Würzburg, Regensburg, Ansbach und Passau wird die Rätemacht an diesem Tag ausgerufen, am 8. dann in Schweinfurt, Hof, Rosenheim u. a. Orten. In fast allen Städten erklären sich große Teile der Arbeiterschaft für die Rätemacht; auf dem Lande findet sie keine Anhänger.
Die Führer der vier Bergarbeitergewerkschaftsverbände des Ruhrgebiets fordern vom Zechenverband der Grubeneigner, wenigstens vorübergehend die Sechsstundenschicht einzuführen, da nur so „die Bergleute wieder in die Hand der Organisationen kommen würden“. Der Zechenverband lehnt ab. Das Reichstagsmitglied Carl Severing (SPD) wird zum Reichs- und Staatskommissar für das Ruhrgebiet ernannt.
In Württemberg bricht der Aktionsausschuss nach achttägiger Dauer den Generalstreik ab. Die Gruppen der zum Schutz der Streikenden bewaffneten Arbeiter können die terroristischen Provokationen der besser bewaffneten Sicherheitstruppen nicht unterbinden. Clara Zetkin macht am 14. April in der Württembergischen Landesversammlung deutlich: „Der Streik ist herausgewachsen aus der tiefen Unzufriedenheit der Massen mit den Lebensbedingungen, in denen sie stehen, aus der tiefen Enttäuschung der Massen darüber, daß die Revolution, die sie im November begonnen haben, für sie bis jetzt nicht ernstere, nicht bessere Früchte getragen hat.“
Bis zum 9. April andauernder Generalstreik in Magdeburg gegen die Verhaftung von Mitgliedern des Arbeiter- und Soldatenrates. Im Gefolge: Belagerungszustand.
Bergarbeiter im Lugau-Oelsnitzer Revier streiken bis zum 16. April für Siebenstundenschicht und Sozialisierung.
8. April In Berlin findet vom 8. – 14. April ein zweiter Reichsrätekongress statt. Mit dem Beschluss des Zentralrates zur Übertragung der Macht der Arbeiter- und Soldatenräte an die Reichsregierung vom 4. Februar 1919 und trotz entsprechender Behinderungen durch Volksbeauftragten- bzw. Weimarer Regierung und Militär, vor allem auch trotz andauernder Pressekampagnen gegen die Räte, war ihr Wirken in Deutschland nicht beendet worden. Am 31. Januar 1919 hatte die Vollversammlung der Berliner Arbeiter- und Soldatenräte gefordert, diesen Kongress einzuberufen. Durch den Zentralrat unbeantwortet, ergab sich die Möglichkeit für die Berliner, selbst als Einlader des Kongresses zu fungieren, mithin Tagesordnung und Richtlinien für das Delegiertenwahlverfahren festzulegen. Daraufhin wurde am 2. März schnell die Kongress-Einladung unter dem Thema „Die Entwicklung der Dinge in Deutschland“ durch den Zentralrat in Abstimmung mit der Reichsregierung bekannt gemacht. Delegierte: 146 SPD, 56 USPD, 26 von Soldatenräten, 12 Demokraten, 10 von Bauern- und Landarbeiterräten und je einer Zentrum, Volkspartei, Deutschnationale Partei. Der Kongress wählt erneut einen Zentralrat: 16 Sozialdemokraten, einen Vertreter der Demokraten, einen des Bauernbundes und einen der christlichen Gewerkschaft sowie zwei Soldatenvertreter. Mit dem zweiten Reichsrätekongress sollte nach den Vorstellungen der Vollversammlung des Berliner Arbeiter- und Soldatenrates eigentlich die Stellung der Räte geklärt werden. Die Vorstellungen der SPD-Führer konzentrieren sich jedoch darauf, die Werktätigkeit des deutschen Volkes wieder in Gang zu setzen und die in der Vorstellungswelt der Arbeiterschaft fest verankerten Räte in die Weimarer Demokratie zu integrieren. Der Kongress beschließt, die Räte ihres politischen Charakters zu entkleiden und als Betriebsräte zu Berufsvertretungen mit ausschließlich wirtschaftlichen und sozialen Aufgaben zu installieren und darauf zu beschränken. Die allmähliche Umwandlung der politischen Arbeiter- und Soldatenräte in Betriebs- und Wirtschaftsräte gelingt, und mit dem Betriebsrätegesetz im Februar 1920 und dem Erlass der Verordnung über den vorläufigen Reichswirtschaftsrat im Mai 1920 stellt dieser Zentralrat selbst seine Tätigkeit ein. Die KPD boykottiert die Wahlen zum Reichsrätekongress, nachdem Karl Zörgiebel (SPD), Albert Grzesinski (SPD), Hermann Müller (SPD) u. a. Mitglieder des Zentralrates die Wahl der Delegierten zum Reichsrätekongress nach Bezirken und nicht in den Betrieben und Truppenteilen verordnet hatten. Wähler ist so jeder, der ein Einkommen bis zu 10.000 Mark hat. Der Kongress wird zur Beruhigung der von der Nationalversammlung enttäuschten und in Generalstreiks stehenden Arbeiter genutzt.
9. April Verhandlungen zwischen Gustav Bauer (SPD, Arbeitsminister), Carl Severing (SPD, Reichs- und Staatskommissar im Ruhrgebiet) für die Regierung und dem Zechenverband und den Gewerkschaften. Beschluss über die Siebenstundenschicht (und Kohlenpreiserhöhung) und die Zwangsarbeit für Notstandsarbeiten auf den Zechen. Verhaftung des Zentralzechenrates. Blutbad in Essen.
Kämpfe in Würzburg (5 Tote).
Die Streikwelle greift auf Braunschweig über. In Braunschweig wird zur Unterstützung der Bergarbeiter an der Ruhr der Generalstreik ausgerufen, der bis zum 15. April andauert. Während dieser Zeit befindet sich die Macht im Land Braunschweig faktisch in den Händen der Streikleitung. Die Teilnehmer der Streik-Massenkundgebungen verlangen die Abschaffung des alten Militärsystems und der Freiwilligenkorps, alle Macht für die Räte, die Aufhebung der Nationalversammlung und aller Landesversammlungen sowie die sofortige Verbindung mit Sowjetrussland und der Ungarischen Räterepublik. Forderungen nach Errichtung einer Räterepublik im März hatten sich nach einer Urabstimmung in den Betrieben als nicht mehrheitsfähig erwiesen. Der Generalstreik wurde u. a. vom Bezirksvorsitzenden der USPD August Merges, dem Volksbeauftragten für Arbeit und Leiter der Volkswehren Carl Eckardt (USPD) und dem früheren Polizeipräsidenten von Groß-Berlin Emil Eichhorn (USPD), der sich nach den Berliner Januarkämpfen hierher abgesetzt hatte, organisiert. Das Bürgertum antwortet mit einem gegenrevolutionären Bürgerstreik, an dem sich auch die Ärzteschaft beteiligt.
Französische Matrosen und Soldaten verweigern am 9. April 1919 den Befehl zur Gegenoffensive, nachdem die Interventen Anfang April Odessa und Sewastopol vor der heranrückenden Roten Armee Sowjetrusslands hatten räumen müssen. Im März hatte bereits das 176. Infanterieregiment in Cherson gemeutert und Kontakt zu den Matrosen aufgenommen. Die Verbrüderungen mit den Russen nehmen zu.
10. April Verschärfung des Terrors gegen die Bergarbeiter des Ruhrgebiets. Nur Streikbrecher erhalten Lebensmittel über die Hungernorm hinaus. Für Verweigerung der streikbrechenden, gesetzlich erzwingbaren Notstandsarbeiten werden Gefängnisstrafen bis zu einem Jahr verhängt.
Der bayerische Minister für militärische Angelegenheiten, Ernst Schneppenhorst (SPD), der maßgeblich die Ausrufung sozialistischer Republiken provozierte, zieht mit dem Freikorpsführer Oberst Franz Ritter von Epp und seinen Truppen in Ingolstadt ein.
11. April „Die Rote Fahne“ erscheint in Leipzig.
Die Arbeiter in Hagen und Schwelm streiken zur Unterstützung der Ruhrbergarbeiter.
Generalmajor Georg Maercker rückt mit seinem Freiwilligen Landesjägerkorps und auf 10.000 Mann verstärkten Truppen auf Befehl der Reichsregierung auf Braunschweig vor, um den am 9. April begonnenen Generalstreik zur Unterstützung der Streikenden im Ruhrgebiet mit Waffengewalt zu beenden. Reichswehrminister Gustav Noske (SPD) verhängt am 13. den Belagerungszustand über den Freistaat Braunschweig. Maercker hatte in Vorbereitung auf die Aktion Spitzel zur Sondierung der revolutionären Zentren eingesetzt. Am 16. April bricht die Streikleitung den Generalstreik ab, Maercker rückt am 17. kampflos in Braunschweig ein. Volkswehr und Volksmarine werden aufgelöst und statt ihrer das Jägerbataillon Braunschweig und eine Einwohnerwehr aufgestellt. Ende April wählt der Braunschweiger Landtag eine Regierung aus SPD, USPD und DDP.
Kämpfe mit dem Freikorps Lichtschlag in Düsseldorf vom 11. bis 13. April fordern 40 Tote.
Reichspräsident Friedrich Ebert (SPD) telegrafiert an die Münchner SPD-Regierung Hoffmann, die sich nach Bamberg geflüchtet hat: „… Erscheint militärisches Vorgehen einzig mögliche Lösung. Dass je rascher und durchgreifender dieses erfolgt, um so weniger Widerstand und Blutvergießen zu erwarten ist, hat schon die Erfahrung an anderen Stellen gelehrt.“
12. April Das mit Ausrufung der Bayerischen Räterepublik nach Bamberg geflohene Kabinett Hoffmann tagt zum ersten Mal wieder. In den folgenden Wochen dominiert im Zusammenwirken mit der Reichsregierung ihre Tätigkeit der Kampf gegen das Räteregierungssystem, vor allem in München und Augsburg. Die Hoffmann-Regierung setzt enorme Mittel für Propaganda ein, sucht mit der Anzettelung von Putschen wieder in Regierungsverantwortung zu kommen und verhängt Wirtschaftsblockaden, die zu Engpässen der Versorgung in Augsburg und München führen. Eine Augsburger Delegation verhandelt in Bamberg. Die Hoffmann-Regierung verspricht bei Lossagung der Stadt von der Münchener Räterepublik einen neutralen Status bei gleichzeitiger Aufhebung der Wirtschaftsblockade. Am Folgetag wird in einer Massenversammlung der Arbeiterschaft in Augsburg unter dem Zwang der Wirtschaftsblockade die Aufgabe der Räteverfassung beschlossen. Der abgesetzte Ministerpräsident Hoffmann entscheidet am 18. April dessen ungeachtet den Einmarsch der Regierungstruppen zur Besetzung Augsburgs.
Sturz der Rätemacht in Würzburg.
In Dresden wird der sächsische Minister für Militärwesen, Gustav Neuring, (SPD, Gewerkschafter) bei einer Demonstration der Kriegsbeschädigten ermordet. Die Anweisung der Reichsregierung, den Sold für Kriegsversehrte und ehemalige Soldaten zu kürzen, führt in Dresden zu einem Aufruhr. 5-600 Betroffene, darunter – wie ein späterer Prozess zeigt - viele Spitzel, versammeln sich auf dem Theaterplatz an der Elbe. Eine Delegation versucht den Kriegsminister zu sprechen, der verweigert sich und droht mit Verhaftung. Das Kriegsministerium ist von Demonstranten umstellt. Nach einem Feuergefecht wird die Hauswache entwaffnet, herbeigerufene Regierungstruppen mischen sich nicht ein und Neuring wird zur Augustbrücke geführt, wo er in die Elbe geworfen und erschossen wird. Am Folgetag wird der Belagerungszustand ausgerufen.
