Der Soldatenrat der Obersten Heeresleitung und die Volksbeauftragten-Regierung

„Aufruf des Soldatenrates bei der Obersten Heeresleitung
Vom 25. November 1918
zur Unterstützung der Ebert-Haase Regierung

 Kameraden! Endlich stehen wir wieder auf heimatlichen Boden. Unsägliche Leiden haben wir in langen Kriegsjahren ertragen. Ein anderes Vaterland nimmt uns auf. Das alte, das uns in den gräßlichen Krieg entsandte, besteht nicht mehr. Die alte Ordnung der Gewalten ist gebrochen, eine neue Ordnung bildet sich. Aber ungeheure Gefahr bedroht sie. Werden wir eine Heimat haben oder soll sich Deutschland in eine Trümmerstätte verwandeln? Das ist die Frage, die in aller Herzen brennt. Das Feldheer und mit ihm das ganze deutsche Volk verlangt vor allem nach Frieden, nach Arbeit und Brot, nach Demokratie.
 Wir wollen Frieden! Frieden kann nur werden, wenn der innere Frieden gesichert ist, wenn wir alles vermeiden, was zum Bruderkampfe unter uns selbst führen könnte. Darum darf es nicht sein, daß einzelne Schichten unserer Brüder für immer von den Regierungsgeschäften ausgeschaltet werden. Alle sollen ihre Stimmung mit zur Geltung bringen können. Das kann nur in der alsbald unter Mitwirkung des Feldheeres einzuberufenden Nationalversammlung geschehen. Die neue Regierung Ebert-Haase steht auf demselben Boden, darum müssen wir sie unterstützen.
 Wir wollen Arbeit und Brot! Wir wollen aber nicht wieder um den wirklichen Wert unserer Arbeit betrogen werden, daher fordern wir die Sozialisierung aller hierzu reifen Großbetriebe und den achtstündigen Maximalarbeitstag. Dagegen muß die Aufrechterhaltung der geordneten Produktion auf alle Fälle sichergestellt werden. Es kann nicht über Nacht das ganze Wirtschaftsleben auf den Kopf gestellt werden, weil dadurch die Produktion wie in Rußland auf lange Zeit lahmgelegt und unser Volk einer Hungersnot ausgeliefert würde. Ferner verlangen wir eine ausreichende Unterstützung der Arbeitslosen und den weiteren Ausbau der Kranken-, Invaliden- und Altersversicherung. Die neue Regierung ist, wie ihr Programm zeigt, gewillt, durch entsprechende Fürsorgegesetze das Los des arbeitenden Volkes zu erleichtern, und da sie sich aus Männern zusammensetzt, die immer für die arbeitenden Schichten und gegen deren Ausbeutung gewirkt haben, können wir vertrauen, daß sie nichts unterläßt, unsere Lebensinteressen zu wahren.
 Wir fordern Demokratie, weil sie alle Kräfte des Volkes vereinigt. Nur eine Regierung, die aus dem Willen des Volkes selbst hervorgeht, wird die Macht haben, alle jene Maßnahmen durchzuführen, die unsere Lebensbedingungen bessern. Diese Macht hat der alten Regierung gefehlt, darum hat sie der Regierung Ebert-Haase weichen müssen, die bereits mit starker Hand eingegriffen und einen großen Teil der alten, drückenden Schranken auf immer gebrochen hat. Der Belagerungszustand ist aufgehoben, das freie Vereins- und Versammlungsrecht ist durchgeführt. Alle wegen politischer Vergehen Festgenommenen und Verurteilten sind freigelassen, und die früheren Arbeiterschutzbestimmungen sind wieder in Wirksamkeit gesetzt worden. Auch sonstige in unser aller Leben einschneidende Reformen sind bereits verwirklicht, aber große, riesige Arbeit muß noch geleistet werden, wenn nicht gerade das arbeitende Volk auf Jahrzehnte hinaus unter den Folgen des unheilvollen Krieges schmachten soll.
 Kameraden! In Not und Tod seid Ihr bewährt! Für die alten Gewalten habt Ihr Euer Blut gegeben. Jetzt gilt´s die neue Heimat. Entscheidet Euch! Die Stunde fordert es. Wollen wir zur neuen Ordnung – oder wollen wir in den Abgrund?

Der Soldatenrat bei der Obersten Heeresleitung.“

Institut für Marxismus-Leninismus, Archiv, D. F. VI/1, Flugblatt. in Dokumente und Materialien zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, S. 479/480

 

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