Der A-u-S-Rat Niederrhein warnt am 30. November 1918 vor Stellen, die sich die Zentralgewalt aneignen

„Beschlüsse, Leitsätze und Anregungen
des Arbeiter- und Soldatenrates, Bezirk Niederrhein,
vom November 1918

Remscheid, den 30. November 1918

An die Arbeiter- und Soldatenräte Bezirk Niederrhein!

 Im Nachstehenden übersenden wir eine Zusammenstellung der Beschlüsse, Leitsätze und Anregungen, die auf der Bezirkskonferenz wie in der Sitzung des Bezirks-Arbeiter- und Soldatenrates angenommen und gutgeheißen wurden. Wir ersuchen höflichst, den Mitgliedern des dortigen Arbeiter- und Soldatenrats hiervon entsprechend Kenntnis zu geben und für Durchführung der Beschlüsse usw. eintreten zu wollen.

Der Bezirks-Arbeiter- und Soldatenrat Niederrhein.


Beschluß der Bezirkskonferenz
der Arbeiter- und Soldatenräte Bezirk Niederrhein
vom 20. November 1918

 „Von der Tatsache ausgehend, daß die Revolution erst begonnen hat und vom Proletariat bis zur Durchführung der Sozialisierung der Gesellschaft durchgekämpft werden muß, daß weiter anerkannte politische Zentralstellen nicht vorhanden sind und daß von den Stellen, die sich das Recht der Zentralgewalt anzueignen versuchen oder auch schon angeeignet haben, eine konterrevolutionäre Politik getrieben oder auf eine Versandung der Revolution hingearbeitet wird, stellt die Versammlung der Arbeiter- und Soldatenräte des Bezirks Niederrhein fest: Die ganze Gewalt liegt in den Händen der Arbeiter- und Soldatenräte.
 Das Ziel der Revolution ist, die Sozialisierung der Gesellschaft, die Überführung der Produktionsmittel aus den Händen weniger in den Besitz der Gesamtheit zu erwirken. Hierauf hat die heutige Macht mit allen Mitteln hinzuarbeiten, um so mehr, als das revolutionäre Proletariat, die Masse des Volkes, die Herbeiführung dieses Zieles erwartet und stürmisch verlangt. Jede andere Politik wird als eine gegenrevolutionäre Politik verurteilt und aufs schärfste bekämpft werden. Die Politik der genannten unmaßgeblichen alten Regierungsstellen ist eine gegenrevolutionäre Politik und verfolgt den Zweck, das Volk um die Früchte seiner Opfer zu betrügen, den toten kapitalistischen Gesellschaftskörper zu galvanisieren. Die Arbeiter- und Soldatenräte haben die Pflicht, auf diese große Gefahr aufmerksam zu machen und die Volksmassen zum rücksichtlosen Kampf gegen diese Gegenrevolution aufzurufen. Um die Revolution zur schnellsten Durchführung zu bringen, muß die Gewalt der Arbeiter- und Soldatenräte organisatorisch zusammengefaßt werden, sind Bezirks- und Reichszentralstellen der Arbeiter- und Soldatenräte zu schaffen.
 Die Arbeiter- und Soldatenräte des Bezirks Niederrhein werden keine Politik und keine Maßnahme dulden, die geeignet sind, die Revolution in ihrem Lauf zu hemmen und das Volk um seine Rechte zu prellen. Den gegenrevolutionären Plan, die kapitalistische Gesellschaftsordnung vor der Sicherstellung der Ziele der Revolution durch eine Nationalversammlung zu retten, lehnen die Arbeiter- und Soldatenräte des Bezirks Niederrhein auf das bestimmteste ab. Nur die konsequente und restlose Durchführung der Revolution sichert den Sieg des Proletariats, Glück und Wohlbefinden des gesamten Menschengeschlechts!“

Leitfaden für die Arbeiter- und Soldatenräte
des Bezirks Niederrhein und westliches Westfahlen
aufgestellt vor der Bezirkskonferenz der Arbeiter- und Soldatenräte
am 25. November 1918