13. April Konterrevolutionärer Putsch in München. Die Republikanische Schutzwehr, eine mit Finanzierung der Antibolschewistischen Liga von Alfred Seyffertitz aus gedienten Frontsoldaten aufgebaute Einheit, die nach der Flucht der Regierung Hoffmann in München verblieben war, versucht am Sonntag, dem 13. April, den revolutionären Zentralrat der Räte-Regierung abzusetzen und die Regierung Hoffmann wieder einzusetzen (Palmsonntagsputsch). Alfred Seyffertitz hatte noch am 8. April im Namen der Truppe die Erklärung der Münchner Garnison mit unterschrieben, sie stünde „geschlossen hinter der sozialistisch-kommunistischen Räterepublik.“ Am 10./11. April suchte Alfred Seyffertitz in der Putsch-Sache Hoffmann in Bamberg auf. Vom Militärminister der Hoffmann-Regierung, Ernst Schneppenhorst (SPD), waren in der Umgebung Münchens Truppen bereitgestellt. Am Morgen des 13. dringen von Feldwebel Aschenbrenner angeführte Mannschaften früh in die Räume des Zentralrats der Räterepublik im Wittelsbacher Palais ein, verhaften 13 Personen und überführen sie auf Geheiß des Münchner Stadtkommandanten in das Gefängnis Eichstätt: Erich Mühsam (Schriftsteller, Anarchist), Dr. Franz Lipp (Volksbeauftragter für Äußeres, USPD), Fritz Soldmann (Volksbeauftragter für Inneres, USPD), August Hagemeister (Volksbeauftragter für Volkswohlfahrt, USPD), Otto Killer (zeitweiliger Volksbeauftragter für Militär), Arnold Wadler (Volksbeauftragter für Wohnungswesen, USPD), Josef Baison (Rev. Zentralrat), Georg Kandlbinder (SPD), Anton Hofmann (KPD), Rudolf Reimund Ballabene, Hans Bastian (beratendes Mitglied im Zentralrat), Anton Kurth (Vorsitzender der USPD Sendling), Alfons Braig und Leopold Ballabene. Mittags beginnt der bewaffnete Kampf der Arbeiterschaft gegen die Putschisten. Teile der Münchner Garnison schließen sich an. Die KPD hatte die Waffenbeschaffung und Bewaffnung der Arbeiter organisiert und Verbindung zur Garnison aufgenommen. Die Putschisten werden zum Hauptbahnhof zurückgedrängt, erschießen dort drei Parlamentäre der Arbeiter und werden unter Leitung des Matrosen Rudolf Egelhofer (KPD) niedergeschlagen. Auch die anderen Einheiten der Putschisten ergeben sich. Entwaffnet wird auch die Polizei. Die Gefechte fordern insgesamt 21 Todesopfer; Seyffertitz entflieht mit verbliebenen Schutzwehrangehörigen nach Eichstätt. Ein Teil der Münchner Truppen, die sich vordem für die Räteregierung erklärt hatten, unterstützte die Putschisten, andere verhielten sich neutral. In diesem Zusammenhang sieht „Die Rote Fahne“ nach der Niederschlagung des Putsches am 16. April die Notwendigkeit bestätigt, wonach die Revolution sich ihre eigenen, proletarischen Machtorgane schaffen muss: „Die Trümmer der Armee, die aus dem Zusammenbruch des Imperialismus übrigblieben, sind kein Fundament der proletarischen Diktatur.“ Der im Einvernehmen mit dem abgesetzten, nach Bamberg ausgewichenen bayerischen Ministerpräsidenten Johannes Hoffmann (SPD) und dessen Militärminister Ernst Schneppenhorst (SPD) organisierte Putsch gegen die seit einer Woche bestehende Räterepublik scheitert am Widerstand der im Aufbau befindlichen Roten Armee unter dem Kommando von Rudolf Egelhofer (KPD), einem der Verurteilten der Matrosenerhebung von 1917. Während der Kämpfe war der alte Zentralrat abgesetzt und für die gesetzgebende und vollziehende Gewalt ein 15köpfiger Aktionsausschuss geschaffen worden. Dieser Ausschuss hatte den Vollzugsrat mit Eugen Leviné, Max Levien und Willi Budich von der KPD und Ernst Maenner und Wilhelm Duske von der USPD gewählt. Nach der Niederschlagung des Putsches wird der Generalstreik ausgerufen, um die Arbeiterschaft zu bewaffnen, den Verwaltungsapparat zu säubern und die Lebensmittelversorgung sicherzustellen. Der revolutionäre Vollzugsrat übernimmt die Macht im Freistaat Bayern, das Bürgertum wird entwaffnet und die Verwaltung der Stadt den Betriebsräten übertragen. Die Rote Armee der Räterepublik unter dem Oberbefehl von Rudolf Egelhofer, nach der Niederschlagung des Putsches auch Stadtkommandant von München, umfasst zum Ende des Streiks am 22. April über 12.000 Mann. Die Räteregierung bildet eine Kommission zur Bekämpfung der Gegenrevolution, und den Polizeidienst versieht eine Rote Garde. Telefon- und Telegrafenverbindungen werden ständig überwacht. Die Banken werden strenger Kontrolle unterworfen, Tresorgeld beschlagnahmt, Geldabhebungen limitiert. In den meisten Betrieben wird Arbeiterkontrolle über Produktion, Korrespondenz, Finanzoperationen sowie Personaleinstellung und -entlassung eingeführt. Zeitungen sind verboten. Ein Propagandaausschuss arbeitet auf dem Lande und in den Kasernen und gibt im Auftrag der Räteregierung ein Mitteilungsblatt zu nationalen und internationalen Themen und ihren Verlautbarungen heraus. Nach dem Generalstreik erscheint auch die Presse der SPD, USPD und KPD wieder, die bürgerliche bleibt verboten. Der Vollzugsrat der bayerischen Räterepublik sendet Begrüßungstelegramme an die russische und die ungarische Räteregierung. Lenins Antworttelegramm vom 27. April mit umfangreichen Ratschlägen erreicht sie nicht mehr.
In Bremen wird durch das Gewerkschaftskartell sowie Ortsgruppen der KPD und USPD der Landesregierung ein Ultimatum gestellt. Gefordert werden u. a. Entwaffnung des Bürgertums und Bewaffnung der gewerkschaftlich und politisch organisierten Arbeiter sowie Aufhebung des Belagerungszustandes und Freilassung der Inhaftierten vom 4. Februar.
14. April Bis zum 22. April andauernder Generalstreik in München zur Durchführung der Bewaffnung der Arbeiter. Der parallel zur Volksbeauftragten-Regierung in München von Bamberg aus weiter agierende Ministerpräsident Johannes Hoffmann (SPD) „garantiert allen von der Räteregierung entlassenen Beamten, Lehrern und Offizieren ihre Stellung und alle ihre Rechte … Sie wird aber zugleich ausnahmslos alle Beamten usw. von ihren Posten entfernen, die pflichtvergessen und zum Schaden des Landes in der Zeit der größten Not die vom Volke eingesetzte Regierung treulos im Stich gelassen oder gegen sie gearbeitet haben.“ Hoffmann u. a. Minister und Führer bürgerlicher Parteien hatten sich vor der revolutionär gesinnten Arbeiterschaft nach Bamberg geflüchtet. Von hier wird die Reichsregierung in Weimar um Hilfe ersucht. An diesem Tag ruft die Hoffmann-Regierung die Arbeiter, Bauern und Bürger auf, zum Schutze des Landes und der Freiheit Volkswehren zu bilden. Die Verpflichtungserklärung der Freiwilligen lautet: „Ich verpflichte mich auf Handschlag, im Sinne der rechtmäßig gewählten Regierung Hoffmann für den Schutz der Stadt und Umgebung mit meiner ganzen Person einzutreten und Ordnung und Sicherheit der Person und des Eigentums sämtlicher Bewohner von Stadt und Umgebung auch mit Waffengewalt zu gewährleisten und zu verteidigen sowie in Stadt und Umgebung für die Regierung Hoffmann einzutreten. Ich verpflichte mich zu vollem Gehorsam und Unterordnung unter meine Führer, solange sie in diesem Sinne handeln.“
15. April Truppen überfallen die Konferenz der Schachtdelegierten in Heiligenhaus, Kreis Düsseldorf, schießen einige Delegierte nieder und verhaften alle.
Die Rote Armee der Bayerischen Räterepublik zwingt die Truppen der gestürzten Regierung Hoffmann zum Rückzug aus Allach und Karlsfeld, am 16. auch aus Rosenheim. In Dachau wird, unterstützt durch die Arbeiter der Pulverfabrik, eine starke konterrevolutionäre Truppe besiegt und in die Flucht geschlagen. Die Hoffmann-Regierung stützt sich militärisch zunächst auf kleinere Freikorpsgruppierungen. Die regulären bayerischen Truppen weigern sich überwiegend, gegen die Räterepublik vorzugehen.
In Berlin entscheidet im Streit um Verbleib oder Nichtverbleib von Bildern und Büsten der Kaiserfamilie in städtischen Gebäuden Oberbürgermeister Adolf Wermuth, dass als Symbole der Staatsgewalt nur solche der gegenwärtigen Staatsform Platz finden sollen.
Bergarbeiterstreik in Oberschlesien bis 3. Mai.
16. April Generalstreik in Bremen bis 30. April. Als Teilerfolg wird die Auflösung der Bürgerwehr durchgesetzt. Am 23. April wird der Belagerungszustand über das Stadt- und Landgebiet Bremens verhängt, der erst am 10. September aufgehoben wird.
17. April Die Arbeiter der Daimler-Werke und der Bosch-Werke in Stuttgart streiken gegen die Entsendung württembergischer Truppen nach Bayern.
Die Bamberger Hoffmann-Regierung vereinbart mit der Weimarer Reichsregierung, preußische, bayerische und württembergische Truppen jeweils unter einem General und unter der Oberleitung des Reichswehrministers Gustav Noske (SPD) gegen München aufzubieten.
18. April In Offenbach richten gegenrevolutionäre Truppen ein Blutbad unter Demonstranten an. Belagerungszustand.
20. April Augsburg am Ostersonntag nach schweren Kämpfen durch Regierungstruppen besetzt. In Oberhausen und Lechhausen entwaffnen Arbeiter Regierungstruppen. Im Gefolge der zweitägigen Kämpfe in Augsburg gibt es 44 Tote; die bewaffnete Arbeiterschaft weicht der Übermacht der Regierungstruppen.
Der Aufstand der französischen Schwarzmeerflotte greift auf die in Sewastopol liegenden Schiffe über. In der Nacht vom 19. zum 20. April übernehmen Matrosen unter Führung des Chefmaschinisten André Marty und des Maschinisten Louis Philippe Badina die Kontrolle über das Schlachtschiff Jean Bart und über ihr Schwesterschiff France. Sie hissen rote Fahnen und verlangen die sofortige Einstellung des Kampfes gegen Sowjetrussland. „Nieder mit dem Krieg“ und „Schluß mit dem Mord an Kindern und Frauen“ sind ihre Forderungen. Die Meuterei greift auf weitere kleinere Schiffe über, so auf das Schlachtschiff Vergniaud und den Kreuzer Waldeck-Rousseau, wo man Marty vergeblich zu arretieren versucht hatte. Nach viertägigen Verhandlungen mit den Meuterern stimmt Vize-Admiral Jean-François-Charles Amet zu, die gesamte französische Flotte aus dem Schwarzen Meer abzuziehen.
22. April Generalstreik in Augsburg bis 24. April.
23. April Reichswehrminister Gustav Noske (SPD) ordnet in einer Direktive für die Niederschlagung der Bayerischen Räterepublik die Beteiligung des Bayerischen Schützenkorps (Freikorps Epp) in Augsburg und noch zu sammelnder bayerischer Streitkräfte an. Vertreter der Hoffmann-Regierung bei den Streitkräften als Bayerischer Oberbefehlshaber ist Generalmajor Arnold Ritter von Möhl. Dieser schließt sich bis zum Aufbau einer eigenen Truppe dem Oberbefehlshaber der Interventionsstreitkräfte Generalleutnant Ernst von Oven an und übernimmt nach Niederschlagung der Räterepublik und Abzug Ovens den Oberbefehl.
24. April Die Zahl der Streikenden im Ruhrgebiet ist auf 130.000 gefallen und sinkt schnell.
Streiks in Oberschlesien.
Konterrevolutionäre Truppen und Volkswehr gehen in Hindenburg und Gleiwitz bis zum 26. April gegen Demonstranten vor. In Gleiwitz versuchen Demonstranten den Zwangsverkauf gehorteter Waren zu Friedenspreisen zu erzwingen. Das Freikorps Aulock wird eingesetzt. Leutnant Hubertus Aulock lässt in die Menge schießen; neun Tote und viele Verwundete. Dennoch bleiben die Demonstranten auf der Straße. In der Folge kommt es zum Streik. Gefordert werden u. a. die Aufhebung des Belagerungszustandes, die Ersetzung des Grenzschutzes durch die Arbeitermiliz, Entlassung politischer Gefangener, Selbstverwaltung für Oberschlesien und sechsstündige Arbeitszeit. Am 26. schließen sich die Elektrizitätswerke, am 29. die großen Hüttenwerke Oberschlesiens dem Ausstand an und am 30. wird der Generalstreik vorbereitet. Eine zentrale sowie Bezirksstreikleitungen werden gebildet. Am 1. Mai demonstrieren 50.000 in Hindenburg und zwingen das dort ebenfalls operierende Freikorps Lichtschlag zum Abzug. Große Demonstrationen auch in Beuthen, Königshütte und Kattowitz. Polnische Gewerkschaftsvereine schließen sich an. Mit militärischen Gestellungsbefehlen werden die Streikenden in der Folge wieder zur Arbeit gezwungen.
25. April Reichswehrminister Gustav Noske (SPD) verordnet nach dem Beispiel der Bamberger Regierung Hoffmann vom 14. April die Bildung von Einwohnerwehren für ganz Deutschland. Das Bürgertum forciert, nun legalisiert, im gesamten Reich die Schaffung bewaffneter paramilitärischer Kampfverbände, die unter der Arbeiterschaft als Noskegarden bezeichnet werden. Ihre Organisation erfolgt vor allem durch von der Reichswehr besoldete Offiziere und als Hilfstruppen der Regierungseinheiten. Bereits nach den Weihnachtskämpfen im Januar hatte Noske die Bewohner Berliner Vororte aufgerufen, Einwohnerwehren zu bilden, um den Regierungstruppen Rückhalt zu geben. Eine Wilmersdorfer Einwohnerwehr war im Januar mit dem Aufspüren und Verhaften von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht dienlich.
Die nach Bamberg geflohene, abgesetzte bayerische Regierung Hoffmann (SPD) verhängt aus Bamberg über Bayern das Standrecht. Der Oberkommandierende der Reichswehr, Gustav Noske (SPD), hatte Truppen mit Erfahrung bei der Niederschlagung von Aufständen gegen die Bayerische Räterepublik zusammengezogen und gegen die Hauptstadt München in Marsch gesetzt. Im Korpsbefehl des mit der konterrevolutionären Aktion beauftragten Generalleutnants Ernst von Oven heißt es an diesem Tag: „Die Bevölkerung wird rechtzeitig aufgeklärt werden, daß wir als Reichstruppen zu ihrer Befreiung von spartakistischer Gewaltherrschaft kommen. Sie wird gleichzeitig aufgefordert werden, die Waffen abzugeben. Jeder bewaffnete Bürger gilt also als Feind und ist als solcher zu behandeln. Die Gruppen haben ihre Aufträge mit Gewalt durchzuführen, jedes Verhandeln mit dem Feinde oder mit der Bevölkerung ist verboten. Milde wird als Schlappheit, Gutmütigkeit als Unzuverlässigkeit der Truppe gedeutet.“ Angeordnet wird der Einsatz von Flugzeugen, Panzerwagen sowie Flammenwerfern und des Blaukreuz-Kampfstoffs des Weltkrieges. 30.000 der Roten Armee der Bayerischen Räteregierung stehen 60.000 Mann der konterrevolutionären Truppen der Reichsregierung gegenüber. Am 20. April hatten die Regierungstruppen Augsburg besetzt, nachdem die Arbeiter in den Vororten nach drei Tagen ihren Widerstand aufgaben.
27. April Der Aufstand der französischen Flotte im Schwarzen Meer weitet sich bis Mai 1919 zu einem Marineaufstand auch in den französischen Heimathäfen aus und zwingt die französische Regierung, die direkte bewaffnete Intervention in Sowjetrussland einzustellen. Der Matrosenaufstand ist der Höhepunkt der Bewegung „Hände weg von Sowjetrußland“.
In Stettin überfallen konterrevolutionäre Truppen auf dem Weg zum Einsatz gegen die Sowjetunion eine Kundgebung der KPD.
