Das Blatt hatte sich nicht gewendet

„Die Gefügigkeit, mit der sich die Herren und das gesamte Personal am Vortage dem revolutionären Willen des Proletariats unterworfen hatten, war einer immer stärker werdenden Widersetzlichkeit und Sabotage gewichen. Die Herren von Verlag und Redaktion gingen zur Regierung, schrien dort und Zeter und Mordio, und die neue „Revolutionsregierung“ schenkte den Klagen der bürgerlichen Pressegenerale ein williges Ohr. Ebert verfügte, daß die Zeitungen ihren ehemaligen Besitzern wieder auszuliefern sei, ihre konterrevolutionäres Gift als ungehindert weiterverspritzen durfte. Damit verstärkte sich die Aufsässigkeit mancher Setzer und Drucker.
Bald darauf kamen die Verleger und die Redakteure, denen Ebert jetzt regierungstreue Soldaten mitgegeben hatte, zurück. Die angetrunkenen Soldaten nahmen uns Spartakusgenossen in den Redaktionsräumen fest und sperrten uns in einen engen Raum. Aber selbst in dieser Stunde konnte Rosa beruhigend auf unsere Peiniger einwirken. Nch einiger Zeit fanden wir die Türen unversperrt. Die betrunkene Wache war verschwunden. Doch war jetzt an Arbeit für uns in diesem Haus nicht mehr zu denken, zumal das Personal inzwischen mit Versprechungen und Einschüchterungen gegen Spartakus fanatisiert worden war. Andererseits wagte es niemand an diesem 10. November, an dem immer noch bewaffnete Demonstrationszüge unter roten Fahnen durch die Straße der Stadt fluteten, sich direkt an uns zu vergreifen.
Bald darauf fand die Leitung des Spartakusbundes eine eigene Druckerei, und so konnte „Die Rote Fahne“ unter der Redaktion von Rosa und Karl am 18. November erneut erscheinen.“

„Hermann Duncker Die Rote Fahne“ in „Berliner Leben 1914 bis 1918“, Dieter und Ruth Glazer, Berlin 1963

 

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