 Das Sicherheitswesen ist durch die Arbeiter- und Soldatenräte zu überwachen und zu leiten. Die bisherigen Beamten (ausschl. Kriminalbeamte) dürfen bis auf weiteres keine Schußwaffen tragen. Den Polizeibeamten ist beim öffentlichen Dienst ein Soldat mit Waffe beizugeben.
 Die Kosten des Sicherheitsdienstes übernimmt die Stadtverwaltung. (Einheitliche Sätze sind festzustellen.) Den Dezernenten des Sicherheitswesens liegt die Pflicht ob, für die Schaffung einer Roten Garde Sorge zu tragen.
 Eine Trennung oder getrenntes Arbeiten zwischen den Arbeiter- und Soldatenräten wird nicht zugelassen.
 Dem Gerichtswesen ist besondere Beachtung zu widmen. Urteile sind durch den Arbeiter- und Soldatenrat zu kontrollieren.
 Die Lebensmittelversorgung ist zu sichern durch die Bestandsaufnahmen, Beschlagnahme größerer Vorräte bei industriellen und gewerblichen Betrieben sowie bei den Zensiten mit über 10 000 Mark Einkommen. Scharfe Kontrolle der Güterbahnhöfe und der Verkehrsstraßen.
 Die fernere Zulassung von Sonderzuweisungen an Schwer- und Schwerstarbeiter soll durch Vermittlung der Regierung einheitlich geregelt werden.
 Der Aufklärungsdienst ist besonderen Dezernenten zu übertragen, die Soldaten-, Gefangenen- und Volksversammlungen einzuberufen und die Bevölkerung durch Wort und Schrift über die Ziele der Revolution zu unterrichten haben.
 Die Stadtverordnetenversammlungen bleiben vorläufig bestehen. Alle Beschlüsse unterliegen der Genehmigung des Arbeiter- und Soldatenrats.
 Verfügungen früherer Regierungsstellen, die der Revolution zuwiderlaufen, sind nicht zu beachten.
 Es ist geplant, ein Bezirks-Presseamt zu errichten. Über alle wichtigen Vorgänge sind kurze Berichte durch die Arbeiter- und Soldatenräte an dieses amt einzusenden. Gegenrevolutionären Bestrebungen soll durch das Amt mit entsprechenden Mitteilungen an die Presse entgegengewirkt werden. Erklärungen allgemeiner Natur sind durch die Arbeiter- und Soldatenräte in sämtlichen Zeitungen zu veröffentlichen.
 Über das Gesundheitswesen (Krankenpflege, ärztliche Behandlung, Verhältnis zu den Betriebskassen, den Ärzten usw.) sollen in nächster Sitzung Richtlinien aufgestellt werden.
 In der Frage der Übergangswirtschaft wird der Bezirks-Arbeiter- und Soldatenrat in nächster Sitzung eine zentrale Regelung vorbereiten.
 Dem Bezirks-Arbeiter- und Soldatenrat Niederrhein wurden von der Bezirkskonferenz Anträge zur Erledigung überwiesen, von denen der Bezirks-Arbeiter- und Soldatenrat nachstehende zur Beachtung und Durchführung empfiehlt:
 1. Erlaß eines Aufrufs zur Abgabe von Lebensmitteln, evt. Beschlagnahme.
 2. Völlige Sonntagsruhe im gesamten Handelsgewerbe (Milch ausgenommen, auch Blumen, Zeitungen, Apotheken usw.) Erweiterter Geschäftsverkehr vor Weihnachtstagen ist nicht zulässig. Die wöchentliche Verkaufszeit darf 48 Stunden nicht überschreiten.
 3. Verbot des Verkaufs von Vieh und Ausrüstungsgegenständen ohne Kontrolle der Arbeiter- und Soldatenräte.
 4. Einrichtung von Standgerichten durch die Arbeiter- und Soldatenräte
 5. Der Antrag, die gesamte Alkoholindustrie, soweit sie für Genußzwecke arbeitet, ist sofort einzustellen, wird der Reichskonferenz überwiesen.
 6. Der Regierung sollen diese Forderungen unterbreitet werden:
Offiziere, die im Dienst bleiben (das sollen die technisch Vorgebildeten sein), müssen auf dem Boden des Programms der Volksregierung stehen.
Offiziere können bis 7 Tage beurlaubt werden mit Fortzahlung ihrer Bezüge. Bei Urlaub von mehr als 7 Tagen werden keine Bezüge gewährt.
Waffen dürfen nur im Dienst belassen werden.
Löhnung und Beköstigungen soll für alle gleich sein.