28. April In Stettin treten die Arbeiter der großen Werften und Industriebetriebe in einen Demonstrationsstreik. Soldaten, vor der Einschiffung zur Teilnahme am antisowjetischen Interventionsfeldzug in das Baltikum, hatten am Vortag eine kommunistische Versammlung beschossen, wobei es Tote und Verwundete gab. 10.000 Demonstranten erzwingen in Verhandlungen mit dem Oberpräsidenten der Provinz Pommern, Julius Lippmann (DDP), und dem General des II. Armeekorps, Richard von Kraewel, den Abzug der Söldner.
Der geheime Nachrichtendienst des Gruppenkommandos Ulm schreibt in seinem Bericht über die Lage der Bayerischen Räterepublik in München: „Stellung des Vollzugsrates in München wird täglich schwieriger. Unstimmigkeiten zwischen Vollzugsrat und Münchner Kasernenräten und Vollzugsrat und Betriebsräten nicht beigelegt. Seit Generalstreik wegen Bargeldmangel abgebrochen werden mußte, Zutrauen zur kommunistischen Räterepublik stark erschüttert. Beteiligung aktiver Soldaten an der Roten Garde stark im Zurückgehen.“ Der Nachrichtensammelstelle des Ministeriums für militärische Angelegenheiten der Bamberger Regierung Hoffmann wird bekannt: „Viele Soldaten äußern im Falle des Eindringens der Regierungstruppen, sofort zu diesen übergehen zu wollen.“
29. April In Jena Generalstreik für den Abzug gegenrevolutionärer Truppen.
30. April Sieben Mitglieder der nationalistisch-antisemitistischen Thule-Gesellschaft und weitere drei Personen werden im Garten des Münchner Luitpoldgymnasiums durch Rotarmisten erschossen: Prof. Ernst Berger (österreichischer Maler), Anton Daumenlang (Eisenbahnsekretär, Thule-Gesellschaft), Walter Deike (Kunstgewerbezeichner, Thule-Gesellschaft), Walther Hindorf (Soldat des 8. Husarenregiments), Fritz Linnenbrügger (Soldat des 8. Husarenregiments), Walter Neuhaus (Kunstmaler, Mitbegründer der Thule Gesellschaft), Friedrich Wilhelm von Seydlitz (Thule-Gesellschaft), Freiherr Franz Karl von Teuchert (Freikorps Regensburg und Thule-Gesellschaft), Prinz Gustav von Thurn und Taxis (Thule-Gesellschaft) sowie Gräfin Heila von Westarp (Schriftführerin der Thule-Gesellschaft). Am 26. April hatte die räterepublikanische Polizei eine Hausdurchsuchung des Büros der Thule-Gesellschaft im Hotel „Vier Jahreszeiten“ durchgeführt, dort Waffen beschlagnahmt, man fand antisemitische Flugblätter, echte Stempel der Stadtkommandantur, gefälschte Ausweise und sonst für konspirative Arbeit Nützliches sowie ein Verzeichnis aller Thule-Mitglieder. Verhaftet wurden die Schriftführerin Gräfin Heila von Westarp, ihr Sekretär und in der Nacht zum 27. weitere Personen an Hand der Mitgliederlisten. Die Thule-Gesellschaft, im August 1918 gegründet von Rudolf von Sebottendorff (tatsächlich Rudolf Glauer), ist die wichtigste konterrevolutionäre Sammlungsbewegung in München. Im Hotel „Vier Jahreszeiten“ befindet sich auch die Redaktion ihrer Zeitung „Münchner Beobachter“, ein Blatt, das antibolschewistische und antisemitische Propaganda betreibt. Die Gesellschaft verfügt über eine eigene nachrichtendienstliche Abteilung, und deren Aktivitäten und die ihres Umfeldes waren ihren Gegnern nicht verborgen geblieben. Thule-Mitglied und späterer Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß weist am 18.5.1919 in einem Brief darauf hin, dass nur ein Teil der Organisation bekannt wurde: „Glücklicherweise wurde die Zentralstelle, die mehrere Organisationen wie in den ‚Vier Jahreszeiten‘ umfasst, nicht aufgedeckt.“ Auch in der Vergangenheit war es immer wieder zur Verhaftung von Thule-Mitgliedern gekommen, die dann wieder freigelassen wurden. Der „Münchner Beobachter“ wird später unter dem Titel „Völkischer Beobachter“ an die NSDAP verkauft, der Gruß der Thule-Gesellschaft „Heil und Sieg“ zu „Sieg Heil“ und ihr Zeichen ist schon in diesen Tagen das Hakenkreuz im Strahlenkranz. Bereits am 10. April hatte die Thule-Gesellschaft einen Abgesandten mit Putschplänen zur Bamberger Regierung Hoffmann geschickt. Der „Münchner Beobachter“ schreibt später, am 24. Mai: „Die Regierung war außerstande, so zahlreiche Truppen nach München zu bringen, daß etwas Dauerndes erreicht würde. Herr Hoffmann wollte einen Sturz der Räterepublik so unblutig wie möglich haben, es mußte also mit einem Putsch versucht werden.“ Der mit der Antibolschewistischen Liga organisierte „Palmsonntagsputsch“ am 13. April misslang. Sebottendorff bemühte sich einige Tage später bei der Bamberger Regierung Hoffmann um die Erlaubnis zur Aufstellung eines eigenen Freikorps Oberland. Die Erschießung der Geiseln durch Angehörige der Roten Armee selbst erregt Aufsehen, wird zur tragenden Säule der antibolschewistischen Propaganda und ist geeignet, Teile der Münchener Bevölkerung gegen die Räterepublik einzunehmen. Bereits wenige Tage nach dem Ende der Räterepublik nimmt die Thule-Gesellschaft für sich in Anspruch, von Rudolf Egelhofer, dem Führer der bayerischen Roten Armee, gezielt angegriffen worden zu sein. Aus der Begründung der Spartakisten: Hochverrat durch Anwerbung von Soldaten für die Regierungstruppen wird im „Münchner Beobachter“: „Mord auf Befehl Judas“.
Die Truppen des Monarchisten Admiral Alexander Koltschak werden an der Ostfront Sowjetrußlands durch die Rote Armee geschlagen. Vorstoß des konterrevolutionären Generals Nikolai Judenitsch gegen Petrograd. Rückzug Koltschaks, Befreiung des Urals und Vormarsch der Roten Armee in Sibirien. Die Westmächte schicken Kriegsmaterial an General Anton Denikin in Noworossijsk. Koltschak hatte eine diktatorische Herrschaft in Sibirien aufgebaut, sich zum Obersten Regenten Russlands erklärt, war durch die Ententemächte anerkannt und hatte mit Hilfe aus Großbritannien und Frankreich zunächst erfolgreich bis April 1919 den Kampf gegen die Rote Armee geführt.
1. Mai In München dringen die ersten Regierungstruppen ein. Die im Ruhrgebiet und Mitteldeutschland frei gewordenen Truppen kommen nun in Bayern zum Einsatz. Gegen 11 Uhr werden die nördlichen Stellungen der Arbeiter Münchener Betriebe durchbrochen. Die Arbeiter ziehen sich vor der Übermacht in das Stadtinnere zurück. Zeughaus, Munitions- und Artilleriedepot werden von den Regierungstruppen erobert, der Munitionsnachschub für die Arbeiterarmee unterbunden. Bis zum 3. Mai hält sich der Widerstand, bis dann nach erbitterten Kämpfen in den südlichen und westlichen Vorstädten die letzten Stellungen aufgegeben werden. Reichswehrminister Gustav Noske (SPD) lässt den Freikorpstruppen, die zum Teil schon das Hakenkreuz tragen, freie Hand. Der sich anschließende Terror der Regierungstruppen übertrifft den in Berlin und im Ruhrgebiet weit. Noske telegrafiert an seinen Oberbefehlshaber, Generalleutnant Ernst von Oven: „Für die umsichtige und erfolgreiche Leitung der Operation in München spreche ich Ihnen meine volle Anerkennung aus und der Truppe herzlichen Dank für ihre Leistung.“ Mit den Kämpfen in München endet am 3. Mai die Bayerische Räterepublik mit ungefähr 1.000 Toten. 38 Regierungssoldaten sind gefallen. 2.209 Personen werden wegen Beteiligung an der Rätebewegung von Sondergerichten zu Zuchthaus, Gefängnis, Festungshaft oder zum Tode verurteilt bzw. von Freikorpssoldaten ermordet. Viele werden noch gesucht. 30.000 Mark Belohnung sind auf die Ergreifung des bayerischen KPD-Vorsitzenden Max Levien ausgesetzt. Gegen Urteile der Sondergerichte sind alle Rechtsmittel ausgeschlossen; es gibt weder Revision noch Berufung oder die Wiederaufnahme des Verfahrens.
In Berlin bleiben Geschäfte und Betriebe geschlossen. Die Arbeiterparteien organisieren an diesem für 1919 gesetzlichen Feiertag Demonstrationen und Kundgebungen. Die KPD gedenkt in Friedrichsfelde auch der Revolutionsopfer. Der 1. Mai, um dessen Arbeitsruhe lange Jahre gekämpft wurde, ist mit der Novemberrevolution zu einem Tag der Arbeiter geworden, den zu begehen man nicht mehr mit Entlassung oder Aussperrung entgolten bekommt. Die tarifvertragliche Anerkennung des 1. Mai als bezahlter, arbeitsfreier Tag wird jedoch von den Unternehmern abgelehnt. Damit scheitern später wiederholte Anträge der SPD und der KPD im Reichstag, den 1. Mai als reichsweit gesetzlich geschützten Feiertag über 1919 hinaus durchzusetzen, am Widerstand der bürgerlichen und konservativen Parteien. Die Arbeiter müssen entweder auf einen Tagesverdienst verzichten oder einen Tag Urlaub nehmen. Schließlich wird das Problem auf Länderebene geregelt, so dass der 1. Mai in manchen Ländern der Weimarer Republik offizieller Feiertag ist, in anderen dagegen wie bisher ein gewöhnlicher Werktag.
Die KPD hatte ihre Parteizentrale und die Redaktion der „Roten Fahne“ nach Leipzig verlegt. Als Reichswehrminister Gustav Noske (SPD) über Leipzig das Standrecht verhängt, werden Zentrale und Redaktion am 11. Mai nach Berlin zurückverlegt.
Die französische Admiralität lässt, zurück in Toulon, aufständische Matrosen der Bewegung „Hände weg von Sowjetrußland“ verhaften und zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilen, auch Todesurteile werden gefällt. Im Gefolge breitet sich der Matrosenaufstand auf weitere Teile in anderen Kriegshäfen aus. Es kommt zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Matrosen und Arbeitern mit regierungstreuen Truppen. Unterstützung erhalten die aufständischen Matrosen von Arbeitern; zum 1. Mai rufen die Gewerkschaften in Paris zum Generalstreik und zu Demonstrationen auf. Über die französische Hauptstadt wird der Belagerungszustand verhängt, und mit dem Einsatz regierungstreuer Truppen auch gegen die demonstrierenden Arbeiter kann Ministerpräsident Georges Clemenceau den Aufstand schließlich niederschlagen.
2. Mai Buchdruckerstreik in Berlin.
Der sozialistische Schriftsteller Gustav Landauer, durch Ministerpräsident Eisner für die Mitarbeit an der Republik nach München geholt, er hatte dann im Kabinett Hoffmann weiter gearbeitet und mit der Räterepublik am 16. April seine Ämter niedergelegt, wurde am 1. Mai verhaftet, durch das Freikorps Weilheim gemeinsam mit drei Arbeiterräten am 2. Mai in das Zuchthaus Stadelsheim verbracht, dort schwer misshandelt und ermordet. Im Gefängnis halten sich Mannschaften der Freikorps des Oberst Franz Ritter von Epp, Major Hans von Lützow und des Hauptmann Liftl auf. Landauers Leiche wird beraubt, die Mörder werden nicht bekannt.
3. Mai Der 23jährige Stadtkommandant von München und Oberbefehlshaber der Roten Armee der Bayerischen Räterepublik, Rudolf Egelhofer, wird nach seiner Verhaftung am 1. Mai gefoltert und am 3. Mai im Münchner Stadtschloss ohne Gerichtsverfahren hingerichtet.
6. Mai In München werden 21 Mitglieder eines katholischen Gesellenvereins von einer Freikorps-Patrouille ermordet und beraubt; sie wären als Spartakisten verdächtigt worden.
7. Mai Auf der Pariser Friedenskonferenz in Versailles wird dem deutschen Außenminister Ulrich Graf Brockdorff-Rantzau das imperialistische Friedensdiktat überreicht. Der britische Premierminister David Lloyd George hatte zuvor unter dem Eindruck deutscher Propaganda die Gefahr ausgemacht, „daß Deutschland sich dem Bolschewismus in die Arme werfen … möchte“ und bei dem französischen Ministerpräsidenten Georges Clemenceau und US-Präsident Woodrow Wilson erfolglos gebeten, Kontribution und Reparationen nicht übermäßig zu steigern (Dokument von Fontainebleau, 25.03.1919). Mit dem Versailler Vertrag wird das Territorium des Deutschen Reiches um ein Achtel verkleinert, seine Kolonien unter den Siegermächten verteilt, hohe Reparationsleistungen festgelegt und die Souveränität der kapitalistischen Weimarer Republik eingeschränkt. Der kaiserliche Generalstab ist aufzulösen, die allgemeine Wehrpflicht aufzuheben. Die künftigen deutschen Streitkräfte sind beim Heer auf 100.000 Mann und bei der Kriegsmarine auf 15.000 Mann begrenzt. Die alte Kriegsflotte ist abzugeben, schwere sowie moderne Waffen sind verboten. Zur Rettung des Großen Generalstabes, des Hirns der kaiserlichen Armee, wird die Oberste Heeresleitung in Kolberg aufgelöst und dafür die bereits geschaffene Kommandostelle Kolberg, ab dem 25. Juni unter Leitung Generalleutnant Wilhelm Groeners, genutzt.
8. Mai In der Kaserne der Garde-Kavallerie-Schützen-Division in Berlin-Lichterfelde eröffnet der Kriegsgerichtsrat dieser Division, Paul Jorns, Militärgerichtsverhandlungen, die bis zum 14. Mai Aufklärung über die Ermordung Karl Liebknechts und Rosa Luxemburgs bringen sollen. Die Leiche Rosa Luxemburgs ist noch nicht aufgefunden. Die Teilnehmer an den Mordkommandos wurden nach der Tat im Januar schnell bekannt, inhaftiert, befragt, wieder freigelassen. Nachdem Nachforschungen der KPD, der USPD und des Berliner Vollzugsrates den öffentlichen Druck erhöht hatten, wurden die beteiligten Ende Februar 1919 erneut inhaftiert und ein Prozess war unausweichlich. Wilhelm Canaris, Mitglied im Stab der Garde-Kavallerie-Schützen-Division, ist auf Initiative von Waldemar Pabst Beisitzer im Verfahren. Pabst, der erste Generalstabsoffizier dieses Freikorps, Auftraggeber des Doppelmordes, und Canaris, der in der Angelegenheit die Telefonverbindung zu Reichswehrminister Gustav Noske (SPD) herstellte, gehen im Gefängnis Lehrter Straße ein und aus.
In Groß-Berlin wird zum Versailler Friedensvertrag vom 10. bis 16. Mai Landestrauer angeordnet. Es gibt Theaterplaneinschränkungen, Tanzverbot und Spielclub-Schließung, denn: das Deutsche Reich verliert ein Achtel seines Territoriums mit einem Zehntel seiner Bevölkerung und damit ein Viertel der Eisenerzstandorte, ein Fünftel der Steinkohlengebiete und mehr als ein Viertel der Roheisenerzeugung. Hinzu kommt der internationale Prestigeverlust durch die Abtretung der Kolonien. Die deutsche Wirtschaftskonkurrenz ist geschwächt. Gegen die „unerträglichen und unerfüllbaren Friedensbedingungen“ protestiert am selben Tag in Weimar in ihrer Sitzung die Reichsregierung und entwirft einen Plan für eine Propagandaaktion, um die ohnehin eingestimmte Bevölkerung zusätzlich anzuheizen. Die bürgerliche Presse erzeugt und befördert nationalistische und Revanchegefühle.
11. Mai Leipzig von Maerckers Truppen besetzt. Die Zentrale der KPD wird nach Berlin zurückverlegt, nachdem in der sächsischen Stadt das Standrecht verhängt wurde. Mit Papiersperre und Verboten gelingt es der Regierung, die „Rote Fahne“ bis zum 12. Dezember 1919 am Erscheinen zu hindern. Andere Blätter vertreibt die KPD illegal und konspirativ. Zu diesem Zweck wird ein als Papierladen getarntes Geschäft in der Neuköllner Naunynstraße genutzt, das der Vertrauensmann des Berliner Metallarbeiterverbandes Hermann Grothe angemietet hat und das dann nach dessen Verhaftung im gleichen Sinne von seiner Frau weiter betrieben wird.
Noske verordnet die Bildung von Zeitfreiwilligen-Formationen.
12. Mai Protestkundgebung der Nationalversammlung gegen den Versailler Vertrag. Reichskanzler Philipp Scheidemann (SPD): „Dieser Vertrag ist unannehmbar. Deutschland muß aufhören zu existieren, wenn man seine Kolonien und sein Auslandsvermögen raubt und Frondienste für die ganze Welt leisten läßt.“ Die Deutschnationalen erregen sich über die geforderte Auslieferung Wilhelms II., die Deutsche Volkspartei über die Auslieferung der französischen Kriegstrophäen und Hugo Haase von der USPD protestiert gegen die Bestimmungen als Verstöße gegen das Selbstbestimmungsrecht der Völker, geht aber davon aus, dass die Arbeitermassen nicht noch einmal nationalistischem Taumel erliegen. Die wegen ihres Wahlboykotts nicht in der Nationalversammlung vertretene KPD erklärt in Ablehnung des Versailler Diktats am 21. Mai per Flugblatt ihre „Leitsätze über den Frieden“, die die imperialistischen Wurzeln des Friedensdiktats und den Charakter der Weimarer Republik analysieren und als Weg den Sturz der kapitalistischen Herrschaft und ihrer Weimarer Regierung zu Gunsten einer Räteverfassung, sozialistischer Produktion in Industrie und Landwirtschaft und damit den Anschluss an die Weltrevolution sieht. Alle Parteien legen sich auf Ablehnung des Vertrages fest, nur die USPD ist wegen eventueller Kriegsgefahr für die Unterzeichnung.
14. Mai Im Prozess gegen die Mörder von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg vor dem Gericht der Garde-Kavallerie-Schützen-Division, in dem als Zuschauer die Kameraden der Mörder sitzen, werden die Urteile gesprochen. Das Verfahren hatte zu den Tatverläufen wenig erhellt. Der Transportleiter des Mordkommandos Luxemburg, Oberleutnant a. D. Kurt Vogel, durch Zeugen der Tötung von Rosa Luxemburg beschuldigt, leugnet, verweigert aber auch die Aussage zu dem möglichen Schützen. Hingegen nimmt es der Leutnant der Reserve Rudolf Liepmann, Ordonnanzoffizier bei Waldemar Pabst, auf sich, die Tötung von Karl Liebknecht zuzugeben. Sein Transportführer Kapitänleutnant Horst von Pflugk-Harttung habe eine Autopanne vorgetäuscht und Liebknecht gefragt, „ob er imstande wäre, zur Charlottenburger Chaussee zu gehen.“ Als Liebknecht einige Schritte gegangen sei, habe er, Liepmann, den Gefangenen „auf der Flucht erschossen.“ Kriegsgerichtsrat Paul Jorns spricht ihn von der Anklage des Mordes in Tateinheit mit rechtswidrigem Waffengebrauch frei. Liepmann wird verurteilt "wegen Anmaßung einer Befehlsbefugnis in Tateinheit mit Begünstigung zu sechs Wochen geschärften Stubenarrestes". Auch Oberleutnant a. D. Kurt Vogel wird nicht wegen Mordes, sondern zu einer Gesamtstrafe von 2 Jahren und 4 Monaten Gefängnis und Dienstentlassung verurteilt „wegen erschwerten Wachtverbrechens im Felde in Tateinheit begangen mit Begünstigung während Ausübung des Dienstes, Mißbrauch der Dienstgewalt … und Beiseiteschaffung einer Leiche, sowie in einem weiteren Fall wegen vorsätzlich unrichtiger Abstattung einer dienstlichen Meldung.“ Wilhelm Canaris, der beisitzende Richter im Prozess, verhilft Vogel am 17. November 1919 zur Flucht in die Niederlande. Der spätere Abwehr-Chef Hitlers stellt sich als Leutnant Lindemann im Moabiter Gefängnis vor, holt Vogel mit einem von Jorns unterzeichneten Befehl aus der Haft und übergibt ihm einen Ausweis auf den Namen Kurt Velsen, der von der Passstelle des Kriegsministeriums ausgestellt ist. Die Angeklagten Kapitänleutnant Horst von Pflugk-Harttung, Oberleutnant zur See von Ritgen, Leutnant zur See Stiege – sie bildeten gemeinsam mit Leutnant der Reserve Rudolf Liepmann das Mordkommando Liebknecht, und auch Leutnant zur See Bruno Schulze, Hauptmann Heinz von Pflugk-Harttung und Hauptmann der Landwehr Weller werden freigesprochen. Der Auftraggeber der Morde, Waldemar Pabst, wird im Verfahren nur als Zeuge vernommen und nie belangt, wie auch politische Hintermänner, der Mitwisser Noske und Geldgeber diesbezüglich unbekannt bleiben. Nur Husar Otto Runge, dessen Lynchjustiz an Liebknecht und Luxemburg nicht von Pabst, sondern von Hauptmann Petri, dem Eisenbahnreferenten in der Garde-Kavalier-Schützen-Division, gegen Entgelt beauftragt wurde, wird verurteilt „wegen Wachtvergehens im Felde, wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter Mißbrauch der Waffe, begangen in zwei Fällen, in einem Falle auch in Tateinheit mit erschwertem Wachtverbrechen im Feld ... zu einer Gesamtstrafe von zwei Jahren Gefängnis, zwei Wochen Haft, vier Jahren Ehrverlust und Entfernung aus dem Heere. Die Haftstrafe wird durch die erlittene Untersuchungshaft für verbüßt erachtet". Zwei Jahre später gibt der Fahrer des Todeswagens Soldat Janschkow in einem neuen Ermittlungsverfahren an, der Schütze im Fall Luxemburg sei nicht Vogel, sondern Leutnant zur See Hermann Wilhelm Souchon gewesen. Souchon war mit dem Freikorps Marine-Brigade Erhardt im Januar der Garde-Kavallerie-Schützen-Division unterstellt worden. Souchon war im Prozess nur als Zeuge geladen worden und flieht 1920 nach Finnland. Horst von Pflugk-Harttung, vermutlich der Mörder Karl Liebknechts, wie er Korvettenkapitän Ernst von Weizsäcker im Marineamt gestand, setzt sich mit Hilfe von Canaris über Dänemark nach Schweden ab. 1934 gewährt Reichskanzler Adolf Hitler den an dem Doppelmord Beteiligten Amnestie; Otto Runge, er lebt nun versteckt unter dem Namen Wilhelm Radolf, erhält eine staatliche Haftentschädigung von 6.000 Reichsmark, Souchon kehrt 1935 nach Deutschland zurück und Liepmann emigriert als Jude 1939 nach Shanghai. Pabst brüstet sich 1962 gegenüber dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ mit seinem Befehl.
15. Mai In Stettin schießen Wachsoldaten in eine Hungerdemonstration. Entwaffnung der Soldaten. Straßenkämpfe am 16. Mai. Sturm auf das Gefängnis. Belagerungszustand. Eine Reichswehrbrigade besetzt die Stadt. Entwaffnungsaktion.
17. Mai Reichswehrminister Noske (SPD) befiehlt in einer geheimen Verordnung für den Fall des Einmarsches der Ententetruppen, die um über das Doppelte des laut Waffenstillstandsbestimmungen zugelassenen Bestandes angewachsene Bürgerkriegsarmee durch Vorbereitung von „Entlassungen“ unsichtbar zu machen.
Heinrich Dorrenbach, der bekannte Organisator der Volksmarinedivision, nach den Berliner Weihnachtskämpfen aktiv an den Januarkämpfen beteiligt, wird von Kriminalwachtmeister Ernst Tamschik, der einige Wochen zuvor bereits Leo Jogiches ermordete, im Kriminalgericht Moabit ermordet. Dorrenbach war nach dem Ende der Kämpfe unter dem Decknamen Heinz Brandt in der Arbeiterbewegung tätig. Dem auf ihn angesetzten ehemaligen Kriminalbeamten Martin Kirschbaum, jetzt Mitglied der berüchtigten Streifkompanie des Hauptmanns Eugen von Kessel, gelingt es mit Helfern Mitte Mai Dorrenbach in Eisenach zu überwältigen. In Berlin einem Staatsanwalt zur Vernehmung vorgeführt, wird er von Tamschik erschossen, auf der Flucht, wie dieser angibt. Kirschbaum ist Führer der Nachrichtenabteilung der Streifkompanie, einer auf die Beschaffung von Beweisen zu staats- und regierungsfeindlichen Absichten spezialisierten Abteilung des Regiments Reinhard, ausgerichtet insbesondere gegen die Spartakusbewegung, beteiligt auch an der Verhaftung von Karl Radek und Leo Jogiches. Oberst Reinhard lässt über Tamschik auch den Reichsfinanzminister Matthias Erzberger (Zentrum) überwachen. Zuvor war Kirschbaum in der Politischen Polizei in Berlin dem Oberregierungsrat Doyé zur Verfügung gestellt. Der Mörder Tamschik wird später zum Leutnant der Sicherheitswehr Charlottenburg ernannt und kommt dann zur Sicherheitspolizei nach Ostpreußen.
21. Mai Die Zentrale der KPD erklärt sich gegen die Unterzeichnung des Versailler Vertrages und veröffentlicht die „Leitsätze über den Frieden“.
27. Mai Gründung der Kommunistischen Partei Bulgariens.
Am 28. und 29. Mai überreicht die deutsche Delegation den Alliierten Gegenvorschläge zum Versailler Vertrag. Überspitzte Forderungen ohne plausible Vorschläge für die Wiedergutmachung erbringen nur geringfügige Milderungen der Vertragsbestimmungen. Ein Zugeständnis ist eine Volksabstimmung in Oberschlesien über die künftige staatliche Zugehörigkeit. In der nächsten Sitzung der Nationalversammlung in Weimar kämpft Matthias Erzberger (Deutsche Zentrumspartei) für die Unterzeichnung als einzige Möglichkeit zur Rettung Deutschlands. Die Einheitsfront der Ablehnung besteht nicht mehr. Die Mehrheit der SPD ist nun für die Unterzeichnung und Reichswehrminister Gustav Noske (SPD) erklärt: „Unser Volk ist moralisch und national so verlumpt, daß wir unterzeichnen müssen.“ Am 20. Juni treten Philipp Scheidemann (SPD) als Reichskanzler und der Außenminister Graf Ulrich von Brockdorff-Rantzau zurück, weil sie den Versailler Vertrag, den sie als Verbrechen an Deutschland bezeichnen, nicht unterzeichnen wollen.
30. Mai In Goslar im Harz findet für zwei Tage der erste Reichs-Bauern- und Landarbeitertag statt. Es wird ein Statut verabschiedet. Ziele: unverzügliche Beseitigung der Zwangswirtschaft und der Kriegsgesellschaften, denen der Staat bei Kriegsbeginn beträchtliche Kompetenzen im Bereich der Rüstungsproduktion übertragen hatte, sowie die Stützung der Agrarproduktion durch eine veränderte Preispolitik. Der neue Reichs-Bauern- und Landarbeiter-Rat soll zudem die Wirtschaftspolitik der Regierung flankieren und dabei versuchen, die ländliche Welt zu stabilisieren.
31. Mai Die Leiche der am 15. Januar von Angehörigen der Garde-Kavallerie-Schützen-Division auf Befehl von Hauptmann Waldemar Pabst ermordeten Rosa Luxemburg wird bei Bauarbeiten an der Lichtensteinbrücke im Landwehrkanal gefunden und von Militär ohne Aufsehen in das Garnisionslazarett Wünsdorf verbracht. Mathilde Jacob, die Sekretärin und Freundin Rosa Luxemburgs, für sie auch als Kurier tätig, bestätigte am 9. Juni 1919 an Clara Zetkin nach Degerloch bei Stuttgart mit einem Telegramm die Identität, nachdem sie als Zeugin des Gerichts der Garde-Kavallerie-Schützen-Division, aus dem die Mörder kamen, die ihr vorgelegten, der Leiche abgenommenen Stofffetzen eines blauen Samtkleides, ein goldenes Medaillon, das dazugehörige Samtband und braune Lederhandschuhe eindeutig als ihr bekannte Gegenstände Rosa Luxemburgs identifiziert hatte.