Die Organisation der Arbeiter- und Soldatenräte

 Auf Grund eines Beschlusses der Bezirkskonferenz aller Arbeiter- und Soldatenräte des Niederrheins und westlichen Westfalens vom 20. November 1918 wurde ein Bezirks-Arbeiter- und Soldatenrat eingesetzt.
 Die konstituierende Sitzung dieses Rates hat am Montag, dem 25. November, in Barmen stattgefunden und folgenden Beschluß gefaßt:
 Die heutige Konferenz konstituiert sich als Zentrale der Arbeiter- und Soldatenräte für den ganzen Bezirk Niederrhein.
 Die Kreise sind nach folgenden Grundsätzen vertreten: Die Wahlkreise Elberfeld-Bramen, Lennep-Remschmeid-Mettmann, Solingen, Düsseldorf, Duisburg, Essen, Hagen, Altena-Iserlohn und Köln mit je vier Delegierten. Die übrigen Kreise entsenden je einen oder zwei Delegierte.
 Der zentrale Bezirks-Arbeiter- und Soldatenrat bildet das Bindeglied zwischen den Arbeiter- und Soldatenräten des ganzen Bezirks.
 Er hat die Aufgabe, die proletarische Revolution im sozialistischen Sinne zu fördern, damit der Privatbesitz an Produktionsmitteln, Verkehrsmitteln, Rohstoffen, Grund und Boden so schnell wie möglich in den Gesellschaftsbesitz der Gesamtheit übergeführt wird, so daß sich eine entsprechende sozialistische Güterverteilung durchführen läßt. Zu diesem Zwecke ist die Fortführung und Steigerung der Revolution oberstes Gebot. Jede konterrevolutionäre Bestrebungen sind mit allen Mitteln zu bekämpfen. Die politische Macht des Proletariats darf durch keinerlei Regierungsmaßnahmen eingeschränkt werden. Auf dieser Grundlage hat der Zentral-Arbeiter- und Soldatenrat seine Tätigkeit aufzubauen. Zur Durchführung seiner Beschlüsse setzt er einen Vollzugsausschuß von 7 Personen ein.
 Derselbe wird die im Bezirk Niederrhein sich befindenden Regierungen übernehmen und zu deren Kontrolle geeignete Personen anstellen.

Die Befugnisse der örtlichen Arbeiter- und Soldatenräte

 Der Zentralrat der Arbeiter- und Soldatenräte des Bezirks stellt Grundlinien auf über die Befugnisse der örtlichen Arbeiter- und Soldatenräte. Endgültig beschlossen werden sie durch die Zustimmung der Arbeiter- und Soldatenräte der einzelnen Kreise.
 Die örtlichen Arbeiter- und Soldatenräte sind die Träger der politischen Gewalt, und ihnen unterstehen insoweit die örtlichen Verwaltungskörperschaften, als dadurch nicht Interessen der Gesamtheit verletzt werden.
 In allen Fällen, wo Gesamtinteressen in Frage kommen, die den Bezirk betreffen, gibt der Bezirksrat den Verwaltungskörperschaften Anweisungen.
 In allen Fällen, wo Gesamtinteressen des Landes in Frage kommen, gibt die Reichsregierung im Einverständnis mit dem Reichs-Zentral-Arbeiter- und Soldatenrat Anordnung.
 In allen Orten sind Arbeiter- Soldatenräte zu bilden.

Die Finanzierung

 Die Kosten für die Zentralstellen trägt die Staatskasse. Die Teilnehmer erhalten unter Anwesenheitskontrolle eine Aufwandsentschädigung pro Sitzungstag und frei Reise. Die Kosten für die örtlichen Arbeiter- und Soldatenräte tragen die Gemeindeverwaltungen, für die Kreisverbände die Kreisverwaltungen.
 Die Höhe der Entschädigungen der tätigen Arbeiter- und Soldatenrate wird entsprechend dem Zeitaufwand örtlich durch die Arbeiter – und Soldatenräte festgesetzt.“

Institut für Marxismus-Leninismus, Archiv; D. F. VI/1, Flugblatt

 

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