Nach der Niederschlagung der Münchner Räterepublik bildet Johannes Hoffmann (SPD) im Freistaat Bayern eine neue Regierung mit der Bayerischen Volkspartei (BVP) und der Deutschen Demokratischen Partei (DDP).
Der Verband Berliner Metallindustrieller richtet einen Fonds zur Bekämpfung des Bolschewismus ein, in den jeder Firmeninhaber per Sonderumlage 20 Mark pro Arbeiter einzahlen soll.
3. Juni Die KPD in Hamburg warnt durch Flugblatt vor einer gegenrevolutionären Provokation zum Zweck der Entwaffnung der Sicherheitswehr.
4. Juni Nach Denunziation wird der steckbrieflich gesuchte Ernst Toller verhaftet und im Gefängnis Stadelheim inhaftiert. Seine Verteidigung übernimmt Hugo Haase. Toller war im März Vorsitzender der bayerischen USPD, wurde im April plebiszitär gewählter Abschnittskommandant der Roten Armee bei Dachau, unterband Lynchjustiz am Eisner-Mörder Graf Arco-Valley und SPD-Führer Auer, befreite nach Erschießungen im Luitpold-Gymnasium die restlichen dort gefangen Gehaltenen und tauchte nach Niederschlagung der Räterepublik durch Freikorps und Truppen der Weimarer Regierung unter. Ein Standgericht beim Landgericht München verurteilt Toller am 16. Juli wegen „Hochverrat aus ehrenhaften Motiven“ zur Mindeststrafe von fünf Jahren Festungshaft. Fürsprecher sind viele Prominente, so Thomas Mann, Max Weber, Romain Rolland. Am 24. September wird Toller in das provisorische Festungsgefängnis Eichstätt überführt. Am 30. September wird sein Drama „Die Wandlung“ in Berlin uraufgeführt. In der Haft entstehen weitere erfolgreiche expressionistische Stücke über die revolutionären Aufstände. Die 1920 von der bayerischen Landesregierung anlässlich der 100. Aufführung des Dramas Die Wandlung angebotene Begnadigung lehnt Toller mit der Begründung ab, dass er gegenüber den anderen Gefangenen nicht bevorzugt werden wolle.
5. Juni Der Mitbegründer der KPD Eugen Leviné, der an den Januarkämpfen 1919 in Berlin teilgenommen und, als Berater nach München entsandt, am 15. April den Vorsitz des Vollzugsausschusses übernommen hatte, wird nach dem Sturz der Räterepublik in München mit der Anklage Hochverrat vor Gericht gestellt, zum Tode verurteilt und am Mittag des 5. Juni im Gefängnis Stadelheim hingerichtet. Ein Spitzel des Nachrichtendienstes der Thule-Gesellschaft hatte ihn am 13. Mai gegen eine Belohnung von 10.000 Mark verraten. Der Führer des von der Thule-Gesellschaft unter Rudolf von Sebottendorff gegründeten Freikorps Oberland, Major Albert Ritter von Beckh, beschwert sich beim Gruppenkommando, dass die Verhaftung von Eugen Leviné am 14. Mai durch einen Mann aus dem Umfeld von Sebottendorff ohne Information erfolgte. Die Thule-Gesellschaft hat zu dieser Zeit einen eigenen Nachrichten- und Fahndungsdienst, der von Leutnant Edgar Kraus geleitet wird, der auch für die Verhaftung verantwortlich war. Leviné war von der KPD-Zentrale nach München geschickt worden, um die aktionistische, aber unerfahrene KPD-Ortsgruppe anzuleiten und das dortige Parteiorgan „Münchner Rote Fahne“ zu redigieren. Unter seinem Vorsitz lehnten die Kommunisten die Ausrufung der am grünen Tisch durch Sozialdemokraten und Anarchisten beschlossenen Scheinräterepublik ab und begannen mit dem Aufbau von Betriebsräten als Basis einer wirklichen Rätemacht. Leviné hatte Nationalökonomie in Heidelberg studiert. Der Gründungsparteitag der KPD im Januar war, nicht zuletzt unter dem Einfluss von Rosa Luxemburg und auch Eugen Leviné, bewusst vom russischen Vorbild abgewichen, indem er Terror als politisches Mittel verworfen hatte. Vor Gericht verteidigte Leviné seinen Kampf für die Rätebewegung und für die Revolution: „Wir Kommunisten sind alle Tote auf Urlaub. Dessen bin ich mir bewußt. Ich weiß nicht, ob sie meinen Urlaubsschein verlängern oder ob ich einrücken muß zu Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg. Ich sehe jedenfalls ihrem Spruch mit Gefaßtheit und mit innerer Heiterkeit entgegen … Ich habe mich nur dagegen gewehrt, daß meine politische Agitation, der Name der Räterepublik, mit der ich mich verknüpft fühle, daß der gute Name der Münchner Arbeiter beschmutzt wird. Diese und ich mit ihnen zusammen, wir haben alle versucht, nach bestem Wissen und Gewissen unsere Pflicht zu tun gegenüber der Internationale, der kommunistischen Weltrevolution.“ In vielen Städten Deutschlands treten Arbeiter gegen den Justizmord in einen eintägigen Generalstreik. Der Publizist Sebastian Haffner meinte, dass Leviné „möglicherweise das Zeug zu einem deutschen Lenin oder Trotzki hatte“.
6. Juni Regierungstruppen besetzen Remscheid.
10. Juni Auf dem Parteitag der SPD vom 10. bis 15. Juni 1919 in Weimar erklärt Otto Wels, Sprecher des Parteivorstandes, dass die Arbeiterklasse in der Novemberrevolution die Macht erobert hat und Deutschland „zum freiesten Staate der Welt“ geworden sei. Als politisches Konzept der SPD verkündet er unter dem Beifall der Delegierten die Theorie des dritten Weges. Das Ziel sei weder kapitalistisch noch kommunistisch, sondern die deutsche Arbeiterklasse komme auf einem demokratischen Weg, durch Reformen über die Weimarer Republik zum Sozialismus. Eine große Anzahl Anträge der Delegierten fordern entschiedene Maßnahmen zur Sozialisierung, die Aufteilung des Großgrundbesitzes, eine konsequente Demokratisierung der Verwaltung, die Bildung einer demokratischen Volkswehr, aber auch den Rücktritt des Reichswehrministers Gustav Noske und seinen Parteiausschluss. Noske rechtfertigt gegen die Anklagen aus der eigenen Partei den Einsatz seiner Truppen im Januar und März in Berlin, da diese „für die neue Freiheit in Deutschland“ gekämpft hätten und natürlich „Späne“ gefallen seien. „Aber wenn ich damals nicht hätte zuschlagen lassen, dann flog die Regierung und dann tagte die Nationalversammlung nicht, dann tagte auch dieser Parteitag heute nicht.“
13. Juni Rosa Luxemburg wird in Berlin mit einer großen Beerdigungsdemonstration bestattet. Gegen 10 Uhr wird die Tote vom Berliner Leichenschauhaus zur „Spielwiese“ im Friedrichshain gebracht, wo um 11 Uhr eine große Trauerfeier stattfindet, an der über 20.000 Personen teilnehmen. Mitglieder der KPD und der USPD haben sich in den einzelnen Stadtteilen versammelt und ziehen in geschlossenen Zügen in den Friedrichshain. Bilder Rosa Luxemburgs und ihres Kampfgefährten Karl Liebknecht werden mitgeführt, wie auch Tafeln, welche die Betriebe kennzeichnen, aus denen die Demonstranten kommen. Drei- bis vierhundert Kränze werden niedergelegt, darunter vom Berliner Vollzugsrat der Arbeiter- und Soldatenräte, von den sozialdemokratischen Stadtverordneten Groß-Berlins, von verschiedenen USPD- und KPD-Organisationen sowie ein Kranz, den 20 im Zuchthaus Werle sitzende Mitglieder gestiftet haben. Von sechs inmitten des Rondells stehenden Wagen werden Ansprachen gehalten, u. a. vom KPD-Mitbegründer Hugo Eberlein. Danach setzt sich der gewaltige Trauerzug in Bewegung. Bei drückender Hitze ziehen etwa 25.000 Personen durch die Langenbeckstraße, Landsberger Allee, Petersburger Straße, Frankfurter Allee zum Friedhof Friedrichsfelde. Die Straßenzüge sind dicht umsäumt von Menschen. Auf der gegen drei Uhr nachmittags beginnenden Beisetzungsfeier auf dem Friedhof Friedrichsfelde sprechen am Grab Redner der KPD und USPD, der sozialistischen Jugend und ausländischer Arbeiterdelegationen. Paul Levi in seiner Grabrede: „Sie haben den Leib getötet, aber der Geist ist nicht tot geworden! Der Geist ist nicht tot geworden, mit denen, die neben Rosa Luxemburg erschlagen wurden. Er ist nicht tot geworden mit dem Morde von Karl Liebknecht, mit dem Tod des Leo Jogiches. Der Geist ist nicht gemordet worden durch die Schüsse, die heute noch herüberhallen aus München. Der Geist ist nicht tot geworden mit Leviné, der Geist wird nicht sterben, wenn wir alle im Grabe liegen werden. Der Geist, er lebt, er lebt heute mehr denn je.“ Eduard Bernstein in seinem Nachruf: "An ihr hat der Sozialismus eine hoch begabte Mitstreiterin verloren, die der Republik unschätzbare Dienste hätte leisten können, wenn nicht falsche Einschätzung der Möglichkeiten sie ins Lager der Illusionisten der Gewaltpolitik geführt hätte."
14. Juni Beginn der bis zum 15. Juni in der Illegalität tagenden 2. Parteikonferenz der KPD. Beschlossen wird ein Statut der Partei, wobei noch an dem sozialdemokratisch überkommenen Wohnzellenprinzip festgehalten wird. Festgelegt wird der regionale Aufbau mit 22 Bezirksorganisationen.
16. Juni Ultimatum der Entente, binnen fünf Tagen den Versailler Friedensvertrag anzunehmen.
18. Juni General Maercker besetzt mit seinen Truppen Erfurt.
19. Juni Erlass des Reichswehrministers Gustav Noske (SPD) über Einführung von Vertrauensleuten bei der Reichswehr an Stelle der Soldatenräte.
21. Juni Bildung einer neuen Regierung unter Ministerpräsident Bauer (SPD) aus Vertretern der SPD und des Zentrums.
23. Juni Hungerproteste in Hamburg. Durch Zufall wird bekannt, dass der Industrielle Jacob Heil in seiner Fleischwarenfabrik Heil & Co. aus vergammelten Fleischabfällen, so Kalbskopfhäuten, matschig, schimmelig und mit Maden durchsetzt, Sülze herstellt und an die hungernde Bevölkerung verkauft. Das Kriegsende hatte bisher keine Verbesserung der Versorgungslage gebracht. Die hungernde Hamburger Bevölkerung ist außer sich und stürmt die Fabrik. Heil wird in die Alster geworfen. In anderen Fleischfabriken werden am nächsten Tag ähnliche Entdeckungen gemacht. Der Hamburger Senat legt die Hungerunruhen und die Demonstration auf dem Rathausmarkt als kommunistischen Putschversuch aus, nachdem aus der Menge heraus versucht wird, in Regierungsgebäude einzudringen. Als am Abend des 24. Juni das vom Stadtkommandanten Walther Lamp’l (SPD) eingesetzte Freiwilligenbataillon der Bahrenfelder - in ihm hatten sich um die 600 Männer aus meist gutbürgerlichen Verhältnissen zusammengeschlossen - mit Stahlhelmen und Maschinengewehren auf dem Rathausmarkt erscheinen, eskaliert die Situation. Die ganze Nacht hindurch wird gekämpft; ein Todesopfer, 15 Verletzte. Die Unruhen breiten sich über die gesamte Stadt aus. Lamp’l ruft erfolglos den Belagerungszustand aus. Die Menge stürmt das Rathaus, später das Untersuchungsgefängnis und das Altonaer Polizeigefängnis. In der "Kommunistischen Arbeiterzeitung" veröffentlicht die KPD am 25. Juni einen Aufruf: "Die Kommunistische Partei, die mit diesen Tumulten nichts zu schaffen hat, fordert Euch auf, Euch von Ansammlungen fernzuhalten und nicht vor die Maschinengewehre zu laufen." Am 1. Juli marschieren 10.000 Reichswehrsoldaten in Hamburg ein. Reichswehrminister Gustav Noske (SPD) hatte den Belagerungszustand ausgerufen und unter dem Kommando von General Paul Emil von Lettow-Vorbeck wird dem Aufstand mit äußerster Brutalität ein Ende bereitet; 80 Tote. Fleischfabrikant Heil wird zu drei Monaten Gefängnis und 1.000 Reichsmark Geldstrafe verurteilt. Nach seiner Entlassung eröffnet er eine neue Fleischfabrik.
Hungerunruhen in Berlin. Die Polizei schießt fünf Demonstranten nieder, acht werden verletzt. Die Preistreiberei hatte Wucher und Schleichhandel verschärft. Die Reallöhne liegen durch die Preissteigerungen weit unter dem Vorkriegsniveau. Es mangelt an Brot, Kartoffeln, Fett. Im April fällt die Eierkarte weg; Eier sind reichlich vorhanden - das Stück zu 1,40 Mark! Lebensmittelverfälschungen nehmen überhand.
Die Nationalversammlung spricht sich in Weimar gegen die Stimmen von DNVP, DVP, der Mehrheit der DDP-Fraktion und einiger Zentrumsabgeordneter mit 237 gegen 138 Stimmen für die Unterzeichnung des Versailler Friedensvertrages aus. Reichspräsident Friedrich Ebert (SPD) hatte sich zuvor bei der Obersten Heeresleitung in Kolberg nach Chancen militärischen Widerstandes erkundigt. Generalleutnant Wilhelm Groener rät zur Vertragsannahme, denn einer ansonsten vorgesehenen Besetzung Deutschlands durch alliierte Truppen hätte die Reichswehr nichts entgegenzusetzen. Auch würde die Fortdauer der britischen Seeblockade die weitere Zuspitzung der Ernährungslage zur Folge haben.
In Berlin holen Studenten und Regierungssoldaten erbeutete französische Fahnen aus dem Zeughaus und verbrennen sie vor dem Denkmal Friedrichs II. in der Straße Unter den Linden.
25. Juni Bewaffneter siegreicher Kampf der revolutionären Hamburger Arbeiter gegen Zeitfreiwillige, die ein Blutbad unter Demonstranten angerichtet hatten.
Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg tritt von Oberster Heeresleitung zurück. Generalleutnant Wilhelm Groener übernimmt die Führung des Hauptquartiers der Obersten Heeresleitung in Kolberg.
26. Juni Berliner Vollzugsrat verhaftet.
27. Juni Kampflose Entwaffnung des nach Hamburg einrückenden Freiwilligen Infanterie-Regiments 163 durch Arbeiter und Arbeiterinnen.
28. Juni Die Unterzeichnung des Friedensvertrages findet im Spiegelsaal des Schlosses zu Versailles statt – dem Ort, der 1871 zu diesem Datum gewählt wurde, um Wilhelm I. zum Kaiser zu krönen und gleichzeitig Frankreich zu demütigen. Der Vertrag von Versailles tritt nach der Ratifizierung durch die Unterzeichnerstaaten am 10. Januar 1920 in Kraft. Damit endet der Kriegszustand. Die deutsche Delegation war zu den Verhandlungen nicht zugezogen, durfte jedoch am Schluss einige Änderungen anregen. Mit dem Vertrag wird Deutschland und seinen Verbündeten die Schuld an der Auslösung des ersten Weltkrieges zugewiesen und zu Abrüstung, Gebietsabtretungen und Reparationen verpflichtet. Artikel 177 des Versailler Vertrages verbietet sämtliche militärischen Organisationen außerhalb der Reichswehr und damit auch das System der Bürgerwehren. Die Berufsarmee wird auf maximal 100.000 Mann beschränkt, darunter höchstens 4.000 Offiziere. Allgemeine Wehrpflicht ist nicht mehr zulässig und der Große Generalstab ist aufzulösen. Für die deutsche Reichsregierung unterzeichnen der neue Außenminister Hermann Müller (SPD) und der Verkehrsminister Johannes Bell (Zentrum). Der einzige Staat, der gegen das Versailler Diktat protestiert, ist Sowjetrussland mit der Note seines Außenministers, des Volkskommissars des Äußeren Georgi Tschitscherin.
30. Juni Bankbeamtenstreik in Berlin.
Bis zum 5. Juli tagt in Nürnberg der 10. Gewerkschaftskongress der freien Gewerkschaften. Es wird die Vereinigung aller Zentralverbände zum Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund (ADGB) beschlossen, dessen Richtlinien, gegen eine starke Opposition abgestimmt, auf die Fortsetzung der vereinbarten Arbeitsgemeinschaft mit den Unternehmern zielen. Dieser Weg wird als ein Hineinwachsen in den Sozialismus propagiert. Die neue gewerkschaftliche Dachorganisation bleibt in über 50 Berufsverbände zersplittert. Im ADGB sind am Ende des Jahres ungefähr 7,5 Mio. Arbeiter organisiert. Daneben bestehen die Christlichen und die Hirsch-Dunckerschen Gewerkschaften mit fast 1,2 Mio. Gewerkschaftern weiter.
General Lettow-Vorbeck rückt mit einer Bürgerkriegsarmee in Hamburg ein. Die Hamburger Arbeiter weichen dem Kampf aus.
1. Juli Verkehrsstreik bis 14. Juli in Berlin.
3. Juli Demobilisierung des Generalstabs des Feldheeres, d. h. Auflösung der Obersten Heeresleitung und Auflösung des zu dieser Zeit in Kolberg befindlichen letzten Hauptquartiers.
4. Juli Blutbad durch Truppen des Reichswehrministers Gustav Noske (SPD) in Hannover.
16. Juli Generalstreik in Pommern gegen Belagerungszustand.
Wilhelm Pieck (KPD) in Berlin verhaftet. Er bleibt bis November in Moabit inhaftiert. Damit hat die Zentrale nur noch sechs Funktionäre; auch Ernst Mayer und Hugo Eberlein sind verhaftet. Am 10. November gelingt der Junggenossin Lotte Pulewka, getarnt als Putzfrau, die Befreiung Piecks während einer Gerichtsverhandlung.
21. Juli Teile des aus drei Divisionen mit 40.000 Mann bestehenden Freikorps Garde-Kavallerie-Schützen-Division sind von Hauptmann Waldemar Pabst nach Berlin in Marsch gesetzt, um die sozialdemokratische Reichsregierung Gustav Bauer zu stürzen. Die Einheiten werden in letzter Minute aufgehalten. Generalleutnant Walther von Lüttwitz, Kommandeur des Reichswehrkommandos I, erscheint das Unternehmen zu improvisiert und nicht aussichtsreich genug.
Internationaler Proteststreik und Demonstrationen gegen den Versailler Friedensvertrag. Im Deutschen Reich, in Deutschösterreich und Italien finden nach einem Aufruf der sozialistischen und kommunistischen Parteien Demonstrationen und Streiks gegen den Versailler Vertrag und den Friedensvertrag von Saint-Germain-en-Laye statt.
26. Juli Der Reichsbürgerrat tritt mit einem Aktionsprogramm an die Öffentlichkeit, in dem u. a. die Erziehung des Volkes zu einem Gemeinschaftsgefühl und zur Hingabe an den Staat und die Förderung der Schaffung von Einwohnerwehren sowie die Unterstützung antibolschewistischer Propaganda gefordert werden.
31. Juli Die Nationalversammlung nimmt in Weimar mit 262 Stimmen die Verfassung der Deutschen Republik an. 75 Abgeordnete der monarchistischen Deutschnationalen Volkspartei (DNVP), der Deutschen Volkspartei (DVP) und der unabhängigen Sozialdemokraten (USPD) stimmen dagegen und 80 bleiben der Abstimmung fern. Reichspräsident Friedrich Ebert (SPD) unterzeichnet die Verfassung am 11. August und am 14. August tritt sie in Kraft. Die Verfassung wurde im Wesentlichen durch den Berliner Staatsrechtler Hugo Preuß (DDP) ausgearbeitet. Bürgerlichen Intellektuellen wie Heinrich Mann erscheint sie als Ideal. Für die Arbeiterschaft bedeutet sie gegenüber der kaiserlichen Verfassung von 1871 mit einer Anzahl demokratischer Rechte einen deutlichen Fortschritt. Mit der Revolution erkämpfte sie sich die Proklamierung des allgemeinen, geheimen und gleichen Verhältniswahlrechts, nun auch für die kommunalen und Landtagswahlen, und das Wahlrecht der Frauen, die Unverletzlichkeit der Person und der Wohnung sowie Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz, die Gleichstellung der Frau, gleiche Bildungsmöglichkeiten für alle unabhängig von der wirtschaftlichen, sozialen und konfessionellen Stellung der Eltern, vor allem die in den großen Demonstrationsstreiks immer wieder geforderte Rede-, Versammlungs- und Koalitionsfreiheit, die Pressefreiheit und damit die Aufhebung der Zensur. Zwar wird das Recht auf Arbeit in der Verfassung nicht festgeschrieben, doch jedem Bürger soll die Möglichkeit gegeben werden, seinen Unterhalt durch Arbeit zu sichern. Am kapitalistischen Charakter der Gesellschaft ändert die Verfassung nichts. Die wirtschaftliche Freiheit des Einzelnen wird gewährleistet und das Wirtschaftsleben habe sich nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit mit dem Ziel eines menschenwürdigen Daseins für alle verpflichtet zu fühlen. „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich Dienst sein für das Gemeine Beste.“ Glaubens- und Gewissensfreiheit werden garantiert, die Staatskirche abgeschafft, nicht aber die Trennung von Staat und Kirche. Der Reichspräsident, für 7 Jahre zu wählen, ist vom Parlament, dem Reichstag, unabhängig und wird in der Weimarer Verfassung mit umfassenden Befugnissen ausgestattet. Der Reichspräsident kann den Reichskanzler berufen oder entlassen. Er hat mit Artikel 48 Diktaturgewalt und damit das Recht zur Reichsexekution, d. h. für militärische Maßnahmen gegen Bundesstaaten, z. B. zur Niederschlagung von Räterepubliken, zum Einsatz der Reichswehr und zum Erlass von Notverordnungen. Der Reichspräsident kann den Reichstag auflösen, verabschiedet per Notverordnung Gesetze, hat den Oberbefehl über die Reichswehr und ernennt die Richter des Reichsgerichts. Die Forderungen der Arbeiterschaft nach Sozialisierung, wenigstens betrieblicher Mitbestimmung oder die Beseitigung des Militarismus finden in die Verfassung keinen Eingang.
1. August Die Ungarische Räterepublik unterliegt der militärischen Übermacht der von der Entente aufgebotenen Truppen. Die am 7./8. April 1919 mit den Wahlen der Orts- und Gebietsräte sowie zum gesamtungarischen Rätekongress bestätigte Räterepublik wurde mit einer Wirtschaftsblockade der USA, Großbritanniens, Frankreichs u. a. Staaten konfrontiert. Der USA-Diplomat Albert Halstead hatte bereits zur Pariser Friedenskonferenz im Januar geschrieben: „Wenn wir den Bolschewismus in Ungarn nicht erwürgen, wird dies seine weitere Verbreitung fördern. Wir dürfen die Europa bedrohende Gefahr nicht unterschätzen. Von der großen Gefahr sind die Nachbarstaaten Ungarns bedroht, doch auch Italien, Frankreich und Großbritannien sind gefährdet.“ Unter französischer Koordination dringen rumänische und tschechoslowakische Interventionstruppen in Ungarn ein, denen sich seit Mai organisiert auftretende Kreise ungarischer Konterrevolution anschließen. Der bis dahin erfolgreiche Vormarsch der ungarischen Freiwilligenarmee wird mit einer diplomatischen Falle der Entente und durch Verrat durch Generalstabschef Ferenc Julier (vormals Franz Julier, Oberst im k.u.k. Generalstab) gestoppt und führt zu tödlicher Umklammerung. Aus Sowjetrussland zu Hilfe gerufene ukrainische und russische Truppen blieben am Dnestr stecken und können Budapest keine militärische Entlastung geben. Am 1. August 1919 entscheiden 48 der 51 Parteiführer und Kommissare, die Räteregierung durch eine sozialdemokratische Gewerkschaftsregierung auszuwechseln. Sie besteht vom 1. bis 6. August unter Gewerkschaftsführer Peidl Gyula. Mit ihrem Erlass Nr. 1 erklärt sie alle Verordnungen der Räteregierung für ungültig. Mit Unterstützung Frankreichs und Englands wird bereits drei Tage nach dem Einmarsch der rumänischen Besatzer in Budapest das diktatorische Regime des Industriellen István Friedrich installiert. Einige Monate später ändern sich die Verhältnisse für lange zwanzig Jahre noch einmal gravierend. Der von den USA, Frankreich und Großbritannien aufgebaute ungarische Großgrundbesitzer Miklós Horthy zieht an der Spitze seiner 24.000 Mann starken Armee am 16. November 1919 in Budapest ein. Als Reichsverweser, sozusagen als Abwesenheitsvertreter des Königs in einem nicht mehr existenten Königreich, errichtet er in Ungarn ein faschistisches Regime und herrscht bis 1944. Etwa 5.000 Anhänger der Rätemacht werden ermordet, 70.000 inhaftiert und noch mehr aus dem Land vertrieben. Während ihrer kurzen 133 Tage Räteherrschaft überführte der Regierungsapparat der sozialdemokratischen und kommunistischen Volkskommissare Industrie-, Bergbau-, Verkehrs- und Handelsunternehmen mit über 20 Beschäftigten, Banken und Versicherungen, Mittel- und Großgrundbesitz ab 57,5 ha in Gemeineigentum ohne Entschädigung. Eine Konfiskation des ausländischen Kapitals unterblieb im Interesse der internationalen Stellung der Republik. Besitzer von Betrieben konnten als Produktionskommissare die neuen Staatsbetriebe leiten. Sie wurden von Betriebsräten kontrolliert. Die Überführung der Latifundien in landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften blieb dagegen inkonsequent. Die unmittelbare Verstaatlichung des Großgrundbesitzes stand im Widerspruch zu den Interessen der Millionen landhungrigen Klein- und Zwergbauern. Sie überforderte auch das von Fronmentalität geprägte Agrarproletariat. Die Latifundien wurden einfach zu staatlichen Betrieben bestimmt, meistens unter Leitung des alten Grundherrn. Die landwirtschaftliche Produktion ging zurück, die Lebensmittelversorgung der Städte verschlechterte sich stark. Der internationale Wirtschaftsboykott und der Übergang vom Akkord- zum Stundenlohn führten zum Rückgang der Produktion. Die Räteregierung erhöhte in dieser Zeit die Reallöhne der Arbeiter um 25 Prozent, hob die Renten der Kriegsopfer an, dehnte die Kranken- und Unfallversicherung auf Arbeiter und Angestellte aus, gewährte bezahlten Jahresurlaub, kostenlose Gesundheitsfürsorge, den Achtstundentag, für Lehrlinge eine wöchentliche 36stündige theoretische und praktische Ausbildungszeit. Mütter bekamen sechswöchigen Wochenurlaub, Paläste, Parkanlagen und Strände der Reichen wurden für Kinderferienlager genutzt. Uneheliche Kinder wurden ehelichen gleichgestellt. Die Mieten für Kleinwohnungen wurden um 20 Prozent gesenkt. Die 100.000 in Baracken oder obdachlos lebenden Budapester erhielten ein Minimum an Räumlichkeiten in den wenig belegten Häusern und Villen der Reichen. Die Räteverfassung gewährte verfolgten Revolutionären Asylrecht. 80 Prozent der Grund- und Mittelschulen, die der Kirche unterstanden, wurden nationalisiert. Obligatorischer Schulbesuch bis zum 14. Lebensjahr, Hochschulstudium, Museums- und Parkbesuche wurden kostenlos. Béla Kun in seiner letzten Rede in der Beratung der Parteiführer und Kommissare: „Das Proletariat ließ nicht seine Führer, sondern sich selbst im Stich. Ich erwog, ich überlegte lange, was ich tun sollte. Kalt und ruhig muß ich es feststellen: Die Diktatur des Proletariats ist gestürzt.“ Die Rätemacht hätte ein anderes Ende nehmen können, „wenn wir über selbstbewußte und revolutionäre Proletariermassen verfügt hätten ... Wir opfern uns gerne, es fragt sich aber, ob das Opfer vom Standpunkt der internationalen Proletarierrevolution aus einen Sinn habe, ob es gerade in ihrem Interesse nicht nützlicher sei zu vermeiden, daß hier über Nacht ein neues Finnland entsteht.“
2. August Hungerunruhen bis 8. August in Chemnitz.
4. August Der anhaltische Landtag in Dessau genehmigt den Gesetzentwurf zur Abfindung des früheren anhaltinischen Fürstenhauses. Prinz Aribert von Anhalt tritt Grundbesitz im Wert von 30 Millionen Mark an den Staat ab und erhält dafür eine Abfindung von 6,5 Millionen Mark. Die Theaterstiftung, die Kulturstiftung, Kunstgegenstände, Gemälde, Sammlungen usw. gehen in Staatsbesitz über.
6. August Die Alliierten zwingen die sozialistische ungarische Regierung unter Gyula Peidl in Budapest zum Rücktritt und ernennen Erzherzog Joseph von Österreich zum Reichsverweser. Dieser ernennt Stephan Friedrich, den ehemaligen Staatssekretär im Kriegsministerium, zum Ministerpräsidenten. Mit der Zerschlagung der Räterepublik wird durch die Alliierten am 7. August auch die Wirtschaftsblockade aufgehoben.
8. August Lebensmitteldemonstration in Chemnitz. Die Vertrauensleute der Betriebe setzen eine Kommission aus SPD, KPD, USPD ein, um mit der Stadtverwaltung folgende Forderungen zu verhandeln: Bessere Verteilung der Lebensmittel, sofortige Aufhebung des Belagerungszustandes und Zurückziehung der Regierungstruppen. Auf dem Theaterplatz wartet die Menge auf das Verhandlungsergebnis und wird aus umliegenden Häusern von Provokateuren der Reichswehr beschossen. Am Bahnhof werden Reichswehrabteilungen aus Döbeln ausgeladen. Chemnitzer Arbeiter besiegen die Truppen der Weimarer Reichsregierung; 27 Tote und 76 Verletzte. Die Arbeiterparteien bilden einen Aktionsausschuss, der die öffentlichen Angelegenheiten in die Hand nimmt, für ein geordnetes Funktionieren von Wirtschaft und Verwaltung sorgt und die Angelegenheiten der Bevölkerung gegenüber der Regierung vertritt. Die sächsische Regierung entsendet einige Wochen später vier Bataillone zur Besetzung der Stadt. Viele hundert Arbeiter werden verhaftet und zu Gefängnis- und Zuchthausstrafen verurteilt.
9. August In Mittweida (Sachsen) entwaffnen Arbeiter Soldaten der Weimarer Reichsregierung.
Hauptmann Waldemar Pabst, nach Misslingen seines Putsches vom 21. Juli nun Zivilist, gründet zusammen mit dem engsten politischen Berater General Ludendorffs, Oberst Max Bauer, als Mitarbeiter im Generalstab früher Verbindungsmann der Obersten Heeresleitung zur Schwerindustrie und in das Alldeutsche Lager in Berlin, die Organisation „Nationale Vereinigung“ mit Büro in der Berliner Schellingstraße. Beteiligt an der Gründung ist der stellvertretende Führer der ehemaligen rechten Vaterlandspartei und Direktor der Königsberger Generallandschaft, einem einflussreichen Kreditinstitut Ostpreußens, Geheimrat Wolfgang Kapp. Kapp ist Aufsichtsratsmitglied der Deutschen Bank und im Vorstand der DNVP. Im Hintergrund steht Erich Ludendorff, der die organisatorischen Fäden zieht. Ludendorff ist mit Wissen des Reichspräsidenten Friedrich Ebert (SPD) aus Schweden zurückgekehrt und lebt unter dem Namen Charles Newmann in der Viktoriastraße im Berliner Westen. Zu seinem engeren Stab gehören: der kommandierende General des Reichswehrgruppenkommandos Berlin, Walther Freiherr von Lüttwitz, Oberst Max Bauer, die Freikorpsführer Hermann Erhardt und Franz von Stephani. Pabst leitet das Büro Schellingstraße. Ziel ist die Sammlung und Vorbereitung eines antirepublikanischen Staatsstreichs. Dabei will man sich auf Teile der Reichswehr, die Freikorps, Zeitfreiwilligenverbände und die Einwohnerwehren stützen. Die Organisation, in der zahlreiche Mitglieder der ehemaligen Deutschen Vaterlandspartei mitwirken, steht in enger Verbindung mit der Großindustrie. Hugo Stinnes, der im Januar in anderem Zusammenhang seine Vorstellungen gegenüber dem Minister für Wiederaufbau, Otto Geßler (DDP), mit Verweis auf die französische Geschichte deutlich machte: „Es ist das Zeichen einer wahren Demokratie, daß sie in Zeiten der Todesgefahr ihren Diktator findet … Es muß gehandelt, nicht verhandelt werden“, wird bis Januar 1920 der Hauptfinanzier der „Nationalen Vereinigung“. Die Organisation steht in Berlin in Verbindung zu Ernst von Borsig, im Rheinland neben Hugo Stinnes mit Emil Kirdorf, Albert Vögler, Alfred Hugenberg, zu deutsch-nationalen und Volkspartei-Politikern wie Karl Helfferich, Kuno Graf von Westarp, Oskar Hergt, Rudolf Heinze.
11. August Die Reichsverfassung tritt in Kraft. Die Weimarer Nationalversammlung beschließt am 14. August, dass sie durch das Inkrafttreten der neuen Reichsverfassung “nicht automatisch in einen Reichstag” umgewandelt werde. Erst eine aus Neuwahlen hervorgegangene künftige parlamentarische Körperschaft werde der in der Verfassung vorgesehene, wieder in Berlin tagende Reichstag sein.
In Berlin beginnen deutsch-polnische Verhandlungen über die Räumung der deutschen Ostgebiete, die im Versailler Vertrag Polen zugesprochen wurden.
14. August Der seit Juli andauernde Schulstreik der Berliner Arbeiterjugend, sie fordert u. a. die Abschaffung des Abendunterrichts, Beseitigung der Prügelstrafe und Modernisierung des Lehrstoffs, wird mit einem Kompromiss beendet.
16. August Die Budapester Stadthauptmannschaft ordnet die Verhaftung aller ehemaligen Volksbeauftragten der ungarischen Räterepublik an.
17. August Der bayerische Landtag und die bayerische Staatsregierung übersiedeln von Bamberg, wohin sie in der Revolution geflohen waren, zurück nach München.
18. August In Oberschlesien wird der verschärfte Belagerungszustand verhängt, nachdem sich die Streikbewegung im oberschlesischen Hüttenrevier am Vortag zu einem bewaffneten Aufstand ausgeweitet hat.
19. August Chemnitz von Regierungstruppen kampflos besetzt.
Entwaffnungsaktion.
Der Reichs-Bauern- und Landarbeiterrat sendet ein Telegramm an den preußischen Ministerpräsidenten, in dem er gegen die Anwendung des neuen Betriebsrätegesetzes in der Landwirtschaft protestiert. Dem Rat zufolge habe das zum Ende der Arbeitsfreudigkeit geführt und damit zu einem Rückgang der Agrarproduktion. Der preußische Landwirtschaftsminister informiert seine nachgeordneten Behörden, dass dieser Rat „eine auf dem zweiten Rätekongress entstandene Körperschaft ist, die nicht mit dem von den landwirtschaftlichen Organisationen mit offizieller Anerkennung der Reichsregierung gebildeten eigentlichen Reichs-BLR verwechselt werden darf“, weshalb man ihm keinen Einfluss auf die Landwirtschaft zubilligen dürfe.
20. August Durch eine Verordnung des Reichspräsidenten Friedrich Ebert (SPD) geht der Oberbefehl über die Wehrmacht auf Reichswehrminister Gustav Noske (SPD) über.
22. August In einem Reichskongress der Erwerbslosen in Hamburg diskutieren Abgesandte aus 90 Städten über die soziale und wirtschaftliche Situation der Arbeitslosen im Deutschen Reich.
25. August Der Freistaat Bayern übergibt in München in Anwesenheit von Reichspräsident Friedrich Ebert (SPD) und Reichswehrminister Gustav Noske (SPD) das bayerische Heer und die Heeresverwaltung an die Reichsregierung.
28. August Mittweida von Regierungstruppen kampflos besetzt.
31. August Hugo Gumprich (SPD) gibt auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung und zum Delegiertentag der SPD im Volkshaus in Leipzig einen Delegationsbericht über die erfolgreichen Verhandlungen des Leipziger Vereins „Ansiedlung Ost“ (3.000 Mitglieder) mit Sowjetrussland. Gumprich war mit Visum des Auswärtigen Amtes am 13. Mai nach Moskau entsandt worden, um eine Ansiedlung von Leipziger Kolonisten in Sowjetrussland auf sozialistischer Grundlage als landwirtschaftliche und handwerkliche Produktivgenossenschaft zu organisieren. Für die Teilnahme werktätiger Ausländer an der Kolonisation des russischen Nordens waren im Deutschen Reich diverse Gesellschaften und Vereine entstanden. Die tatsächliche Verwirklichung der Sozialisierung des Bodens in Sowjet-Russland und die Idee, im Kollektiv arbeiten zu können, ist nach der gescheiterten Revolution von hoher Anziehungskraft. Ideal des Leipziger Vereins ist es, als freie Menschen im fernen Osten als Gleichgesinnte, „die schon im kapitalistischen Staate das Banner der Freiheit verteidigten, die unter der Fahne des Sozialismus kampf- und sturmerprobt ihre Ideale vertraten …“, zu leben und zu arbeiten. „Alle Mitglieder stellen ihre Arbeitskraft der Genossenschaft zur Verfügung. Der Betriebsrat übernimmt die Arbeitsteilung und Verantwortung der kaufmännischen und technischen Leitung. Der Vollzugsrat hat die gesamte Leitung in den Händen und trägt als ausführendes Organ die volle Verantwortung über die Genossenschaft.“
In Berlin beginnt die zweitägige Tagung des Alldeutschen Verbandes. Gefordert wird u. a.: “Den unentbehrlichen Zusammenschluss aller nationalen Kräfte in Stadt und Land zu betreiben und zu vollenden wird der Alldeutsche Verband nichts unversucht lassen. Für alle wahrhaft deutschen Männer und Frauen ist das Hauptziel: Rettung und Wiederaufrichtung des durch den Zusammenbruch vom Jahre 1918 mit Untergang bedrohten deutschen Volkes und Deutschen Reiches.”
1. September In Dresden beginnt der erste Deutsche evangelische Kirchentag. Mit der Abdankung des Kaisers entfiel das seit der Reformation geltende Summepiskopat, d. h. die Leitungsgewalt der jeweiligen feudalen Landesherren über das territoriale Kirchenwesen. Eine Neuorientierung war erforderlich geworden. Der Präsident des Evangelischen Oberkirchenrates in Berlin, Dr. Otto Moeller, auf dem Kirchentag: „Die Herrlichkeit des deutschen Kaiserreiches, der Traum unserer Väter, der Stolz jedes Deutschen“ sei dahin. „… Wir können nicht anders als hier feierlich zu bezeugen, welcher reiche Segen von den bisherigen engen Zusammenhängen von Staat und Kirche auf beide – auf den Staat und die Kirche – und durch beide auf Volk und Vaterland ausgegangen ist.“
5. September Im Kriegsgerichtsprozess vom 5. bis 10. September gegen den Befehlsgeber der Erschießung von 29 Matrosen der Republikanischen Soldatenwehr, Leutnant Otto Marloh, das Urteil gesprochen. Marloh wird vom Vorwurf des Totschlags freigesprochen und erhält eine geringfügige Strafe wegen unerlaubter Entfernung von der Truppe und Nutzung gefälschter Unterlagen. Marloh blieb monatelang unbehelligt und floh, nachdem am 2. Juni ein Haftbefehl gegen ihn vorlag, nach München, versteckte sich dann in Berlin und wurde verhaftet, als er sich zu den Baltikumtruppen absetzen wollte. Das Urteil stellt fest, „daß die Erschießungen objektiv unberechtigt waren, daß die Matrosen, die mit Waffen kamen, gültige Waffenscheine besaßen, daß keine Plünderer dabei waren, daß die Lage Marlohs nicht so bedrohlich war, daß er zum Waffengebrauch berechtigt war, daß er jedoch glaubte, einen Dienstbefehl vor sich zu haben.“ In einem späteren Prozess gegen seinen Vorgesetzten Hauptmann Eugen von Kessel wegen Falschaussage wird bekannt, dass Kessel Leutnant Marloh zur Flucht gedrängt, falsche Papiere und Fluchtgeld beschafft hatte. Der Prozesszeuge Oberleutnant Hoffmann sagt aus, dass es nach Auslassungen von Kessels im Mai im Interesse des Generalkommandos der Garde-Kavallerie-Schützen-Division, des Korps Lüttwitz und des Oberbefehlshabers Noske lag, dass Marloh vorläufig verschwindet. Hauptmann von Kessel gibt an, die Fluchtgelder auch vom Generalkommando Lüttwitz und von der Abteilung I C vom Oberkommando Noske erhalten zu haben. Gegen Oberst Reinhard und Hauptmann Eugen von Kessel wird wegen des Erschießungsbefehls kein Verfahren eingeleitet. Ein Anspruch auf Entschädigung der Hinterbliebenen der in dem Massaker umgekommenen Matrosen wird vom Ausschuss zur Feststellung der Entschädigung für Aufruhrschäden verneint, da die Erschießung in Ausübung der Staatsgewalt als ein Akt der Strafvollstreckung erfolgt sei.
12. September Adolf Hitler kommt als Spitzel der Propagandaabteilung I b des Reichswehrgruppenkommandos 4 der Bayerischen Reichswehr auftragsgemäß mit der Deutschen Arbeiterpartei (DAP) in Kontakt. Auf Veranlassung dieser Behörde, die von Hauptmann der Reichswehr Karl Mayr geleitet wird, nimmt er am Vortrag Gottfried Feders über die Brechung der Zinsknechtschaft im Wirtshaus Sterneckerbräu teil. Die DAP wurde durch den Eisenbahnschlosser Anton Drexler u. a. am 5. Januar 1919, im Vorfeld der Landtagswahlen in Bayern, in München gegründet und wird Vorläufer der NSDAP.
15. September Wegen der katastrophalen Ernährungslage dürfen in Bayern nur noch ein Drittel der Betten in Hotels und Pensionen belegt werden. Damit kommt der Fremdenverkehr in Bayern vorübergehend fast völlig zum Erliegen.
28. September Die bayerische Landeskonferenz der SPD spricht sich in Nürnberg für die Umbildung der Staatsregierung durch stärkere Beteiligung bürgerlicher Parteien aus.
30. September Gründung der Technischen Nothilfe (TENO) durch Reichswehrminister Gustav Noske (SPD). Aufgabe der aus Angestellten, Studenten und Soldaten, meist Angehörigen der früheren Kriegsmarine, bestehenden und durch Marineingenieure geleiteten reichsweiten Organisation ist es, Streiks in lebenswichtigen Betrieben (Gas-, Wasser-, Elektrizitätswerke, Reichsbahn etc.) durch sogenannte Notstandsarbeiten unwirksam zu machen. Zugleich wird mit der Bewaffnung der Technischen Nothilfe die Einhaltung der durch den Versailler Vertrag begrenzten Kampfstärke der Reichswehr umgangen. Dazu erfolgt eine Übernahme der Unterstellung unter das Reichswehrministerium durch das Innenministerium. Hervorgegangen ist die Technische Nothilfe aus dem als Technische Abteilung (TA) im Januar 1919 von Pionierleutnant Otto Lummitzsch gegründeten technischen Freikorps im Verband der Berliner Garde-Kavallerie-Schützen-Division. Von der Arbeiterschaft wird die TENO als Streikbrecher-Organisation wahrgenommen. Durch einen strafbewehrten Erlass schützt Noske die TENO vor „öffentlichen Beschimpfungen oder Bedrohungen“.
Auflösung der preußischen Armee und Überführung in die Reichswehr.
In Berlin wird am Theater „Die Tribüne“ von Erwin Piscator das Drama „Die Wandlung“ des zurzeit in Bayern wegen seiner Teilnahme an der Münchner Räterepublik inhaftierten Ernst Toller uraufgeführt. Bemerkungen Tollers aus dem Festungsgefängnis Eichstätt zu seinem Drama: „Diese Arbeit entstand in ihrer ersten Niederschrift 1917, im dritten Jahr des Erdgemetzels. Die endgültige Form wurde in der Haft des Militärgefängnisses im Februar und März 1918 vollendet. Irgendwo las ich: ‚Dies Stück mutet nach München wie eine Erklärung, wie eine Rechtfertigung an und das verstimmt.‘ — ‚Verstimmt‘ es die Zuhälter des Krieges, so ist schon manches gewonnen! ... 1917 war das Drama für mich Flugblatt. Ich las Szenen daraus vor im Kreise junger Menschen in Heidelberg und wollte sie aufwühlen (‚aufhetzen‘ gegen den Krieg!), ich fuhr nach der Ausweisung aus Heidelberg nach Berlin und las hier wieder das Stück. Immer mit der Absicht, Dumpfe aufzurütteln, Widerstrebende zum Marschieren zu bewegen, Tastenden den Weg zu zeigen … und sie alle zu gewinnen für revolutionäre sachliche Kleinarbeit. In Eisners Zusammenkünften vor dem Januar-Streik 1918 verteilte ich Zettel, auf denen gewisse Szenen der ‚Wandlung‘ gedruckt standen, in Streikversammlungen las ich in meinen Reden Fetzen daraus vor. Also Tendenzdrama? Tendenzdrama liegt im Bezirk des bürgerlichen Reformismus. (Motto: Seid wohltätig und verachtet nicht die Huren, die auch Menschen sind.) Ein politisches Drama? Vielleicht ein brüchiger Schritt dazu. Aus der Unbedingtheit revolutionären Müssens (Synthese aus seelischem Trieb und Zwang der Vernunft) wird das politische Drama geboren, das nicht bewußt umpflügen und aufbauen will, sondern umpflügen und aufbauen wird, das den geistigen Inhalt menschlichen Gemeinschaftslebens erneuern, verweste Formen zerstören wird. Voraussetzung des politischen Dichters (der stets irgendwie religiöser Dichter ist): ein Mensch, der sich verantwortlich fühlt für sich und für jeden Bruder menschheitlicher Gemeinschaft. Noch einmal: der sich verantwortlich fühlt.“
1. Oktober Die Kriegsministerien der deutschen Länder werden aufgelöst und im Berliner Reichswehrministerium unter Reichswehrminister Gustav Noske (SPD) zu einer Befehlsstelle zusammengefasst.
8. Oktober Attentat auf den Vorsitzenden der USPD Hugo Haase. Er wird vor dem Berliner Reichstagsgebäude, wo er die Unterstützung deutscher Regierungsstellen für die Konterrevolution im Baltikum thematisieren wollte, angeschossen und schwer verletzt. Der Schütze Johann Voß, ein österreichischer Lederarbeiter, erklärte seine Tat mit persönlichen Rachegefühlen. Haase erliegt am 7. November seinen schweren Verletzungen. Er wird am 13. November auf dem Friedhof Friedrichsfelde beigesetzt. Am Grab sprechen u. a. Wilhelm Dittmann und Rudolf Breitscheid (beide USPD). Ermittlungen zu möglicherweise vorhandenen Hintermännern unterbleiben; der Attentäter wird für nicht zurechnungsfähig erklärt. Die Fraktion der USPD wählt als Nachfolger in der Weimarer Nationalversammlung Alfred Henke und Friedrich Geyer zu Vorsitzenden.
18. Oktober Die Freie Sozialistische Jugend hält vom 18. bis 20. Oktober ihre 3. Reichskonferenz in Weimar ab. Die Anhänger der USPD verlassen die Konferenz und gründen die Sozialistische Proletarierjugend, nachdem sich die übergroße Mehrheit zur Politik der KPD bekannt hat.
Der Landtag von Braunschweig beschließt, dass die Regierung des Freistaates nicht mehr Rat der Volksbeauftragten, sondern Ministerium heißen soll.
20. Oktober Erster Parteitag der KPD bis zum 24. Oktober an mehreren Orten Südwestdeutschlands. Im Mittelpunkt der illegalen Sitzungen steht die Abgrenzung vom Linksradikalismus und die Aufgaben der Partei als Vorhut der Arbeiterklasse werden begründet. Beschlossen wird die Pflicht jedes Mitglieds, in den Gewerkschaften mitzuarbeiten und an den Wahlen zu bürgerlichen Parlamenten teilzunehmen. Dies vor allem im Hinblick auf die Berliner Organisation mit ihren 12.000 Mitgliedern.
30. Oktober Die Weimarer Regierung Gustav Bauer (SPD) beschließt, dass alle deutschen Soldaten auf dem Baltikum, die nicht bis zum 11. November die deutsche Grenze passiert haben, als fahnenflüchtig betrachtet werden. Sie sollen die deutsche Staatsangehörigkeit und damit auch alle Versorgungsansprüche verlieren. Bauer hatte die das Baltikum besetzenden deutschen Truppen im August und dann am 3. Oktober aufgerufen, das Gebiet zu räumen, nachdem die Alliierten angedroht hatten, widrigenfalls Frankfurt am Main und das Ruhrgebiet zu besetzen. Die deutschen Truppen hatten am 24. August bereits den Gehorsam verweigert, als sie trotz Befehl zur Rückkehr ins Deutsche Reich in ihren Stellungen blieben. Daraufhin beginnt die Rückführung der deutschen Truppen aus dem Baltikum und ist mit der Ankunft des Detachements “Roßbach” auf deutschem Boden am 16. Dezember beendet.
4. November Ein seit sieben Wochen andauernder Streik von 160.000 Berliner Metallarbeitern beginnt zu eskalieren. Eine Versammlung KPD- und USPD-naher Arbeiter- und Betriebsräte und Betriebsfunktionäre aller Industriebereiche beschließt einstimmig, den Generalstreik auszurufen, falls die Forderungen der Generalversammlung der Metallarbeiter von den Arbeitgebern abgelehnt werden. Den Schiedsspruch des staatlichen Schlichtungsausschusses lehnen sie ab. Nachdem am 6. November die Berliner Gewerkschaftskommission eine Proklamation zum Generalstreik ablehnt, beschließt die Generalversammlung am Folgetag den Abbruch des Streiks. Reichswehrminister Gustav Noske (SPD) nutzt die Gelegenheit und löst per Erlass den Vollzugsrat der Arbeiter- und Soldatenräte wegen Generalstreikhetze auf.
20. November In Berlin tagt trotz Belagerungszustand die Kommunistische Jugendinternationale mit 25 Delegierten von 14 Jugendorganisationen, die 200.000 Mitglieder vertreten. Die verbotenen Veranstaltungen finden getarnt in der Neuköllner Ziethenstraße im Berliner Bürger-Bräu und dann täglich an wechselnden Orten statt. Auch die Malerin Käthe Kollwitz stellt ihr Atelier zur Verfügung. Der deutsche Jugendsekretär, in den auch Lenin großes Vertrauen setzt, Willi Münzenberg, von Beruf Schuhmacher, wird gemeinsam mit Leo Flieg und Alfred Kurella in das Exekutiv-Komitee gewählt.
28. November Die Preußische Landesversammlung in Berlin lehnt gegen die Stimmen der SPD und USPD den Antrag der Unabhängigen ab, den 9. November zum gesetzlichen Feiertag zu erklären und den Bußtag als solchen aufzuheben.
29. November Der Vorstand der SPD fordert die Arbeiter auf, in die Einwohnerwehren einzutreten.
5. Dezember Die preußische Staatsregierung hebt den am 3. März über Groß-Berlin verhängten Belagerungszustand auf.
6. Dezember Auf dem vom 30. November bis zum 6. Dezember in Leipzig stattfindenden Parteitag der USPD beschließen die Delegierten einstimmig das Aktionsprogramm für die Diktatur des Proletariats und das Rätesystem als Form der proletarischen Klassenherrschaft. Auf dem Märzparteitag war noch mehrheitlich die Verankerung des Rätesystems in der Verfassung beschlossen worden. Auf dem Leipziger Parteitag überzeugt die Führungsgruppe der Linken um Ernst Däumig, Walter Stoecker, Wilhelm Koenen und Otto Braß. Die große Mehrheit der Mitglieder geht davon aus, dass die Revolution beendet werden und statt der bürgerlich-kapitalistischen eine sozialistische Gesellschaft geschaffen werden kann. Dem Einstellungswandel liegen die bitteren Erfahrungen der Arbeiterschaft mit der Terrorpolitik der Weimarer Reichsregierung in den vergangenen Monaten des Jahres zu Grunde. Seit ihrem sogenannten Revolutionsparteitag im März hat sich die Zahl der USPD-Mitglieder von 300.000 auf 700.000 erhöht. Bisher nicht organisierte Arbeiterinnen und Arbeiter traten ein, aber auch SPD-Mitglieder, die mit den Ergebnissen der Revolution nicht zufrieden sein konnten. Am letzten Tag des außerordentlichen USPD-Parteitags in Leipzig werden Arthur Crispien und Ernst Däumig zu Parteivorsitzenden gewählt.
7. Dezember Im deutschen Reichsministerium des Innern in Berlin wird der Vorentwurf für ein Gesetz über die Einführung der Filmzensur besprochen. Staatssekretär Theodor Lewald verlangt, das Kino müsse “ein brauchbares Volksbildungs- und Unterhaltungsmittel” werden.
13. Dezember Unter der Leitung von Marie Juchacz (SPD) wird gemeinsam mit Elfriede Ryneck, Walter Friedländer, Louise Schröder und Hedwig Wachenheim der Hauptausschuss für Arbeiterwohlfahrt in der SPD, Vorläufer des Wohlfahrtsverbandes AWO, gegründet. Organisiert werden Nähstuben, Mittagstische, Werkstätten zur Selbsthilfe und Beratungsstellen, um die Not der durch den Ersten Weltkrieg Geschädigten zu lindern. Später entwickelt die Arbeiterwohlfahrt sich zu einer Hilfsorganisation für alle sozial bedürftigen Menschen.
Die Deutsche Nationalversammlung in Berlin nimmt den Gesetzentwurf über die Verfolgung von Kriegsverbrechen und Kriegsvergehen an. Das Gesetz sieht die Verpflichtung der Behörden zur Verfolgung von Kriegsstraftaten auch für den Fall vor, dass die Tat im Ausland begangen wurde.
15. Dezember Der Landtag von Mecklenburg-Schwerin in Schwerin nimmt gegen die Stimmen der SPD den Abfindungsvertrag zwischen dem Freistaat und dem ehemaligen Großherzog Friedrich Franz IV. an. Der erhält außer seinem Privatvermögen vier Güter im Wert von 2,122 Millionen Mark, ausgedehnte Waldungen, zwei Schlösser mit Nebengebäuden und Gärten, drei Sommerwohnungen, ein Kavaliergehöft und sechs Millionen Mark in bar.
In Berlin beginnen dreitägige Beratungen der preußischen Landesversammlung über den Antrag der Regierungsparteien auf Schaffung eines deutschen Einheitsstaates ohne Länderparlamente. Angesichts des wirtschaftlichen Elends könne sich das Deutsche Reich nicht länger 168 Minister und 3.000 Abgeordnete leisten. Am 19. Dezember lehnen die im bayerischen Landtag vertretenen Parteien die von den preußischen Regierungsparteien geforderte Schaffung eines deutschen Einheitsstaates ohne Länder entschieden ab. Ebenso die badische Regierung in Karlsruhe am 20. Dezember. Die Länder sehen ihre Interessen durch die Schaffung eines Einheitsstaats gefährdet.
17. Dezember Die Deutsche Nationalversammlung in Berlin verabschiedet das Reichsnotopfergesetz. Es sieht eine einmalige Vermögensabgabe zur teilweisen Abdeckung der Reichsschulden vor. Große Teile der Bevölkerung werden zur Zahlung des Notopfers herangezogen.
18. Dezember Das Gesetz über die Sozialisierung, d. h. die Verstaatlichung der Elektrizitätswirtschaft wird von der Deutschen Nationalversammlung in Berlin angenommen.
23. Dezember Der lippische Landtag in Detmold nimmt den Vergleich mit dem ehemaligen Fürsten Leopold IV. an. Dieser erhält das frühere Residenzschloss in Detmold, das Jagdschloss Lopshorn, Gestüt und Teile des Jagdbezirks Lopshorn, die Oberförsterei Berlebeck, an Grundbesitz insgesamt 3.527 ha, ferner eine Million Mark in bar, einige Fonds in Höhe von rund 900.000 Mark und Teile des Hausschmucks.